INTERVIEW: „Griechischer Humor ist anders als deutscher“
Carolina Böhm spricht mit Marina Kalligianni über Freundschaften über Kulturgrenzen hinweg
Über die Interview-Autorin, Marina Kalligianni: Während ihres Studienaufenthalts in Berlin und auch während ihres europäischen Freiwilligendienstes im griechisch-deutschen Kulturzentrum Filia ist ihr Interesse für die Kommunikation zwischen Leuten mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund geweckt worden. Ihr Interesse war es, mittels Interviews mehr über interkulturelle Freundschaften zu erfahren. Die Gespräche fanden in den Monaten Januar und Februar 2003 statt.
Über die Interview-Partnerin, Carolina Böhm: wissenschaftliche Referentin im Berliner Abgeordnetenhaus, SPD-Fraktion. Sie wohnt seit 18 Jahren in Berlin und erzählt über ihre Freundschaft mit Theodora Psaraki aus Athen, Griechenland, Germanistin.
M: Kanntest du Leute in Berlin, als du hierher gekommen bist? C: Nein, niemanden.
M: Hast du sofort Leute kennen gelernt? C: Ja, das ging ziemlich schnell an der Universität. Damals an den Universitäten wurden ganz schöne Erstsemesterkolloquien organisiert, so hieß es damals. Wir haben uns einmal pro Woche getroffen. Wir sind zusammen aus Berlin weggefahren und haben viel über unsere Studiensituation gesprochen.
M: Gab es im Studium Leute aus Deutschland und auch aus anderen Ländern? C: Nein, es gab niemanden aus anderen Ländern. Später wurden es mehr. Ich erinnere mich an etliche aus afrikanischen Ländern, die zum Politikstudium kamen.
M: Du würdest gern über eine Freundschaft mit einer Person sprechen. Wer ist sie? C: Das ist eine neue Freundschaft für mich in meinem Lebenslauf. Sie heißt Theodora, sie kommt aus Griechenland und ich kenne sie seit zweieinhalb Jahren. Wir haben uns an der Universität kennen gelernt. Wir haben einen Aufbaustudiengang gemacht, er heißt „European Master in Intercultural Education“. Sie ist die erste Person aus Griechenland, die ich kennen gelernt habe.
M: Wie war es am Anfang? C: Wir waren in einer kleinen Gruppe zu neunt. Ich glaube, unsere Freundschaft war am Anfang eigentlich eher eine Gruppenfreundschaft, wir waren alle befreundet und alle gleich befreundet. Und dann kommt es mit der Zeit, dass man einigen Leuten in der Gruppe ein bisschen näher steht als anderen. Eigentlich war es am ersten Tag schon klar. Am ersten Tag, als ich in die Uni kam, saß sie da und wir haben uns angeguckt, wir haben uns lange angeguckt. Dann haben wir uns wieder angeguckt.
M: Hat sich die Freundschaft sofort oder langsam entwickelt? Habt ihr euch damals sehr oft gesehen? C: Ja, in diesem einem Jahr an der Uni haben wir uns sehr oft gesehen, aber nicht wir beide alleine, nicht so oft. Das hat lange gedauert, würde ich sagen. Wir hatten wahnsinnig viel zu tun. Eigentlich war kaum Zeit um etwas Schönes zu unternehmen. Wir haben meistens gleich zu mehreren was gemacht.
M: Hattest du schon ein Bild von Leuten aus Griechenland oder gibt es ein bestimmtes Bild für die Deutschen von den Leuten aus Griechenland? C: Bei mir ist es eher so, dass ich immer gedacht habe, dass die Griechen den Türken ähnlich sind, trotz dieser angespannten Situation. Aber der Lauf der Geschichte hat die Länder viel mit einander in Verbindung gebracht. Ich denke, dass sie sich schon ähneln. Wir haben manchmal gelacht, weil der Wortschatz ähnlich ist.
