EFD-Seminar in Angouleme
Fortsetzung Frühlingsferien… Dieses Mal nicht ganz so lang. Aber schließlich muss man ja ein bisschen hinterher kommen mit dem Schreiben, nicht wahr?
12.04.2016 – 15.04.2016
- Der Ort, der als unsere Seminarunterkunft fungiert, heißt „Chambon“, was mich irgendwie an Schinken („Jambon“) erinnert. Entgegen zu Schinken, gefällt mir Chambon aber außerordentlich gut. Es handelt sich um einen sehr isolierten Ort. Darauf wurden wir bereits in unserer Einladung eingestimmt. Alles, was wir im Laufe der Woche brauchen würden, sollen wir direkt mitbringen.
Vom Bahnhof in Angoulême geht es zusammen mit dem Bus eine Stunde lang ins Landesinnere. In einem kleinen Ort werden wir dort von einem Minibus abgeholt und nach Chambon gefahren. Ich fühle mich etwas an die Kinder-Landverschickung erinnert.
In Chambon angekommen werden wir von unseren drei Betreuerinnen empfangen; E., A. Und H. E. Kenne ich bereits von meinem ersten Seminar.
Chambon ist ein wunderbarer Ort. Perfekt um Klassenfahrten hin zu machen. Es ist eine Siedlung mitten im Grünen, umgeben von einem See, einem großen Wald und Wiesen. Leider ist das Wetter während des Seminars nicht unbedingt das beste, sodass wir das Grün nicht so ganz ausnutzen können.
Aber schließlich sind wir auch nicht hier um ausgedehnte Spaziergänge zu machen, sondern um uns auszutauschen und ganz viel zu reflektieren.
- Insgesamt sind wir 19 Freiwillige, ein paar weniger als beim ersten Seminar. Aber trotzdem ist die Internationalität, die mich erwartet, unglaublich. Unter anderem sind da eine Lettin, eine Estin, ein Jordanier, eine Türkin, eine Rumänin, eine Ungarin, zwei Österreicher und ganz viele Italiener, um nur ein paar aufzuzählen. Kurz um: Obwohl wir alle mittlerweile mindestens seit einem halben Jahr in Frankreich sind und alle mehr oder weniger Französisch sprechen – Natürlich gibt es da auch immer ein paar Ausnahmen. Darum wird teilweise auch Englisch gesprochen. Die Hauptsprache ist aber Französisch. -, ist das Treffen trotzdem unglaublich international. Eine große Überraschung ist das Angesichts der Tatsache, dass jeder, der woanders hinkommt immer seine eigene Kultur mitbringt, aber nicht. Denn so gut man sich in einem Land auch eingelebt hat, es bleibt trotzdem eine gewisse Fremde. Den landestypischen Kulturcode kann man manchmal zwar erkennen, aber nicht greifen. Das macht es schwierig. Man fühlt sich in einem Land zwar wohl, weiß aber anhand einzelner kleiner Situationen, dass man nicht so ganz dazu gehört. Zwar fast, aber eben nicht ganz. Über solche und ähnliche Probleme tauschen wir uns auf diesem Seminar auch aus.
Generell ist meine Hauptaktivität diese vier Tage reflektieren. Was mache ich eigentlich in Frankreich? Was bringt mir das ganze? Wie kann ich aus meiner Frankreich-Erfahrung das Beste heraus holen? Fühle ich mich nun europäischer? Wo sind meine Prioritäten für die Zukunft? Man sollte meinen, dass man sich diesen Fragen ja auch zu Hause widmen könnte. Aber… Zum einen setze ich mich nie hin und sage mir: So, jetzt denkst du mal darüber nach, was dir das hier alle eigentlich bringt. Zum anderen ist der Reflektionsprozess einfacher, wenn man mit Leuten umgeben ist, die in der gleichen Situation sind, wie man selbst. Die anderen Mitfreiwilligen haben die gleichen Sorgen, Ängste oder Erfahrungen gemacht wie ich. Und alleine der Austausch mit ihnen lässt meine Sicht schon klarer werden.
