Deutsche Weihnachtslieder in Estland und eingelaufene Wäsche
Gar nicht so einfach, in Estland zu einer Gospelchorprobe zu kommen. Schon das Wann und Wo sind problematische Variablen, aber das Wie erst! Davon hat janhkorte soviel zu berichten, dass der Rest der Neuigkeiten in „Ticker-Form“ genügen muss.
Sie:„Und jetzt singst Du uns ein Lied vor“ Ich:„Ourgharhauou (seltsames Aufstoßen aus dem Halsbereich)“ Sie:„Schlag ein Lied vor!“ Ich:„Ourgharhaou…weiß nicht!“ Sie:„Etwas Deutsches“ Ich:„Mmh… weiß nicht…ein Weihnachtslied vielleicht?“ Sie:„Ja, sehr schön!“ Ich:„Hm, O Tannenbaum, oder viellei...“ Sie:„O Tannenbaum ist schön! Zwei, drei - und bitte!“ Ich: „ O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter...“
So und noch viel dramatischer hat sich meine erste Gospelchorprobe erwiesen. Ein deutsches Weihnachtslied im Oktober in Estland – objektiv betrachtet ganz schön lächerlich.
Nach etlichen Mails von und an Kaie von der „Estonian Choir Association“ hatte ich endlich herausgefunden, wann und wo geprobt wird (Freitags 17.45 Uhr, Tompuiestee 4 neben der Dental-Klinik… wie aufmunternd) und gleich Anna mitgebracht. Wir haben uns schon um halb sechs getroffen, man weiß ja nie, ob wir es sofort finden. Das war aber gar kein Problem, und so waren wir im großen Probenraum mit schönem alten Klavier, und niemand außer uns dort. Zwischendurch schaute mal ein Blondschopf herein, sah aber, dass er allein mit uns gewesen wäre und hat sich dann lieber wieder ohne ein Wort zu sagen aus dem Zimmer verzogen: Das ist eben estnisch!
Anna und ich mussten feststellen, dass Kaie uns irgendwie falsche Informationen gegeben hatte, denn der Chor fing erst um 18h an. Zwei mittelalte Damen begrüßten uns schließlich und begannen die oben genannte Konversation. Eine der Damen legte aber aus dem Nichts eine astreine O-Tannenbaum-Klavierbegleitung im Gospel-Style hin, da war es noch schwerer, zu singen. Nach dem ersten Schock jedoch wurde alles ganz prima: Wir wurden in unsere Stimmen geschickt (Anna Alt, ich Bass), und es gab einen extra Vocal-Coach mit dem wir dann bestimmt eine Stunde Gesangstechniken geübt haben. Aber nicht irgendwelche. Ich war ja schon in einigen Chören, in Deutschland und Frankreich, aber das…Overdrive, Curvey….und vieles andere mehr. Gut, dass niemand anderes im Gebäude war, sonst wären die Wände eingefallen oder die Nachbarn hätten sich beschwert, denn die Esten legen vielleicht eine Lautstärke an den Tag – unglaublich! Die Mitsänger waren alle superjung und sogar der Blondschopf vom Beginn hat sich als äußerst kommunikativ und sympathisch herausgestellt. Ein zweiter Blick lohnt sich also immer.
Nach ein paar coolen Gospelsongs ging mein total verrückter Tag aber noch weiter: Ich traf auf zwei Russen. Mit Verspätung. Denn da ich nicht gedacht hätte, dass der Chor bis 20.00 Uhr geht (ich war von anderthalb Stunden ab viertel vor sechs ausgegangen), war ich eine 45 Minuten zu spät. Das gab Ärger. Aber nicht lange. Dann gab es Vodka. Und Corinnas Mentorin, die ich traf, war total besoffen. Besoffene Mentoren - Das ist was! Witzig. Wenn es nicht dein Mentor ist. Ich hatte meinen Spaß.
Später ging es noch zu Dwaines Geburtstagsparty, und wieder einmal war ein langer Abend in der Altstadt (die überfrachtet ist mit Pubs, Kneipen, Restaurants, Bars). Zurück ging es mit „Welcome to Estonia“ in meinem MP3-Player, das mir Isabelle geliehen hat. Es ist die Melodie von „Living in America“, mit estnischem Text. Sehr amüsant.
Sonst noch schnell ein paar Nachrichten in Ticker-Form:
+++Gute Beteiligung am Conversation Club am Sonntag+++
+++We love Buddha! War die einhellige Meinung nach der Club-Session, denn Thema war der Buddhismus+++
+++Super-GAU: ein Pulli ist beim Waschen extrem eingelaufen+++
+++Rote Socken und weiße Socken zusammen gewaschen ergeben pinke Socken+++
+++Waschen ist blöd+++
+++Die Dusche hat ein Leck und jedes Mal, wenn wir duschen gibt es im Badezimmer eine Flut+++
+++Nach vier Wochen Recherche habe ich endlich ein Postergeschäft in Tallinn gefunden, in der Kaubamaja+++
+++Das beste Poster war eine Sonnenblume+++
+++Die Sonnenblume hängt seit heute Morgen in meinem Zimmer+++
+++Montag (an meinem persönlichen Samstag, da ich Samstag und Sonntag ja arbeite) war ich mit Svenja und Lisa in Helsinki+++
+++Helsinki ist toll+++
+++In Helsinki gibt es wenig Sehenswürdigkeiten+++
+++Die Stadt scheint eine Mischung aus Amsterdam, Barcelona und Genf zu sein+++
+++Hin- und Rückfahrt aus Tallinn haben nur 350 Kronen gekostet, das entspricht noch nicht mal 25 Euro+++
+++Finnland ist megateuer, gut, dass ich in Estland bin+++
+++Die Finnen sind noch unkommunikativer als die Esten+++
+++Es wird saukalt: Gestern waren es nur 10°C+++
+++Heute Abend Crepe-Abend in der Endla bei den anderen Freiwilligen+++
+++Nächsten Samstag endlich estnisches Essen bei der Freundin der betrunkenen Mentorin+++
+++Ich bin im Kristiine Keskus und die Batterie des Laptops ist gleich leer+++
Deshalb sage ich nur noch: O Tannenbaum!