Eine andere Stadt = eine andere Welt!?
Ein verlängertes Wochenende voller leckerem Essen und Disko/Bar-Aktivitäten liegt hinter Hanna. Diesmal nicht in Ufa, sondern 500 Kilometer und etwa acht Stunden mit dem Zug entfernt, in Samara, wo sie ihren Vater besuchte, zusammen mit Agnja. Aber auch der Ortswechsel hat sie nicht vor ihren gewohnten Problemen mit diversen Verkehrsmitteln bewahrt.
Ich hab ja schon angekündigt, dass ich mal wieder meinen Vater sehe, nur dass er diesmal nicht zu mir gekommen ist, sondern ich zu ihm. Was bedeutete, ich musste nach Samara fahren. Samara liegt ungefähr 500 Kilometer von Ufa weg und ist eine Zeitzone weiter vorn. Das bedeutet soviel wie acht Stunden Zugfahrt. Aber wisst Ihr was? Das nehme ich gern in Kauf. Und diesmal musste ich die Annehmlichkeiten im Zug nicht allein genießen, sondern Agnja war auch mit dabei.
Wir sind bereits Donnerstagabend losgefahren, so dass wir a) soviel wie möglich vom nächsten Tag hatten und b) nachts schlafen konnten, damit uns die acht Stunden nicht soviel vorkommen, denn nachts ist das Schlafen bekanntlich angenehmer.
Angekommen sind wir morgens um 6.00 Uhr, und man sollte meinen, ich hätte eine leichte Fahrt gehabt. Dem war nicht ganz so, denn ihr kennt so was bestimmt, sobald man etwas Besonderes plant wird man krank. Ja, und wie sollte es anders sein, natürlich musste ich genau am Donnertag morgen mit Husten und einem Kopf aufwachen, dass es nicht mehr feierlich war. Und ausgerechnet an so einem Tag gibt es auch noch wichtige Termine. Also hab ich mich, richtig zuverlässig wie ich bin, in die Uni geschleppt. Allerdings hätte ich mir das schenken können, denn ich wurde umgehend nach Haus geschickt, zum Schlafen und fit sein für meinen Vater.
Nachdem ich also diesen Weg umsonst gemacht und alle Ratschläge befolgt habe, die man mir mit auf den Weg gegeben hatte, hab ich mich später noch mal auf den Weg gemacht, um meine heiß ersehnten Fotos abzuholen. Tja, vielleicht habt ihr ja den Kommentar meiner Schwester auf meinen vorletzten Artikel gelesen. Im Nachhinein ist man immer schlauer!!!
Hätte ich den doch nur eher gelesen… Aber wie ich mich kenn, hätte ich ihn sowieso nicht befolgt. Langer Rede kurzer Sinn: es ist in die Hose gegangen. Ich habe einen Spezialfilm, zumindest für russische Verhältnisse, und darum war es ja auch so schwer, einen Laden zu finden. Den, den ich fand, war eindeutig der Falsche. Wenn ich großes Pech hab kann man das noch nicht mal mehr in Deutschland wieder hinbiegen. Bilder hab ich keine erhalten, nur Bandsalat!!! Und ich sag Euch, auch das war ein Grund, warum ich sehr froh war meinen Vater zu sehen, denn er kann vielleicht noch meine Arbeit retten. Es waren nämlich nicht nur private Fotos! Und Ihr müsst somit auch noch auf eine Ansicht von Ufa warten. Tut mir Leid, war nicht meine Schuld, aber Ihr könnt euch vorstellen, dass es mir danach noch schlechter ging. Ich musste mal wieder feststellen, dass Russen glauben, alles zu können und mit allem mithalten zu können, doch das ist nicht der Fall!!! Nur haben sie das noch nicht verstanden.
