Unvergessliches Workcamp in Süditalien
In einer ehemaligen Mafiavilla hat Anna86 mit einem guten Dutzend junger tatkräftiger Menschen aus Europa zwei erinnerungswürdige Wochen in der Nähe von Eboli verlebt.
Zwei Wochen Süditalien, ganz alleine! Na ja, jedenfalls ohne jemanden, den ich von zu Hause kannte. Mutig, wie viele fanden, denen ich von meinen Ferienplänen für diesen Sommer erzählte. Aber einsam sollten die nächsten 14 Tage bestimmt nicht werden! Schon am Bahnhof des Ortes Eboli, etwa 100 Kilometer südlich von Neapel, lernte ich die ersten beiden Mitglieder meines Workcamps kennen, als ich dort am frühen Samstagabend aus dem Bus stieg. Nach der langen Anreise mit Flugzeug, Bahn und Bussen (die zwar aufgrund einer vor Reiseantritt erhaltenen, genauen Wegbeschreibung gut geklappt hatte, aber im teilweise ziemlich chaotischen Kampanien doch auch etwas nervenaufreibend verlaufen war), war ich erfreut, nun nicht mehr allein warten zu müssen.
Nachdem dann im Laufe der nächsten Stunde noch zwei weitere Mitglieder eintrafen, wurden wir schließlich abgeholt. Mit dem Auto ging es dann zur Villa Falcone-Borsellino, nur wenige Meter vom Meer entfernt und als ehemaliger Besitz der Mafia – welche in Süditalien noch immer verbreitet, für Touristen und den Großteil der Einheimischen allerdings absolut ungefährlich ist –, sollte dieses großzügig angelegte Anwesen also unser Quartier für die nächste Zeit sein.
Nachdem wir uns mit landestypischer Pasta gestärkt hatten, stellte sich jeder vor, erzählte wo er herkommt und warum er an dem Workcamp teilnimmt. Unsere Gruppe bestand aus 15 Leuten, die für zwei Wochen blieben, zwei Freiwilligen, die für einen Langzeiteinsatz zehn Monate in Eboli lebten, einigen jungen Leuten aus der Gegend und unseren Campleitern Mimmo und Leda. Vertreten waren die unterschiedlichsten Nationalitäten. Von der Türkei bis zu den USA gab es aus fast jedem Land jemanden: Spanien, Frankreich, Polen, Slowakei, Tschechische Republik, Dänemark, Belgien und natürlich Italien. Und auch als Deutsche war ich nicht allein, zwei weitere Mitglieder unserer Gruppe kamen aus Berlin.
Dank Englisch, was fast jeder mehr oder weniger gut beherrschte, war eine gute Verständigung jedoch trotz dieser multikulturellen Zusammensetzung unserer Gruppe kein Problem. Immer wieder kam es jedoch vor, dass man wenn alle zusammen saßen, unglaublich viele, unterschiedliche Sprachen auf einmal hörte. Was unsere unterschiedliche Herkunft immer wieder deutlich machte, die sonst schnell mal vergessen wurde, da man sich einfach super verstand, auch wenn im Alltag teilweise tausende von Kilometern zwischen uns lagen.
Nachdem noch ein paar organisatorische Dinge besprochen worden waren (Wie, was, wann, wo wird gearbeitet? Wer kocht und macht sauber? Wie sieht es aus mit Freizeit?) bezog ich dann mein Zimmer, das ich mit sechs weiteren (weiblichen) Mitgliedern teilte. Schließlich gingen wir alle schlafen, denn immerhin war es mittlerweile ziemlich spät geworden und am nächsten Morgen sollte es ja direkt losgehen mit unserer Arbeit.
Aufgeteilt in zwei Gruppen – im Wechsel sollte die eine vor-, die andere nachmittags arbeiten – machte sich die erste Gruppe gleich nach dem Frühstück auf den Weg zu „unserem“ Strand. Dieser gehörte zu einem von der italienischen Organisation Legambiente geschützten Gebiet entlang der Küste, auf etwa halbem Weg zwischen der Amalfiküste im Norden und dem Cilento-Nationalpark im Süden, zu dem außer dem lang gestreckten Sandstrand auch der dahinter angrenzende Pinienwald gehörte. Mit uns zur Verfügung gestellten Fahrrädern war der einige Kilometer entfernte Küstenstreifen gut zu erreichen.
Nun galt es, gegen die Umweltverschmutzung und das Müllproblem anzukämpfen, das vor allem im Süden Italiens sehr verbreitet ist. Außer Müllsammeln standen noch andere Dinge auf dem Programm. So bauten wir einen Holzzaun entlang der Küstenlinie, um die Dünen vom Strand abzugrenzen. Und sie somit vor ungebetenen Besuchern zu schützen, die die empfindlichen Sandhügel und deren Flora durch unbedachtes Betreten zerstören können und es dadurch dem Meer leicht machen, sich immer mehr vom Strand zu nehmen.
