Die Geschichte hinter meinem Freiwilligendienst
Es folgt eine kurze Geschichte, die sich erstaunlich wenig um mich dreht, aber trotzdem zu erklären versucht, was mein Freiwilligendienst mit mir gemacht hat.
Wer war ich vor meinem Jahr in Costa Rica?
-Lena, 19, genießt die Privilegien einer weißen, in Deutschland lebenden, jungen Frau
Und wer bin ich jetzt?
Ich könnte euch jetzt eine Geschichte erzählen von der Suche nach dem Glück oder mir selbst oder dem Sinn des Lebens. Könnte euch erzählen, wer ich vor Costa Rica war und wer jetzt.
Aber wer ich bin, ist für euch wahrscheinlich gar nicht so interessant und auch nicht so relevant.
Deswegen will ich euch lieber erzählen, wer IHR seid, wer WIR sind.
WIR, die wir das Privileg hatten, so eine interkulturelle Erfahrung zu machen.
WIR, die wir jetzt auch noch das Privileg haben, davon zu erzählen, gehört zu werden, ernst genommen zu werden.
WIR, die wir jetzt hier stehen und unsere Geschichten erzählen und dabei vergessen, warum wir diese Privilegien überhaupt haben.
Nämlich wegen all der Menschen, die sie nicht haben.
Privilegien sind auf der Welt sehr ungleich verteilt. Und während wir unsere Geschichten erzählen, geht es dabei doch eigentlich um eine ganz andere: die Geschichte, der wir unsere Privilegien zu verdanken haben. Die Geschichte von unseren Vorfahren, die - so wie wir heute - durch die Welt gereist sind. Bloß, dass sie damals den Grundbaustein für unsere heutigen Privilegien gelegt haben, indem sie andere Menschen ausgebeutet haben, Kolonien gegründet haben und die Welt nach ihren Vorstellungen und zu ihrem Vorteil geformt haben.
Wohlstand auf Kosten anderer. Und so ist es noch heute.
Dieser Teil unserer Geschichte ist in unserem Bewusstsein leider sehr weit in den Hintergrund gerückt.
Und so kommt es, dass wir Freiwilligen, wir Weltreisenden, umherziehen, fremde Kulturen ‘entdecken‘ und versuchen die Welt zu verstehen, indem wir alles vergleichen mit unsern eigenen kulturellen Werten und Normen.
Dabei fällt uns gar nicht auf, dass wir es schon wieder tun. Wir sind schon wieder die, die durch die Welt reisen und in anderen Ländern (und manchmal leider auch auf deren Kosten) nach Selbstverwirklichung suchen.
Und weil wir uns jetzt unbedingt hier hinstellen müssen und unsere Abenteuergeschichten erzählen und dabei keinen Gedanken daran verschwenden, was für ein verdammtes Privileg das eigentlich ist, ist mir diese Geschichte - die eigentliche Geschichte hinter meinem Freiwilligendienst - so wichtig. Denn ich finde, sie wird leider viel zu selten erzählt.
Also wer bin ich jetzt - nach alle dem?
Ich würde es so auf den Punkt bringen:
-Lena, 21, immer noch privilegiert, aber sich mittlerweile dessen Ursprung und Ausmaß wenigstens ansatzweise bewusst
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