M: Gab es Vorurteile oder Stereotypen von Leuten aus Griechenland, die du hattest und jetzt abgebaut hast? Oder die du von Leuten hörst, die anders über Griechenland denken? C: Ich glaube, das einzige Vorurteil, was ich vielleicht hatte, es ist vielleicht albern, aber ich glaube, das hatte ich ein bisschen erwartet, ist, dass Menschen aus Griechenland bestimmt was gegen Leute aus der Türkei haben. Ich dachte, das muss so sein. Es gibt immer einen aktuellen Konflikt mit Zypern und das Verhältnis ist angespannt. Aber es ist nicht so. Das bleibt bestimmt ein Vorurteil von mir und ich freue mich innerlich, wenn ich von Theodora höre, dass sie einen Menschen aus der Türkei kennen gelernt hat und dass sie ihn nett findet.
M: Kommt das nur von dir oder ist das ein Vorurteil von Deutschen allgemein? C: Ich glaube, das denken viele Deutsche. Es gab auch eine Situation, wo eine Freundin von mir Theodora das als allererstes gefragt hat. Sie hat sie gerade kennen gelernt und es war die erste Frage, die sie ihr gestellt hat und Theodora wurde furchtbar wütend. Das war eine blöde Situation.
M: Merkst du auch Unterschiede zwischen deiner Mentalität und ihrer Mentalität? C: Ja, natürlich. Unterschiedlich ist – glaube ich – der Umgang mit Zeit. Ich verbringe nicht so viel Zeit mit Freunden wie Theodora das tut. Ich plane das, wir verabreden uns, ich sage, wir müssen telefonieren. Sie wohnt bei meiner Arbeit um die Ecke und eigentlich wäre es ganz einfach ab und zu zu sagen, „ah, ich komme einmal vorbei“. So ist es nicht und ich merke, ich bin diejenige, die kompliziert ist. Ich kann nicht alles liegen und stehen lassen, wenn sie kommt. Das andere ist, dass ich privat viel weniger Zeit mit Freunden verbringe. Es liegt auch daran, dass ich in einer Vollzeitstelle arbeite und oft mehr als die üblichen acht Stunden arbeiten muss und wenig zu Hause bin. Und wenn ich zu Hause bin, will ich niemanden sehen. Dann bleibt am Ende gar nicht so viel Zeit für Freunde.
M: Entstehen durch diese Unterschiede Diskussionen oder kleine Konflikte? C: Konflikte gab es bis jetzt nicht. Es gab Situationen, wo ich ihr sagte, „komm nach der Arbeit vorbei“, und dann hatte ich gar keine Zeit, als sie kam und dann war es mir sehr peinlich. Ich habe mich nicht so wohl gefühlt. Ich glaube, sie hat das verstanden.
M: Machst du mit Theodora andere Sachen als mit anderen Freunden, die du hast? C: Nein, es ist eher so, dass Theodora anders ist. Dadurch ist die Begegnung mit ihr anders als mit anderen Freunden. Was ich schön finde, ist, dass ich sehr wenig darüber nachdenke, wie wir miteinander reden, ob ich mich so oder so richtig verhalten habe, ob ich zu wenig angerufen habe. Ich habe einige deutsche Freunde, bei denen ich es viel komplizierter finde. Es gibt viel schneller Verletzungen und viel mehr Ängste, wer ruft wen wie oft an, wie trifft man sich. Also, wo vielleicht viel mehr darauf geachtet wird, wie viel in die Beziehung investiert wird. Das Gefühl habe ich mit Theodora nie.
M: Gibt es weiter Kontakt, wenn sie zurück nach Griechenland fährt? C: Ich glaube, dass wir auf jeden Fall den Kontakt halten. Das wird natürlich weniger werden. Aber dann fahre ich halt nach Griechenland und ich bin sicher, dass sie hierher kommen wird. Sie hat auch ihre Geschichte in Deutschland, die nicht so einfach abgeschlossen ist.