Angeleitet von unseren Betreuerinnen durchlaufen wir gemeinsam viele verschiedene pädagogisch wertvolle Spiele, die auf den ersten Blick vielleicht nur spaßig aussehen, aber im Nachhinein mir sehr viel gebracht haben.
- Apropos… So haben wir eine „Chasse aux papillons“ (Schmetterlingsjagd) gemacht, die uns in den Wald geführt hat. Dort haben wir eine Wanderung gemacht, bei der wir immer zu zweit einen Weile gelaufen sind und uns über einen Satz oder eine Frage ausgetauscht haben. Das Hauptthema war Europa. Bei dieser Aufgabe ist mir eines ganz besonders klar geworden: Seit ich den EFD mache fühle ich mich europäischer. Vorher war mir nie wirklich bewusst, was für Chancen Europa bietet und wie einzigartig unser kleines Länderbündnis ist. Auf einem minimalen Raum leben wir mit zahlreichen verschieden Kulturen und Sprachen zusammen. Wenn man beispielsweise Amerika damit vergleicht, sieht Europa doch viel interessanter aus. 24 verschiedene Amtssprachen, 28 Länder. Das ist schon einzigartig. Eine Einzigartigkeit, auf die wir stolz sein können. Und auch, wenn die Europäische Union momentan durch kleinere und größere Krisen geht, sollte uns immer bewusst sein, dass es durchaus auch positive Aspekte an diesem Länderbündnis gibt. Ohne die EU wäre ich momentan nicht da, wo ich bin: In Frankreich, dabei einen EFD zu machen. Auch, wenn momentan viele Menschen sich nicht mit der EU identifizieren können, nehme ich von unserer Schmetterlingsjagd den europäischen Geist mit. Die Begeisterung ohne Komplikationen zu reisen. Das Interesse an anderen Kulturen, mit denen man dicht an dicht lebt.
Auf dem Seminar wird mir klar, dass ich nach meinem EFD anderen die Möglichkeiten dieses Dienstes zeigen möchte. Ich will etwas zurückgeben von der einmaligen Chance, die mir gegeben wurde. In den letzten acht Monaten bin ich über mich heraus gewachsen. Ich bin unabhängiger geworden. Habe gemerkt, dass man Fehler machen kann und es nicht der Weltuntergang ist. Kurz um: Für mich war dieses Jahr die richtige Entscheidung.
- Zurück zu den anderen Freiwilligen… Ich verstehe mich sehr gut mit den anderen und die Atmosphäre ist auch eine sehr familiäre, aber auch produktive. Alle sind sehr aufgeschlossen, was den Austausch und das Kennenlernen erheblich leichter macht. Wir verbringen zwei schöne Abende an der Bar, beim Tischkicker spielen, beim Diskutieren über Hackschnitzel (Das ist das, was man auch Rindenmulch nennt. Die Schwaben und Österreicher um mich herum, beharren aber auf dem Wort, sodass L., die Dänen, die mit uns am Diskutieren ist, ihren deutschen Wortschatz um ein Wort erweitern kann.). Umrunden bei den einzigen Sonnenstrahlen, die sich in den vier Tagen zeigen, den See.
Das gemeinsame Essen ist jedes Mal herrlich. Endlich bin ich mal nicht die einzige Vegetarierin! Insbesondere beim Essen findet man Zeit sich mit möglichst vielen Leuten zu unterhalten, was in Saunadiskussionen (Für Franzosen scheinbar unvorstellbar…) und Französischstunden endet. A. Notiert direkt die neu gelernten Wörter in ihrem kleinen Vokabelheftchen. Das erinnert mich an meine Zeit am Anfang in Frankreich, in der ich es genauso gemacht habe. Mittlerweile vertraue ich aber darauf, dass mein Gehirn alle wichtigen Wörter so abspeichert. Bis jetzt hat es auch erstaunlich gut geklappt.
