In Israel ist Krieg!? - oder: Was gesagt werden muss
Ich war jetzt ein halbes Jahr in Israel, habe mich natürlich auch mit dem großen, allgegenwärtigen Konflikt beschäftigt, das Land und die "Gebiete" bereist und mit Menschen von beiden Seiten gesprochen. Hier ein paar Gedanken dazu...
Ich weiß, dass ich bisher das Thema Besetzung wenig gestreift habe, und das auch aus gutem Grund. Es kotzt mich offen gestanden an, dass viele Leute die Zeitung aufschlagen und beim Zuschlagen gegen Israel sind, dass jede_r eine Meinung und keine_r eine Ahnung hat, und dass all die “Humanist_innen” sich mit einem am wenigsten beschäftigen, und zwar mit dem Menschen, dem Individuum, auf beiden Seiten. Ich habe jetzt zum ersten Mal richtig die andere Seite gehört, und ich sehe es mittlerweile so:
Es gibt, so glaube ich, zwei Möglichkeiten für einen Frieden. Die menschlichere wäre die Einstaaten-Lösung, nach der das ganze Gebiet an Israel angegliedert wird, mit gleichen Rechten für alle. Das würde die Idee eines Judenstaates kaputt machen, das verstehe ich. Denn es würde bedeuten, dass im Land mehr Araber als Juden leben würden, und da es sich bei Israel um eine liberale Demokratie handelt, bestünde daher eine Stimmmehrheit auf arabischer Seite. David Ben-Gurion, Israels erster Premierminister, sagte einmal “Wir haben im Moment zwei Möglichkeiten: Entweder ein jüdischer Staat, oder eine richtige Demokratie. Beides können wir zu diesem Zeitpunkt nicht haben”. Ich habe das bisher verstanden und daran die schwierige Situation festgemacht, damit die Besetzung gerechtfertigt und eine Zwei-Staaten-Lösung als richtig erachtet. Aber jetzt, da ich mich auch mit der anderen Seite intensiv beschäftigt habe, denke ich eher: Richtig, beides zusammen geht nicht. Also kein Judenstaat. Demokratie ist definitiv wichtiger.
Aber natürlich kann man Extremismus, den Hass, nicht außer Acht lassen, und über 60 Jahre Besetzung haben die Stimmung natürlich nicht gerade verbessert. Darum bin ich nach wie vor dafür, dass die Palästinenser einen eigenen Staat bekommen müssen, und dass die internationale Gemeinschaft dies nicht nur in die Wege leiten, sondern auch finanzieren muss. Ein unabhängiger Staat wäre vermutlich zunächst finanziell nicht besonders stark, die Konflikte würden nicht zur Beruhigung beitragen. UN-Soldaten müssten die Grenze sichern, die Transition müsste langsam stattfinden, mit der Autonomie Palästinas inklusive Polizei und Armee abgeschlossen werden.
Die Frage bleibt natürlich Gaza, ein Wespennest, in dem Armut und die Hamas herrschen. Außerdem stehen dieser Lösung die Hoffnung zehntausender Palästinenser gegenüber, teilweise ihr Grund zum Leben – die Vorstellung davon, eines Tages nach Hause zurückkehren zu können. Für uns, die wir vermutlich alle schon mal umgezogen sind, klingt das vielleicht nach einem kleinen Problem, aber die kulturelle, physische Verwurzlung spielt für einen Großteil der Menschen dort eine sehr große Rolle.
Ich kann also natürlich auch keine Lösung bieten. Und das steht mir auch nicht zu. Ich glaube auch nicht, dass eine der beiden Lösungen zur Zeit möglich ist, auch wenn ich das natürlich wünschenswert fände. Aber in einer Region, die so sehr zerrüttet ist von Kriegen und Gewalt, und die sich so sehr Veränderungen ausgesetzt sieht wie der Nahe Osten vor und nach dem Ende der Kolonialzeit, ist Sicherheit oftmals ein höheres Gut als Menschenrechte.
Hoffentlich findet ihr etwas zum drüber nachdenken.
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