Außerdem kümmerten wir uns noch um im Pinienwald angesiedelte Sitzgruppen, strichen diese und machten sie brauchbar für die Besucher, die eine kühlere Alternative zum glühend heißen Strand oder einfach ein ruhiges Plätzchen zum Picknicken oder Lesen suchten. Insgesamt dauerte die Arbeit täglich nicht ganz so lange wie vorher angenommen. Waren wir schließlich fertig, suchten wir immer erst mal Abkühlung im Meer und genossen die Sonne an „unserem“ (nun ganz sauberen!) Strand.
Auch außerhalb dieses Pflichtbereichs Arbeit unternahmen wir einige Dinge zusammen: Mehrmals fuhren wir abends in das eine knappe halbe Stunde entfernte Zentrum von Eboli, sahen uns dort Konzerte an, die auf einer auf dem Piazza aufgebauten Bühne stattfanden, oder genossen einfach das typisch italienische, allabendliche Treiben in den Strassen des kleinen, alten Städtchens.
An einem Nachmittag – nachdem alle zusammen vormittags gearbeitet hatten – unternahmen wir gemeinsam einen Ausflug in das nahe gelegene Paestum, einem antiken Ort mit einer großen archäologischen Fundstätte, die gut erhaltene, griechische Tempel, und inmitten dessen auch viele römische Elemente aufweist. Als Freiwillige von Legambiente waren der Eintritt und eine persönliche Führung für uns natürlich kostenlos.
Ein weiteres Highlight fand zwar „zu Hause“ in der Villa statt, sollte aber trotzdem ein unvergesslicher Abend werden: unser Campleiter Mimmo buk frische Pizza im hauseigenen Steinofen. Bei den unzähligen Sorten, die wir probieren konnten, fiel es schwer, sich für einen Favoriten zu entscheiden. Klar war allerdings schnell, dass es sich definitiv um eine der besten Pizzas überhaupt handelte.
Auch unsere Gäste für diesen Abend waren begeistert. Es handelte sich um eine türkische Musikgruppe, deren Sänger der Vater des einen Langzeitfreiwilligen war, die angereist waren, um in Eboli ein Konzert zu geben. Die Nacht verbrachten sie bei uns und gaben uns abends schließlich eine Kostprobe ihres Könnens. Was zu einer ausgelassenen Stimmung führte und bei vielen auch die Lust zum Tanzen weckte. Dies war auch der Fall, als wir an einem Abend in eine Art Stranddisco fuhren, in der Tarantella – original neapolitanische Musik – gespielt wurde. Und wo das Meeresrauschen und der Vollmond inklusive waren.
Natürlich gab es auch weniger actionreiche Abende, an denen wir einfach lange auf der Terrasse saßen, erzählten und den Grillen lauschten oder dem Strand nächtliche Besuche abstatteten. Wobei es sich der ein oder andere auch nicht nehmen ließ, ein Bad im Mondschein zu nehmen.
Zwei komplett freie Tage hatte jeder von uns. Sie konnten beliebig gewählt werden und wurden von den Meisten genutzt, um die nähere und auch weitere Umgebung etwas ausführlicher zu erkunden. Insbesondere für zeitaufwändigere Ausflüge, die für unsere freien Nach- oder Vormittage zu lang waren.
Zu guter Letzt waren wir noch beim Bürgermeister von Eboli (der selbst ein ehemaliges Mitglied von Legambiente ist) persönlich eingeladen. Er bedankte sich bei uns für unseren Einsatz, schenkte jedem ein kleines Andenken und veranlasste auch eine ganz individuelle Stadtführung für uns.
Für das leibliche Wohl und die Sauberkeit unseres Hauses sorgten täglich wechselnd zwei Mitglieder unserer Gruppe, die an ihrem Küchentag nicht am Strand arbeiteten, sondern kochten und auch etwas putzten. So kamen wir in den Genuss neben der allseits beliebten und häufig zubereiteten Pasta auch internationale Küche probieren zu können.
So vergingen die zwei Wochen ziemlich schnell. Am Ende waren alle aufgrund dieser ausgewogenen Mischung zwischen Arbeit und Freizeit gut erholt und es hatten sich einige Freundschaften gebildet. Nach dem Austausch von Adressen und einem nicht ganz leichten Abschied ging es dann für einige wieder nach Hause, andere reisten weiter, und ein paar blieben sogar spontan noch etwas länger in unserer Villa.
Bereits bevor ich im kühlen Deutschland aus dem Flugzeug stieg war auch ich mir sicher, dass ich nichts dagegen gehabt hätte, auch selber noch ein paar Tage länger im sonnigen Süden zu bleiben. Fest steht aber auf alle Fälle, dass es sich bei diesem Workcamp um eine in jeder Hinsicht tolle und bereichernde Erfahrung handelt, die ich nicht missen möchte und jederzeit mit Freude und Elan wiederholen würde!
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