Einmal Orheiul Vechi und zurück, bitte!
In Orheiul Vechi, dem touristischen Vorzeigeort Moldawiens, war ich nun schon viermal. Aber keiner meiner Ausflüge war so abenteuerlich wie dieser.
Nach einem etwas längeren Abschiedsabend für Janin Freitagnacht, wollten Anne und ich am Samstag früh aufstehen, um mit Emma und Lukas nach Orheiul Vechi zu fahren. Natürlich haben wir uns fürs Aufstehen ein bisschen Zeit gelassen und waren nicht so fertig, dass wir noch gemütlich zum Bus hätten laufen können. Also haben wir mit den anderen beiden ausgemacht, dass wir nicht am Autogara einsteigen, sondern den Bus auf dem Weg anhalten, da er sowieso direkt an unserem Haus vorbeifährt.
Also machen wir uns um 10:10 Uhr gemütlich auf den Weg und haben so noch reichlich Zeit, bis der Bus vorbeikommen soll. Emma schreibt mir kurz bevor der Bus am Autogara losfährt, dass der Bus nach Trebujeni fährt.
Um 10.22 Uhr fährt ein Bus nach Orhei an uns vorbei. Das kann er definitiv nicht sein.
10.24 Uhr: Noch ein Bus nach Orhei. Das kann er auch nicht sein.
10.25 Uhr: Ein Bus nach Leuseni.
10.27 Uhr: Ein Bus nach Orhei.
10.29 Uhr: Ein Bus nach Codrul Nou.
10.31 Uhr: Ein Bus nach Branesti.
10.31 Uhr: Eine SMS von Emma: It just drove by you
Hm. Mist. Das wäre dann wohl doch unser Bus gewesen. Dumm gelaufen, das passiert, wenn man zu faul ist, zum Bahnhof zu laufen.
Aber wir sind ja in Moldawien und es geht nichts über spontane Planänderungen. Ich rufe beim Autogara an und frage, wann der nächste Bus fährt (er fährt erst zwei Stunden später) und wir entscheiden uns dann doch lieber dafür den Bus nach Orhei zu nehmen und dann von dort aus zu überlegen, was wir tun sollen. Vielleicht ist ein Taxi von da ja nicht so teuer. Vielleicht gibt es auch einen Bus. Hauptsache wir fahren erst einmal in die Richtung von Orheiul Vechi.
Der nächste Bus nach Orhei lässt auch gar nicht so lange auf sich warten. Wir halten den Bus an und ich frage, ob es von Orhei aus einen Bus nach Orheiul Vechi gibt. Gibt es nicht. Gibt es denn ein Taxi? Ja, das gibt es.
Wir steigen ein und müssen erst einmal stehen, bis eine sehr nette Frau ihren kleinen Sohn auf den Schoß nimmt und uns Platz macht. So hatten wir einen Sitzplatz und die Treppe.
Eine halbe Stunde fahren wir in diesem stickigen Bus, in dem ununterbrochen russische Popmusik läuft. Plötzlich tippt mich die nette Frau an und sagt: „ Wenn ihr nach Trebujeni wollt, dann müsst ihr hier aussteigen.“
„Gibt es hier denn einen Bus nach Tebujeni?“
„Ja, der fährt hier lang!“
Sie ruft durch den Bus, dass der Busfahrer für uns halten soll. Der Mann vor uns ruft ebenfalls und so geht es weiter, bis in die erste Reihe, bis der Fahrer es mitbekommt und uns aussteigen lässt. Ich frage zur Sicherheit noch dreimal nach, ob das auch wirklich richtig ist und uns wird versichert, dass wir von hier aus nach Orheiul Vechi kommen.
Und nun stehen wir da. Mitten auf der Autobahn. In der Nähe von einer Tankstelle. Am Autobahnkreuz. Im Nichts.
Aber nun gut, wenn alle gesagt haben, dass es hier einen Bus gibt, wird es hier auch einen Bus geben. Während wir die Straße entlang laufen, kommt uns aber die Idee, dass wir einfach per Anhalter fahren könnten. (Damit das funktioniert, muss man jedoch eventuell die Hand raushalten, aber das müssen wir noch ein bisschen üben).
Ein paar Minuten später sehen wir ein Auto am Straßenrand neben einem Bushaltestellenhäuschen stehen und machen Witze, dass unser Taxi schon auf uns wartet….
Sobald wir in Hörweite gelangen, kommt der Fahrer auf uns zu und fragt auf Russisch, wo wir hinwollen. Nach Trebujeni, antworte ich auf Rumänisch.
„60 lei, dann fahre ich euch!“, sagt der Mann wieder auf Russisch.
„Nein, danke, wir warten hier auf den Bus.“, sage ich auf Rumänisch.
Eine Russische Antwort, die ich nicht verstehe.
„Tut mir Leid, ich spreche kein Russisch!“ sage ich auf Rumänisch.
"60 lei nach Orheiul“ Wieder eine Russische Antwort. Also gut. Dann halt eine Russisch-Rumänische Unterhaltung.
