Gedanken eines Blumenhändlers
"Nur durch Kritik kann man sich verbessern, oder?" Deswegen ist es wichtig, eine politische Meinung zu haben, und sei es auch eine kritische. Ein französischer Blumenhändler im Interview demonstriert diesen Standpunkt sehr eindrucksvoll.
Es ist Donnerstagnachmittag, die Sonne lacht vom Himmel und mein Interviewpartner tut es auch: "Pff, so schwere Fragen an einem so schönen Tag! Ob es Sinn macht, im Juni zur Europawahl zu gehen? Ich glaub, ich werd' schon hingehen, aber es wird sich wohl nicht viel ändern, fürchte ich". Mit dieser weisen Erkenntnis wendet er sich erneut seinem Kaffee zu und nickt freundlich zum Abschied.
Eine Ecke weiter ist ein Blumenhändler gerade damit beschäftigt, Dornen von seinen Rosen abzuschneiden, sorgsam legt er sein Messer zur Seite als er mir auf meine Frage antworten will. "Europa, Europa... hm, du, ganz ehrlich, ich bin da relativ skeptisch und weiß nicht, ob diese Wahlen viel verändern werden. Europa ist so entzweit, ständig gibt es Rivalitäten zwischen den Ländern, alles dauert so lange, es gibt viel zu viel Bürokratie und dann sprechen wir auch noch nicht mal alle dieselbe Sprache!
Aber, weißt du, darin seh’ ich die Chance für Europa. Wir sollten nicht versuchen ein zweites Amerika zu werden, sondern unsere nationalen Identitäten bewahren. Europa ist so vielfältig! Da gibt es die romanisch geprägten Länder im Süden, die effizienten Länder im Norden, jeder hat seine eigenen Stärken. Gewiss, wir müssen enger zusammenrücken, aber solange wir keinen Obama haben, einigen wir uns nie. Und, ich habe auch Angst, dass all unsere vielfältige Kultur verloren geht. Sollen wir irgendwann alle englisch sprechen und alle das selbe zum Frühstück essen? Das wäre doch langweilig! Ich verstehe, dass in einer globalisierten Welt ein kleines Land nicht mehr viel Macht hat, da stimme ich gerne für ein engeres Europa! Aber, zum Beispiel, ich hab gestern eine Sendung im Fernsehen gesehen, da haben sie von Italien berichtet: eine kleine Gemeinde wollte regionale Produkte fördern und hat die Bauern in der Umgebung unterstützt. Und dann hat Brüssel das als "Protektionismus" angeprangert und gesagt, das verstoße gegen einen einheitlichen europäischen Markt! Das sind so Sachen, die ich nicht verstehe..." Der junge Mann im grünen Hemd verstummt nun, und meint abschließend, dass er schon für Europa sei, aber dass da noch sehr viel zu tun sei.
So euroskeptisch der Blumenhändler auch war, so interessierte er sich wenigstens für Europa und konnte erklären, was ihm nicht passte. Und nur durch Kritik kann man sich verbessern, oder? Man sollte die Wahlen als Chance zur Veränderung begreifen, und seine Kritik äußern. Zum Beispiel am 7. Juni.