Kleinstadtleben
Evil_eva lebt sich immer besser in Elektrenai ein und auch ihr Litauisch-Wortschatz wächst mit jedem Tag. Und das ist, wie sie feststellen musste, für die Arbeit mit den Kindern sehr wichtig.
Nachdem ich jetzt schon fast zwei Wochen in Litauen bin, fange ich langsam an, mich einzuleben. Es ist nicht mehr alles neu und überraschend und ich habe inzwischen auch mit meinem offiziellen Litauisch-Unterricht begonnen. Meine erste Litauisch-Stunde hatte ich am Montag und es ging gleich aufs Ganze: Verben, Konjugationen, Deklinationen (im Litauischen gibt es sieben Fälle) und jede Menge neue Vokabeln. Inzwischen bewegt sich mein Litauisch-Wortschatz allerdings schon zwischen zwei- und dreihundert Vokabeln.
Die Kommunikation mit den Kindern ist auch etwas leichter geworden, weil inzwischen alle verstanden haben, dass ich kein Litauisch kann und angefangen haben, sich mit Händen und Füßen (und teilweise auch Englischbrocken) mit mir zu verständigen. Schwierig ist es immer noch, vor allem, da ich für sie keine Autoritätsperson bin, so lange ich mich nicht mit ihnen verständigen kann. Eigentlich ist das nicht so wichtig, aber da die Kinder alle aus Problemfamilien kommen und viele wohl auch Gewalt von zu Hause gewohnt sind, gibt es manchmal schon kleine Schlägereien zwischen den Kindern.
Ansonsten habe ich diese Woche viel Zeit im Wasser verbracht: am Montagabend war ich mit Agné und Gintare im Elektrenaier Schwimmbad. Das ganze besteht allerdings nur aus einem einzigen Becken mit abgegrenzten Bahnen und relativ kaltem Wasser, so dass man außer Hin- und Herschwimmen nicht viel machen kann.
Am Donnerstag war ich dann mit Kristina (meiner Mentorin im Projekt, mit der ich mich aber mangels Sprachkenntnisse bisher nur sehr schwer verständigen kann) und einigen Kindern in der Sauna: im Kraftwerk von Elektrenai gibt es eine russische und eine finnische Sauna. Das Abkühlbecken wird mit aus dem Kraftwerk kommenden Kühlwasser gespeist, das danach wieder in den Fluss fließt. Eigentlich keine schlechte Idee - das Wasser ist immerhin 28 Grad warm, während der Fluss und der See draußen immer noch eine Eisdecke haben. Über die Sauberkeit des Wassers bin ich mir allerdings nicht so sicher. Die Kinder hatten jedenfalls sehr viel Spaß im Wasser, auch wenn ihnen die Sauna zu heiß war.
Am Freitagabend war ich nochmal mit Danguole (einer der Sozialarbeiterinnen des Tageszentrums) und ihrer Familie im Schwimmbad. Das ist allerdings auch eine der einzigen Freizeitbeschäftigungen, die es in Elektrenai im Winter gibt. Im Sommer kann man dafür im See baden und raus in die Natur gehen - dafür ist es momentan eindeutig noch zu kalt.
Am Mittwochabend bin ich kurzfristig nach Vilnius gefahren, um bei der Planung einer Eröffnungsparty für ein Zentrum für Freiwillige und Ex-Freiwillige mitzuhelfen. Wie sich herausgestellt hat, ist die Party allerdings nächstes Wochenende, an dem ich mein Arrival-Seminar habe. Das Brainstorming war trotzdem sehr lustig und ich habe mal wieder jede Menge andere Freiwillige aus sieben verschiedenen Ländern kennen gelernt. Die Freiwilligen hier in Litauen sind eine echte Gemeinschaft, in der man sich kennt und auch viel miteinander unternimmt. So waren wir auch am Mittwochabend, nach der Planung, noch im Intro, einer Reggaebar. Hier habe ich zum ersten Mal wirklich alternative Litauer(innen) gesehen. In einer Kleinstadt wie Elektrenai kleiden sich die Leute eben doch alle ziemlich homogen.
Mein Wochenende habe ich auch in Vilnius verbracht. Am Samstag hat mir Irene eine langversprochene Stadtführung gegeben - die Stadt ist wirklich toll! Als ich damals auf dem Weg vom Flughafen durch Vilnius gefahren bin, habe ich fast nur heruntergekommene Häuser aus Sowjetzeiten gesehen (ähnlich wie in Elektrenai) und schon angefangen, an meinem Reiseführer zu zweifeln. Vilnius hat allerdings eine riesige und wunderschöne (größtenteils auch renovierte) Altstadt. Und als "Rom des Nordens" natürlich jede Menge Kirchen. Obwohl Litauen zu 90 Prozent katholisch ist, habe ich fast genauso viele russisch-orthodoxe wie katholische Kirchen gesehen. Leider war Irene immer noch zu krank, als dass wir auf einen der Aussichtspunkte auf den Hügeln um die Stadt hätten gehen können. Und auch in den Innenhof der Uni (die eine kleine Stadt für sich ist) wurden wir wegen einer Hochzeit nicht gelassen. Dafür waren wir noch als einzige Besucher im Nationalmuseum und haben danach in einem traditionell litauischen Restaurant zu Mittag gegessen. Nach einer langen Genesungspause für alle Kranken und Erkälteten war ich mit Irene, Kristell, Sebastien und Jenni (einer Freiwilligen aus Finnland) Abend essen. Wir vier Mädels haben eine litauische Spezialität probiert: Vodka mit Chili. Schmeckt gar nicht mal so schlecht, aber man sollte nicht auf die dumme Idee kommen, ihn mit Zitrone zu mischen! Gegen halb zwei sind wir dann von Kristells und Irenes Wohnung aus noch in eine Tanzbar gegangen (die Clubs waren alle überteuert). Diesmal lief zum Glück kein Techno, sondern ganz passable englische (und zu Irenes Begeisterung auch italienische) Musik.
Nachdem wir bis in den frühen Nachmittag geschlafen und danach noch ausführlich Mittag gegessen haben, war es heute leider schon zu spät, um sich noch das Künstlerviertel von Vilnius anzuschauen. Also habe ich jetzt schon jede Menge Pläne für übernächstes Wochenende!