Unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Jarosław Kaczyński, der ehemalige polnische Premierminister, war in Lublin! Nur wusste es keiner. Außer wenigen Worten zu Europa und vagen populistischen Versprechen haben die Bürger auf dem PiS-Wahlkonvent am 18. Mai auch nichts verpasst.
Der Endspurt im Europawahlkampf hat begonnen. Im Kampf um die Stimmen greift in Polen nun neben den zuweilen blassen Kandidaten die nationale Politikprominenz in das Rennen ein.
In Lublin gab sich am 18. Mai der ehemalige polnische Premierminister und Zwillingsbruder des Präsidenten die Ehre. Interessierte Bürger hatten die Chance, Jarosław Kaczyński auf dem Wahlkonvent der „Recht und Gerechtigkeit“-Partei PiS in einer Eissporthalle zu lauschen. Zumindest theoretisch.
Tatsächlich kündigten nur wenige Poster den Auftritt an; die Zeitungen beschränkten sich auf eine kurze Notiz. Es bestätigt sich: Die Europawahlen finden in Polen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das zeigt sich auch auf der Straße. Erst langsam werden Wahlplakate aufgestellt.
Mit einem Vortrag zur Bedeutung des „nationalen Interesses“ Polens in Europa leitet der Parteivorsitzende den politischen Sonntagmittag ein. Eine ausgewählte Gruppe von PiS-Mitgliedern inklusive ihrer Familien hatte das Recht, neben Kaczyński auf der Bühne Platz zu nehmen. Die Gruppe der Ehrengäste war dabei fast so zahlreich wie die der Besucher des Konvents. Da die Veranstaltung dem Zweck dienen sollte, die Kandidaten der europaskeptischen Rechtspartei der Öffentlichkeit vorzustellen, kann man feststellen: Ziel verfehlt.
Der Moderator nutze die Gelegenheit, die Wählbarkeit der PiS-Partei für alle nationalgesinnten Polen herauszustellen: „Wir sind unabhängig und setzen polnische Interessen in Brüssel durch. Wir gehören nicht der Europäischen Volkspartei an. Denn dort sind die Deutschen und Steinbach (Präsidentin des in Polen unbeliebten „Bundes der Vertriebenen“, der Verf.).
Prof. Mirosław Mariusz Piotrowski, der seinen Sitz im Europäischen Parlament verteidigen möchte, wird thematisch etwas eindeutiger: „Ich habe eine Petition unterstützt, den Zweitsitz des Europaparlaments in Straßburg abzuschaffen. Wenn Sie die PiS wählen, können wir einen neuen Anlauf starten, und das eingesparte Geld direkt hier in die Lubliner Region umlenken.“
Immerhin ein paar Worte zum Thema. Aber dann doch nur purer Populismus. Ganz so einfach wie Piotrowski es macht, funktioniert die Union dann doch nicht.
Auch knapp drei Wochen vor der Europawahl muss man fundierte Wahlinformationen in Lublin noch immer mit der Lupe suchen.
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