Aufgrund all dieser Umstände war meine Nacht sehr kurz, um genau zu sein nur drei Stunden, und für Freitag war eine Menge geplant. Als wir endlich in Samara ankamen dauerte es eine Weile, bis wir meinen Vater fanden. Irgendwann waren wir dann sicher in seiner Wohnung und während er sich noch mal schlafen legte (er war erst anderthalb Stunden bevor er uns abholte ins Bett gegangen) probierten wir über 90 Minuten auf meinem Laptop eine Internetverbindung einzurichten, aber wir haben dann aufgegeben. Später mussten wir feststellen, dass uns nur eine Zahl fehlte, aber die konnten wir nicht wissen. Ich weiß, die Kerle unter Euch werden denken: mal wieder Frauen, keine Ahnung von Technik. Stimmt auch, leider.
Ein bisschen Zeit verbrachten wir dann auf der Arbeit meines Vaters. Später bekamen wir einen Fahrer, der uns zum Helikopterplatz bringen sollte. Dieser Platz liegt etwa 100m Meter über der Wolga und man hat eine Aussicht, das glaubt Ihr nicht. Okay, es war diesig und somit ging es ein bisschen verloren, aber es war einfach geil.
Dann wurden wir wieder zurückgebracht und sind von dort aus dann zu einer Freundin von Agnija. Der Weg dahin war auch wieder mal gespickt von kleinen Komplikationen. Wir wollten die Tram nehmen. Aber erstmal die richtige finden! Und wenn die dann auf einmal anhält, obwohl da eine Kreuzung ist, und dann ewig nicht weiter fährt, und man wieder von irgendwelchen Leuten wie ein Weltwunder bestaunt wird, weil man a) Englisch spricht b) dann noch eine Deutsche ist, und schließlich auch noch so alt ist wie ich, sagen wir doch einfach, man flüchtet und geht den Rest lieber zu Fuß.
Für den Abend war dann erst mal schön Essengehen angesagt und das führte uns dann zu einem Mexikaner, wunderbar. Im Gegensatz zu Ufa haben die die Musik wenigstens auf einer Lautstärke gehabt, dass man sich auch bequem unterhalten konnte. Soll aber auch da eher die Ausnahme sei. Und das Essen war auch nicht zu verachten. Später sind wir dann in einem Club gegangen, der sich Desperados nennt, wo ich endlich feststellen konnte, dass man auch in der Provinz so etwas wie eine Bar/Disko kennt, in der nicht nur Techno gespielt wird, und die zudem noch ein richtig angenehmes Ambiente hat. Mir wurde aber gleich gesagt, dass auch dies nicht Standard ist, sondern eine Ausnahme. Die Drinks waren gut, auch wenn ich zu meinem Leidwesen sagen muss, so etwas wie Dooley’s gibt es hier nicht.
Irgendwann in der Nacht habe ich dann noch meine russischen Freunde getroffen, und wir sind dann erst mal in eine Sportbar abgezischt, um die letzten Wochen auszuwerten. Später dann noch mal zurück und weiter tanzen. Eins solltet Ihr wissen: Agnija und ich hatten abgemacht, nur bis maximal 1.00 Uhr zu machen – tatsächlich waren wir irgendwann nach 4.00 Uhr zurück. Ich denke, das zeigt, dass es wirklich gut war.
Der nächste Tag war zum Ausschlafen da, und das haben wir wirklich gemacht. Irgendwann hatten wir uns dann auch auf der Arbeit meines Vaters eingefunden und wollten dann in ein Schwimmbad fahren. Da erfuhr ich, dass wir abends wieder essen gehen sollten und das wollte ich mir auf gar keinen Fall entgehen lassen. Und bevor es zum Schwimmen ging, führte uns unser Weg auf den Bahnhof, was schwerwiegende Folgen hatte. Agnija wollte eher nach Ufa und wieder in der Nacht fahren. Das war nicht möglich, und so musste sie bereits um 19.00 Uhr fahren. Was zur Folge hatte, dass wir nicht mehr schwimmen gegangen sind, da es bereits nach 16.00 Uhr war.
Und dann begann meine Bahnhofsodyssee. Ich weiß auch nicht, warum ich permanent Probleme mit Verkehrsmitteln habe. Zuerst gab es ein Missverständnis zwischen Agnija und mir, und das Resultat wäre gewesen, dass ich schon am nächsten Nachmittag fahren sollte. Während ich bei meinem super Abendessen saß, wurde Agnija zum Bahnhof gebracht und mein Ticktet umgetauscht.
