Ein einziges Warenhaus
Grey macht einen Ausflug nach Andorra de Vella und wird vom riesigen Warenangebot der Zwergenstadt schier erschlagen. Alles scheint es hier zu geben, und meist auch sehr viel günstiger als in Spanien.
Andorra de Vella ist ein einziges großes Warenhaus mit engen Straßenschluchten, vielen wohlhabenden Einwohnern und großem Verkehrsaufkommen. Sie ist die Hauptstadt Andorras, einem Zwergenstaat in den Pyrenäen zwischen Frankreich und Spanien. Und die Bezeichnung Zwergenstadt verdient sie mit einer Einwohnerzahl von weniger als 100 000 allemal.
Ich bin wieder einmal davon überrascht, wie sich die Landschaft auf einer Länge von etwa 500 km von Süden nach Norden hin verändern kann. Das ist eigentlich eine ganz normale Sache, aber es erstaunt mich immer wieder aufs Neue.
Wir starten in Miami Platja bei Cambrils, Tarragona, also im Südosten Spaniens. Das kleine Städtchen, das letztes Jahr noch regelmäßig von großen Lastzügen heimgesucht wurde und sich in den letzten Jahren leider zu einer regelrechten Touristenstadt mit saisonal schwankenden Lebensmittelpreisen entwickelt hat, ist eine typische Ostküstenstadt. Flach wie ein Pfannenkuchen, staubtrocken, karg, einmal davon abgesehen, wo der Mensch Hand angelegt und Palmen und Zypressenbäume gepflanzt hat.
Unser Feriendomizil steht etwas weiter im Hinterland, was bedeutet, es etwa fünfzehn Minuten zur nächsten Badebucht zu haben, und nicht direkt an der Hauptstraße, wo sich hässliche Hochhäuser in den bevorzugten Farben weiß und beige erheben. Hier wohnen meistens die Einheimischen, während sich die Touristen in die freistehenden Anwesen dahinter eingenistet haben.
Die meisten Häuschen besitzen einen kleinen Garten und einen kleinen Pool. Das ist angesichts der Wasserknappheit ein großer Luxus. Manche der Häuschen sind auch eher kleine Villen als Häuschen. Vor ein paar Jahren konnte man sie noch für etwa 100 000 DM erstehen, heute kosten sie 300 000 Euro und mehr, was ziemlich teuer ist für ein Haus ohne Keller, Fundament und teils großen baulichen Mängeln.
Wir wenden uns gen Mora und schließlich nordwärts in Richtung der Berge. Die Straße ist gut ausgebaut und schlängelt sich zwischen aufgesprengten senkrechten roten Sandsteinwänden hindurch. Das war nicht immer so. Schon so mancher Angstgedanke hat mich auf der engen, holprigen Bergstraße befallen, wenn ein gewisser Herr meinte, riskante Überholmanöver zu starten.
In all der Wildnis stehen vereinzelt heruntergekommene Häuser, die keiner mehr bewohnen will. Spanien hat sich ein Stück seiner Wildheit bewahrt. In den Bergen ist es schwierig, Strom- und Wasserleitungen zu legen. Schon in den kleineren Städten in eigentlich gut erreichbaren Gegenden hat das ewig gedauert.
Bis vorletztes Jahr fuhren wir in Miami noch über Dreckpisten zu unseren Ferienwohnungen und seit diesem Jahr hat dieses Haus keine Klärgrube mehr, die ständig überläuft, sondern ist an die Kanalisation angeschlossen. Das war sonst immer eine riesige, unangenehme Sauerei.
Auf die hohen, kargen Berge folgt erneut flaches Land. Nach wie vor ist es staubtrocken, doch je weiter wir nach Norden kommen, desto saftiger wird die Landschaft. Der Ebro schlängelt sich neben uns durchs Land. Laubbäume mit in der Sonne glitzernden Blättern und Schilfwälder erstehen.
Dann zieht Lleida vorbei. Spanien wird zu einer merkwürdigen Mischung aus modernen Straßen, großen Lagerhallen, endlosen goldenen Feldern und Kuhställen. Die Kuhställe sind meistens langgestreckte Häuser aus dunkelrotem Backstein. Die Felder wechseln mit weiten Flächen scheinbar unberührter Natur.
Wir steigen wieder hinauf in die Berge. Dieses Mal sind es die Pyrenäen, die sich eindrucksvoll links und rechts erstrecken. In den Tälern sind Stauseen eingeschlossen und glitzern blaugrün in der Sonne. Wir sind fast am Ziel.
Nachdem wir eine knappe Stunde an der Grenze kaputt machen – jedes Fahrzeug wird registriert –, fahren wir endlich in Andorra ein. Die Auswahl an Sehenswürdigkeiten ist ziemlich beschränkt. Die größte Stadt ist Andorra de Vella, in der fast ein Drittel der Bevölkerung lebt. Daneben gibt es Santa Julia, Les Escalades und einige Thermalbäder. Wir haben keine Schwimmsachen dabei und zum Skifahren ist es zu warm.
Aber eigentlich wollten wir auch nur einmal schauen, was es in Andorra so alles gibt. Also peilen wir Andorra de Vella an, wo man für zwanzig Cent die Stunde parken kann. Auf dem Weg ins Stadtzentrum fallen vor allem die vielen Motorsportläden links und rechts der Straße auf: Motorräder, Roller, Nobelkarossen, Motorsportbedarf, Reifengeschäfte. Andorra ist ein autobegeistertes Land – oder zumindest seine Touristen.
Wir parken auf einem großen Massenparkplatz und erkunden die Stadt zu Fuß. Hier sind es vor allem Läden für Multimedia, Handys, Fotoapparate und gefälschte Ipods, welche die Oberhand haben. Daneben gibt es Unmengen von Nobelboutiquen, Juwelieren und Parfümerien. Es hätte mich durchaus nicht gewundert, wenn hier auch Parfümbäder angeboten worden wären.
Wir versumpfen jedenfalls in einem Warenhaus nach dem anderen und schauen uns durch das Angebot. Für eine Stange Fortuna-Zigaretten legt man 16 Euro auf den Verkaufstresen. In Spanien sind es 27. Dieser Preisunterschied wird auch bei anderen Waren deutlich. Vielleicht ein neues Handy? Eine DVD?
Wir lassen das technische Zeugs hinter uns und gehen lieber etwas essen. Das ist wohl auch das Einzige, das hier teurer ist, denn es gibt eine Mehrwertsteuer dafür. Für zwei Pizzen, einen Milchkaffe und zwei Sprite zahlen wir 31.51 Euro. Eine Pizza kostet etwa 11 Euro – ohne Mehrwertsteuer.
Gegen fünf schlappen wir zurück zum Auto, decken uns dabei noch mit Mitbringseln für Ma ein, die Zuhause den Hund hütet. Drei Stunden Rückfahrt warten auf uns – und eine Kofferraumkontrolle durch den Zoll, während unsere spanischen Kollegen durchgewunken werden. Zum Glück sind wir so ehrliche Menschen und nehmen nur so viel mit, wie erlaubt ist.