„Nein, das ist zu teuer.“ Rumänisch.
„Zu teuer? Das sind 20 km, das ist nicht teuer.“ Russisch.
„Nach Orheiul sind es 15 km. Das steht dort drüben auf dem Straßenschild. 60 ist zu teuer.“ Rumänisch.
„Jaaa ja, das steht auf dem Schild, aber das sind 20 km. Ich mach das Taximeter an, dann wirst du es sehen.“ Russisch.
„40 lei.“ Rumänisch.
„40? 60! 30 pro Person, das ist nicht viel!“ Russisch.
„Aber mehr als der Bus.“ Rumänisch.
„Der Bus kommt noch lange nicht.“ Russisch.
„40 lei, dann fahren wir mit.“ Rumänisch.
„50! Für 50 lei nehme ich euch mit.“ Russisch.
50 lei… ist vertretbar.
Also steigen wir doch in das Auto ein und hoffen, dass wir dem Fahrer vertrauen können. (Das Auto sieht schon nicht sehr vertrauenswürdig aus, anschnallen kann man sich nicht und Airbags gibt es bestimmt auch nicht. Ach ja, und ein Taximeter natürlich auch nicht).
Mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und immerhin guter Musik heizen wir über die holprige, mit Schlaglöchern übersäte Landstraße und sind innerhalb weniger Minuten in Branesti und können im Tal schon Orheiul Vechi sehen. Der Fahrer erklärt uns auf Russisch irgendetwas über das Dorf und das Kloster, aber um die Details zu verstehen reicht mein Russisch nun wirklich nicht aus und ich nicke nur. Dann bekomme ich von Emma eine SMS, dass sie angekommen sind.
Nur 5 Minuten später kommen wir auch an, der Fahrer gibt mir noch schnell seine Nummer, falls wir möchten, dass er uns zurückfährt und wir steigen aus.
Wir haben es tatsächlich geschafft fast zeitgleich mit Emma und Lukas nach Orheiul zu kommen. Für die Fahrt, die normalerweise über eine Stunde dauert, haben wir 50 min gebraucht.
Zu viert sind wir dann zum Kloster und noch etwas weiter gelaufen, bis wir einen schönen Platz gefunden haben, an dem wir uns einfach hinsetzten und die Sonne genießen konnten. Es war der erste Tag, an dem man wirklich im T-Shirt draußen sitzen konnte.
Nach einer halben Stunde sind wir wieder zurückgelaufen, haben das Höhlenkloster besichtigt und sind danach durch das Dorf gelaufen, wo Anne uns einen Hauswein ausgegeben hat und wir auf ihren Geburtstag angestoßen haben.
Gemütlich sind wir zurück zur Bushaltestelle gelaufen und haben gefragt, wann der nächste Bus nach Chisinau fährt. 14.40 Uhr sollte er fahren, also eine halbe Stunde später.
Um 14.38 Uhr sitzen wir also gemütlich in der Sonne und die Dame, die uns die Auskunft über den Bus gegeben hat, kommt auf uns zu und erklärt uns, dass der Bus vielleicht doch nicht hier hält, sondern dass wir den Bus wohl oben an der Kreuzung abfangen müssen. (Die Kreuzung ist ziemlich genau 1 km von der Bushaltestelle entfernt, also unmöglich in 2 Minuten zu erreichen. Aber Busse in Moldawien fahren ja wann und wo sie wollen, also war zumindest einen Versuch wert sich zu beeilen um den Bus zu bekommen).
Als wir oben an der Kreuzung ankommen, ist unsere Hoffnung, dass der Bus noch kommt, allerdings schon verflogen und wir setzen uns auf eine Mauer und stellen uns darauf ein, dass wir per Anhalter fahren müssen. Ungefähr 5 Autos fahren an uns vorbei. Immer kurz bevor das Auto uns erreicht, sagen wir uns, dass wir den Fahrer fragen, wo er hinfährt. Ist das Auto nah genug, macht jedoch keiner von uns Anstalten, den Arm auszustrecken. (So ganz verwunderlich ist es also nicht, dass wir eine halbe Stunde auf der Mauer saßen).
Nah dem Ich-weiß-nicht-wie-vielten-Auto kommt ein weißer Transporter an uns vorbei und wir schaffen es tatsächlich den Arm auszustrecken. Und siehe da: der Transporter hält.
„Guten Tag! Fahren Sie nach Chisinau?“, frage ich.
„Ja!“
„Dürfen wir bei Ihnen mitfahren?“
„Aber sicher. Steigt ein!“
Besser hätte es nicht klappen können. Innerhalb von 40 Minuten waren wir zu Hause und wurden sogar direkt in unserer Straße rausgelassen und wir waren so zurück, dass wir noch problemlos die Geburtstagsparty am Abend vorbereiten konnten.
Es war ein Ausflug, bei dem nichts nach Plan lief, aber es war ein perfekter Tag!
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