Im "größten kommunistischen Freilichtmuseum der Welt"
Ein interessanter Ausflug in den abtrünnigen Landesteil Transnistrien, mit Grenzkontrollen innerhalb eines Landes, Sightseeing und grau so weit das Auge reicht.
Am letzten Samstag hat meine koordinierende Organisation ADVIT mal wieder eine Exkursion für ihre Freiwilligen organisiert, in die beiden Städte Bender und Tiraspol in Transnistrien. Eine Vorbemerkung zu unserem Reiseziel:
Transnistrien ist ein abtrünniger Landesteil der Republik Moldau. Nach der Unabhängigkeit Moldawiens hat er ebenfalls seine Unabhängigkeit verkündet, es kam 1992 zum Bürgerkrieg und seither handelt es sich um einen eingefrorenen Konflikt und Transnistrien wird als de-facto-Regime bezeichnet, mit eigener Regierung, eigener Währung, Grenzkontrollen, anderem Handynetz und so weiter.
Am Morgen trafen wir uns noch leicht verschlafen mitten in Chisinau am zentralen Busbahnhof. Da wir mit 27 Teilnehmern eine ziemlich große Gruppe waren, hatten wir einen Minibus für uns. Die Fahrt verlief ziemlich ruhig, und das, was in Deutschland eine eher mittelmäßige kleine Landstraße wäre, kam mir hier schon so richtig luxuriös vor.
Unterwegs bereiteten wir uns schon mal auf die "Grenzkontrollen" vor, indem wir eine Einreisekarte mit unseren Daten ausfüllten. Nach etwa 45 Minuten waren wir schließlich an der Grenze, die eigentlich keine ist, angelangt. Dort hieß es erst mal Pässe einsammeln zu einer ersten Kontrolle. Nach etwa 10 Minuten kam der Beamte mit dem fetten Stapel Pässe wieder zurück. Dann wurde uns erklärt, wir könnten die folgende Kontrolle wesentlich verschnellern, indem wir 5 Lei in unseren Pass legen. (Ansonsten könne es passieren, dass wir etwa eine Stunde lang am Grenzübergang warten dürfen). Obwohl wir alle mehr oder weniger strikte Gegner der Korruption waren, packten wir neben den ausgefüllten Einreisekarten noch jeweils 5 Lei in die Pässe und wieder wurden sie eingesammelt und zur Kontrolle gebracht. Als wir sie kurz darauf wohlbehalten zurückbekamen, waren wir doch froh und die Kontrollen weitestgehend erledigt. Der Rest derselben bestand in einem flüchtigen Blick durch den Bus, ob wir vielleicht irgendetwas schmuggeln würden, und schließlich hieß es: Willkommen in der Transnistrischen Moldauischen Republik!
Unser erstes Ziel war die zweitgrößte Stadt Transnistriens, Bender. Zuerst einmal mussten wir Geld wechseln, von Lei in Transnistrische Rubel. Dann brachte uns der Busfahrer (nachdem er erst mal verschiedene Leute nach dem Weg gefragt hatte), zur Festung (einer der wenigen Sehenswürdigkeiten). Diese war leider noch geschlossen, sodass wir schleunigst umkehrten und mit dem Trolleybus ins Stadtzentrum fuhren. Der Besuch der öffentlichen Toilette, die wir dort benutzten, wird mir wohl noch länger in Erinnerung bleiben. (Wenn schon Gebühren für die Nutzung erhoben werden, dann sollte das Geld doch wenigsten für Türen an den einzelnen WCs ausreichen?!). Weil es bereits Mittag war, suchten wir uns ein mehr oder minder schönes Plätzchen am Fluss Nistru für unser Picknick.
Gut gestärkt konnten wir zur Festung zurückkehren, die nun zum Besuch geöffnet war. Die Anlagen waren ganz schön und der Turm, den man erklettern konnte, bot auch eine recht gute Aussicht. Allerdings erinnerte das Gesamtambiente mehr an eine Ruine denn eine Festung. Obwohl es nirgends angeschrieben gewesen war, wurden 25 Rubel Eintritt verlangt, die wir nun auch zahlen mussten, wo wir einmal hineingegangen waren. So kamen wir zusätzlich noch in den Genuss des Militärmuseums, in dem man eine Schlachtszene, Gewehre, aber auch Münzen und Ausgrabungsstücke betrachten konnte, und des winzigen Foltermuseums, das stilecht stockduster und unten in einem der Türme untergebracht war.
Damit hatten wir in Bender das Wichtigste gesehen und nahmen den überfüllten Trolleybus nach Tiraspol, der nahen Haupstadt Transnistriens. Dort sahen wir uns ein wenig im Zentrum um, sahen die Lenin-Statue, das Denkmal für die Opfer des Bürgerkriegs 1992 und genossen erneut den Blick auf den Nistru.
Insgesamt fiel in beiden Städten vor allem auf, dass alles sehr grau ist, noch viel extremer als in Chisinau auch, und dass der gerne benutze Terminus des "größten kommunistischen Freilichtmuseums der Welt" durchaus seine Berechtigung hat. Der Museumscharakter wurde verstärkt dadurch, dass auf den Straßen unglaublich wenige Menschen unterwegs waren. Und diejenigen, die man sah, gingen scheinbar vollkommen lustlos ihrem Alltagstrott nach. Von dem relativen Reichtum durch den sehr großen Anteil der im ganzen Land angesiedelten Industrien keine Spur. Insgesamt war es ein ziemlich seltsames Gefühl, dort unterwegs zu sein.
Um die letzen (im Rest der Welt wertlosen) Transnistrischen Rubel loszuwerden, tranken wir noch einen Kaffee, bevor wir uns schließlich auf die Heimreise machten. Der Bus erwartete uns bereits. Dieses Mal war es nicht weit zur Grenze. Auf dem Rückweg mussten wir nicht einmal unsere Pässe vorzeigen, es wurde lediglich der zweite Teil der Einreisekarte, den wir aufbewahrt hatten, eingesammelt. Und schon waren wir wieder auf "echt" moldauischem Boden.
Die restliche Rückfahrt über bescherte uns Erdal aus der Türkei dann ein Livekonzert mit türkischen Liedern, zu denen er sich selbst auf der Gitarre begleitete. So konnten wir auch diese Zeit noch genießen und kamen schließlich glücklich wieder zu Hause in Chisinau an.