Außerdem berichtet uns M. Noch aus seiner Heimat Jordanien. Seine Heimatstadt befindet sich nur ein paar Kilometer von der syrischen Grenze, sodass seine Region unmittelbar an das Gebiet grenzt, welches vom IS kontrolliert wird. Das lässt mich sprachlos werden. Ich würde gerne etwas sagen, irgendwas. Aber ich weiß nicht was. Es ist eine Situation, die ich noch nie erlebt habe. Für M. Ist Krieg mittlerweile beinahe normal geworden. Normal kann so etwas niemals werden. Aber es ist Teil seines Lebens dort geworden.
- Die Abende verbringen wir wahlweise an der Jugendherbergsbar oder am Tischkicker. Am letzten Abend bereiten wir eine kleine Überraschungsparty für unsere eine Betreuerin vor da ihr Geburtstag ist. Ich lerne vier lettische Tänze und entdecke meine Liebe zu türkischen Tänzen, bei denen sehr viel herum gehopst wird. Darum erinnern sie eher an eine wilde Faschingsansammlung. Spaß macht es trotzdem. Wir kosten den Abend noch einmal richtig aus. Schließlich ist es auch ein bisschen eine Abschiedsfeier für uns. Morgen ist das Seminar schon wieder vorbei.
Ein letztes Mal Herumalbern, ein letztes Mal einen Energizer mit den anderen, ein letztes Mal verschlafen zusammen frühstücken….
Nach einem Feedbackblatt, das jedem auf den Rücken geklebt wird (Übrigens in Schmetterlingsform. Dadurch macht sich die weibliche Übermacht unserer Betreuerinnen bemerkbar. Der Schmetterling ist überhaupt unser Seminar-Leitmotiv geworden.) und auf das jeder jedem Nachrichten schreiben kann, damit man sich die dann auf der Rückfahrt anschauen kann und ein Lächeln auf den Lippen hat, heißt es Abschied nehmen. Aber glücklicher Weise erst einmal nur von Chambon, also unserer Unterkunft.
Nach dem langen Bustransfer tut es schließlich ganz gut in Anguolême am Bahnhof etwas frische Luft schnappen zu können. M. Und mir bleibt aber gar nicht so viel Zeit noch eine Weile bei den anderen zu verbringen, da unser Zug bald geht. Gemeinsam essen wir noch das Mittagessen bestehend aus einem Lunchpaket. Dann werden noch einmal alle herzlich umarmt und wir steigen in den Zug.
D., ein Mädchen aus Rumänien, und ich bemerken, dass wir mit dem gleichen Zug bis nach Paris fahren müssen. Als dann klar ist, dass wir im gleichen Wagon sitzen, tauschen wir so lange mit den Mitreisenden die Plätze bis wir nebeneinander sitzen. So kommt es, dass die vier Stunden bis nach Paris sehr kurzweilig sind. Wir unterhalten uns die ganze Zeit und ich bin froh, dass ich die Chance hatte sie so noch etwas näher kennen zu lernen. Denn insbesondere auf diesem Seminar habe ich gemerkt, wie sehr mich andere Kulturen und Sprachen interessieren. Dass D. Zwei Jahre lang in China studiert hat, kommt da nicht ungelegen.
In Paris irre ich dann mit ihr durch den Metrotunnel und sitze schließlich in meinem endgültig letzten Zug nach Hause.
Wieder in Thonon angekommen hat sich T. Freundlicherweise erbarmt mich abzuholen. M. Ist nämlich noch in Paris geblieben und kann mich darum nicht abholen.
Wenn man etwas länger nicht zu Hause war, freut man sich dann doch wieder anzukommen. Mittlerweile würde ich sagen, dass ich mich hier wirklich zu Hause fühle. Ganz besonders merke ich das daran, dass ich mittlerweile Zentimetergenau die Lichtschalter im Dunkeln treffe. So auch heute Abend. Welcome back home!
Doch das war nur die erste Woche. Die zweite folgt sogleich – hoffentlich.
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