Auf eine erholsame Nacht...
...folgte gestern ein entspannter Tag. So verbrachte ich die letzte Nacht vor meinem Umzug in meinem kleinen 10-Quadratmeter-Zimmer in Villejuif, bekam kein Auge zu und schwitzte das letzte Tröpfchen Flüssigkeit aus meinem Körper.
...folgte gestern ein entspannter Tag. So verbrachte ich die letzte Nacht vor meinem Umzug in meinem kleinen 10-Quadratmeter-Zimmer in Villejuif, bekam kein Auge zu und schwitzte das letzte Tröpfchen Flüssigkeit aus meinem Körper.
Gegen sechs Uhr morgens schließlich dachte sich mein Körper, er müsste doch nochmal in den Tiefschlaf fallen, aus dem er jäh gegen acht geweckt wurde.
Komplett erfrischt stand ich auf, saugte mein Zimmer und packte meine letzten Sachen zusammen. Den Großteil hatte der großartige Laurent am Tag zuvor mit seinem Auto und mir in meine neue Wohnung verfrachtet. Das Problem war: in der Küche waren noch jede Menge Flaschen der letzten Party und davon wollten Klein-Natalya und ich keine einzige meinem charmanten Vermieter überlassen, der uns am Tag zuvor noch die Hölle heiß gemacht hatte, weil wir die Mehrfachstecker, die angeblich in jedem Zimmer waren, anscheinend aufgegessen hatten - anders konnte ich mir ihr jähes Verschwinden jedenfalls nicht erklären.
So beluden wir uns über und über mit Wein- und Bierflaschen, bis wir so nach vorne gebeugt liefen, dass beim Gehen unsere Hände schon fast die Erde berührten. Ein letztes falsches Lächeln meines Vermieters und - schwupps - waren wir raus aus dem Haus.
Natalya steuerte daraufhin Richtung Stadtmitte, wo sie für ein paar Tage eine Bleibe gefunden hatte, von der aus sie dann direkt in die Ukraine fliegen würde für den Sommer. Ich bewegte mich in Richtung Banque Populaire, wo ich die Kaution für das neue Zimmer überweisen sollte und meine Adresse ändern musste. Völlig beladen und aus allen Poren schwitzend (wo nimmt mein Körper nur all das Wasser her?) kam ich dort an, in der kleinen Bank, in der etwa zehn Menschen auf den Mann am Schalter warteten. Die Schlange wollte ich vermeiden und die seltsamen Blicke der anderen ignorierend begab ich mich an den Bankautomaten, zahlte Geld ein und fragte daraufhin einen der Angestellten im hinteren Bereich, ob ich mich unbedingt anstellen müsste für eine Überweisung und eine Adressänderung. Der Mann in Anzug und Krawatte guckte mich von oben bis unten an, rümpfte leicht die Nase und meinte, ja, außerdem müsste man dafür eigentlich einen Termin mit einem Conseiller haben.
Trotz dieses freundlichen Hinweises stellte ich mich in die Schlange und fünf Minuten später war ich auch schon an der Reihe. Anders als der Monsieur zuvor konnte die Dame hinter dem Schalter nicht mehr bei meinem Anblick, ja, sie brach schier zusammen vor Lachen. Das wurde auch nicht besser, als ich ihr erklärte, ich wolle meine Adresse ändern, hätte aber weder Stromrechnung noch Mietvertrag der neuen Wohnung dabei - wobei es jedem Franzosen höchst klar ist, dass man so etwas für eine Adressänderung braucht. Und besser wurde ihr Bild von mir auch nicht, als ich stundenlang in meiner kleinen Umhängetasche nach dem Zettel mit der Kontonummer für die Überweisung suchte. Schließlich leerte ich sämtlichen Müll auf ihrer kleinen Theke aus und fand nach Stunden den kleinen Schmierzettel, auf dem ich Alyoshas Daten notiert hatte. Zu guter Letzt fehlte auch noch eine Ziffer der Bankleitzahl, was die junge Frau fast zum Heulen vor Lachen brachte.
Ich versuchte währenddessen die Haltung zu bewahren, trotz der zwanzigtausend Flaschen auf meinem Rücken, dem Laptop um meinen Hals, der Bettdecke in meiner Hand.
Zwanzig Minuten später schließlich verließ ich die kleine Bank in Villejuif und schleppte mich Stück für Stück zur nächsten Metrostation. Da kam ich dann auch an, stieg in die Metro, erschlug fast den Menschen neben mir mit meinen Weinflaschen und ließ mich erleichtert auf einen Sitz gleiten. Am Place d’Italie stieg ich um in die Linie 6, verfehlte wieder knapp einen meiner Mitreisenden diesmal mit meinem Laptop, und lehnte mich endlich auf einem der Sitze zurück. Von denen hatte ich zwei belegt, meine Sachen gleichmäßig auf dem Boden vor mir verteilt und wippte leicht hin und her zu der Musik in meinen Ohren (meinem MP3-Player).
Plötzlich stand da dieser Mensch vor mir, guckte mich an, ich räumte schon den Platz neben mir frei, dachte er wollte sich hinsetzen, aber nein, er beugte sich zu mir rüber und schrie mich an. Was er sagte, verstand ich nicht, aber dass er nicht ganz klar war, wurde mir sofort klar und verzweifelt schlug ich die Hände vors Gesicht, verfluchte diesen Tag.
Die Fahrt nahm aber doch noch ein Ende, ich stieg aus an meiner neuen Metrostation Dupleix und steuerte in Richtung neue Heimat. Dort empfing mich meine neue Mitbewohnerin, ich ließ die Sachen aufs Parkett und mich selbst aufs Bett gleiten und lehnte mich zurück.
Frieden, endlich Frieden. In dem Moment hörte ich ihn, den Nachbarn - mit der Bohrmaschine.
L.