Kommen wir vorerst mal zu diesem Abendessen. Ich bin in einem VW Chayenne hingefahren und bin einem echten Gentleman begegnet. Die Gesellschaft war einfach wunderbar und ich sag Euch, das Ding hat ein Fahrgefühl, das ist unglaublich. Hab Euch ja schon gesagt dass ich das Autofahren vermisse, und allein schon das Mitfahren war ein absoluter Genuss. Später wurde mir ein Fahrer für meine nächtliche Fahrt zum Bahnhof in der nächsten Nacht bereitgestellt. Nach dem Essen ging es für mich und meinen Vater nach Haus und ich hatte auch die Möglichkeit später noch mit meinen Vater wieder in die Bar vom Abend zuvor zu gehen, aber ich wollte einfach nicht aufgeben, ins Internet zukommen. Glaubt mir, ich hab es lang versucht, bin dann aber irgendwann nachts doch gescheitert. Der Flug meines Vaters ging glücklicherweise nicht allzu früh, und so konnte ich noch ein bissel ausschlafen.
Nachdem ich morgens meinen Vater verabschiedet hatte, traf ich mich später mit meinen Freunden und wir sind direkt an die Wolga gefahren, haben ein Feuer gemacht und Schaschlik darüber gebraten. Eigentlich bin ich kein großer Fleischesser, aber es war wirklich gut. Auf dem Weg zu diesem Grundstück von ihnen habe ich die unangenehme Bekanntschaft mit McDonalds Kaffee gemacht. Lasst Euch sagen: auch er ist nicht so gut, wie sie immer behaupten. Und ihn während der Fahrt zu trinken, ist noch unmöglicher als in Deutschland.
Auf dem Rückweg hatte ich ein Gespräch mit Händen und Füßen und es war sehr, sehr witzig. Dann noch ein kurzer Besuch in einem Cafe und wieder hatte ich Glück, denn es war eine gemütliche Atmosphäre. Auch dies war eine Ausnahme, wie man mir sagte, denn größtenteils sind Cafes und Restaurants wirklich nur dafür ausgelegt, dass man etwas trinkt und isst, und dann schnellst möglich wieder geht. Hier hatte man nicht das Gefühl unwillkommen zu sein, wie ich es so oft in Ufa habe.
Nach diesem netten Besuch haben wir uns der fast unmöglichen Aufgabe gestellt Schlittschuhe für mich zu kaufen. Und nach zwei Stunden anprobieren, beraten lassen, und diskutieren, war ich glückliche Besitzerin dieser Schuhe.
Überspringen wir den Rest und kommen zurück zu meiner Odyssee. Nachts um 1.00 Uhr war mein Fahrer pünktlich da und wir somit auch pünktlich am Bahnhof. Nur das diesmal nicht die Zeit stimmte, sondern der Tag. Ihr habt bestimmt schon mal davon gehört dass man seinen Zug knapp verpasst. Nun, ich hab ihn nicht knapp verpasst, nein, ich bin meinem Ticket zufolge ganze 24 Stunden zu spät gekommen. Also das nenn ich Kunst! Kurz und gut, ich bin zurück in meine Wohnung und versuchte irgendjemanden zu erreichen, der mir helfen konnte. Nach langer, langer Zeit hab ich die spezielle Technik der hiesigen Telefone überwunden, denn normal benutze ich nur mein Handy. Das musste ausgerechnet dann den Geist aufgeben, wenn es mal wirklich wichtig ist.
Am nächsten Tag wurde dann glücklicherweise alles geklärt, und ich hoffte auf eine gute Fahrt. Und wie es sein musste, hat sich natürlich am Montag meine Erkältung verschlimmert und ich konnte den dazu gewonnen Tag nicht anders nutzen, als in meiner Wohnung zu bleiben und ein bissel zu schlafen. Dafür habe ich aber zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem russischen Fernsehen gemacht. Es ist einfach lustig: sind es ausländische Produktionen werden sie nicht synchronisiert, sondern nur übersprochen, und das ohne Betonung. Und nun stellt Euch das mal vor mit Emergency Room – die ganze Dramatik geht dabei verloren, und im Hintergrund hast du immer noch die originale Stimme. Ist total witzig. Das Einzige, was sie richtig übersetzt haben, war die Kult-Serie der 90er. Genau, Ihr hab’s erraten, Beverly Hills 90210, das war vielleicht was.
So, jetzt habt Ihr auch mal einen Eindruck vom russischen Fernsehen erhalten. Wenigstens etwas Ablenkung. So, da es mir nun so schlecht ging hab ich dann beschlossen, nicht in der Nacht zu fahren, denn dazu war ich einfach nicht fähig! Am Dienstagmorgen sollte ich um 7.55 Uhr abgeholt werden. Der Fahrer war natürlich überpünktlich. Genau wie meine Schwester hasse ich Unpünktlichkeit. Mein Problem war, dass ich erst zwei Minuten bevor der Anruf kam aufgewacht bin, denn mein Handy stand mir ja nicht mehr zur Verfügung, um mich zu Wecken. Aber wir haben’s trotzdem geschafft, meinen Zug zu erreichen. Ja es war auch endlich der richtige Tag und die richtige Zeit. Die Fahrt verlief dann ganz ruhig. Was auch ganz gut war, denn meine Erkältung hatte sich leider nicht über Nacht gebessert.
So kam ich irgendwann abends kaputt an und wurde glücklicherweise schon von Agnija erwartet. Das war richtig gut, denn mein Gepäck hatte sich verdreifacht, hier noch mal einen gaaanzzz großen und lieben Dank an meine Eltern und Großeltern!!!! Wurde mit allem Wichtigen ausgestattet.
Das Negative an diesem Tag war, dass ich eindeutig zuviel Zeit zum Nachdenken hatte. Dadurch hat sich das Heimweh verstärkt, und ich wünschte mir manchmal, ich hätte mit meinen Vater mitfliegen können. Zurück zu allem, was in meinem Leben eine solch große Rolle spielt. Man sagt zwar, mit der Zeit gewöhnt man sich ein, aber das stimmt nur zum Teil, zumindest bei mir!
So, die letzten Tage hab ich nichts anderes gemacht, als zu versuchen, hier mein Internet in Gang zu kriegen (ein Unterschied von 7 Rubeln im Kaufpreis einer Karte kann ganz schön viel ausmachen) und mich zu kurieren, denn es hat mich richtig aus den Socken gehauen!!!
Zusammenfassend kann man, glaub ich, sagen, dass es einfach wunderbar war, wenn man vom Zug absieht. Ich hab meinen Vater wieder gesehen und Freunde, die ich länger und genauer kenne, als hier die hier in Ufa. Samara unterscheidet sich zwar nicht unbedingt von Ufa, nur, dass es noch größer ist, aber es hat bei mir einen schöneren Eindruck hinterlassen. Kann an der Gesellschaft liegen, oder auch daran, dass diese Stadt mehr Geschichte hat als Ufa und ich sozusagen direkt darin gewohnt habe. Warum? Wo ich war, war es zwar auch ein Neubau, aber es war Altstadt, und das hat man auch gesehen. Einfach herrlich. Ihr müsstet ja mittlerweile mitbekommen haben das ich sehr an Geschichte interessiert bin, und so etwas für mich überaus wichtig ist, ich es aber nicht in Ufa habe. Dazu kam meine viel vermisste Natur. Ich weiß, Papa, Du lachst wieder wie beim letzten Mal, als ich das erwähnt habe, ist aber nun mal so! Und toll waren natürlich auch die Ausnahmen, die meinen Ausflug dorthin gespickt haben.
Ich wünsch Euch ein schönes und ereignisreiches Wochenende. Bei mir sieht’s nämlich nicht danach aus!
Auf Bald, Eure Hanna
PS: Lest Euch mal die Artikel meiner Schwester durch, ihr werdet überrascht sein, was nicht so alles in der Familie liegt.