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  • 08.01.2019

Die kulturelle DNA von Weihnachtsfilmen

Weihnachtsfilme sind Teil der weihnachtlichen Tradition zahlreicher Länder. Welche Filme Heiligabend mit der Familie vorm Fernseher gesehen werden, hängt aber sicher davon ab, wo auf dem europäischen Kontinent man sich befindet. Diese Filme beeinflussen unser Denken, häufig auf unbemerkte Weise. Daher habe ich mir die kulturelle DNA eines bekannten Weihnachtsfilms genauer angesehen.

Weihnachtsfilme sind Teil der weihnachtlichen Tradition zahlreicher Länder. Welche Filme Heiligabend mit der Familie vorm Fernseher gesehen werden, hängt aber sicher davon ab, wo auf dem europäischen Kontinent man sich befindet. Diese Filme beeinflussen unser Denken, häufig auf unbemerkte Weise. Daher habe ich mir die kulturelle DNA eines bekannten Weihnachtsfilms genauer angesehen.

„Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ ist zweifellos Teil der deutschen Weihnachtskultur geworden. Doch dieser DEFA-Film ist nicht nur für Deutsche ein traditioneller Weihnachtsfilm, sondern auch für Kinder und Erwachsene in Tschechien und der Slowakei und beeinflusst damit Menschen über Ländergrenzen hinweg. Genau das macht ihn zu einem besonderen Film.

Denn Kinderfilme und besonders Märchen prägen unser kulturelles Bewusstsein und formen die Weltsicht junger Kinder. Märchen sind etwas, das man in der Psychologie „geteiltes Wissen“ nennt, Geschichten, die über Generationen hinweg weitergegeben werden und kulturelle Identität stiften. Hinter jedem Märchen steht eine Moral, welche den Empfänger beeinflusst und Orientierung für das eigene Leben geben kann. Die Helden haben häufig eine Vorbildfunktion und zeigen auf, welche Werte man verfolgen und welche Fehler man nicht machen sollte. Dadurch spielen Märchen eine bedeutende Rolle bei der Moralentwicklung von Kindern. Sie sind Teil des kulturellen Erbes, das wir empfangen und das uns in unserem weiteren Leben prägt.

In dieser Hinsicht fällt auf, dass „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ eine überraschend feministische Adaptation eines ursprünglich nicht sonderlich feministischen Märchens ist. In der Grimmschen Version der Ereignisse gewinnt Aschenputtel den Prinzen hauptsächlich durch ihr gutes Aussehen und ihre schönen Kleider. In der Handlung des Films von 1973 jedoch verliebt sich der Prinz schon in Aschenbrödel bevor er sie überhaupt in ihrem schönen Ballkleid sieht. Er bewundert ihren Mut, ihre Schießkunst und ihren Unwillen, sich ihm nur aufgrund seiner Stellung zu beugen. Außerdem hält Aschenbrödel die spontanen Heiratspläne des Prinzen zunächst auf und besteht darauf, dass er sie zuerst fragt, ob sie ihn überhaupt will. Schließlich ist die Moral der Geschichte weniger, dass man den Prinzen mit gutem Aussehen gewinnt (was im Film übrigens auch die Stiefschwester besitzt – und ihr trotzdem bei ihrer Jagd nach dem Prinzen nichts nützt), sondern mit Witz, Mut und Geschick. Dass diese Version des Märchens so feministisch ist, scheint weniger überraschend, wenn man sich die Geschichte der Gleichberechtigung der Geschlechter im kommunistischen Ostblock zur Zeit der Entstehung des Filmes betrachtet.

Die Emanzipation der Frau war ein bedeutender Aspekt der kommunistischen Ideologie. Frauen wurden aktiv in den Arbeitsprozess einbezogen, wobei dennoch Rücksicht auf ihre Doppelbelastung als Mütter genommen wurde, z.B. gab es die Möglichkeit, verkürzte Arbeitszeiten zu nehmen, wenn nebenbei Kinder zu versorgen waren und es standen genügend Kinderbetreuungseinrichtungen für alle Familien zur Verfügung. Dabei waren die Erwerbsmöglichkeiten arbeitender Frauen grundsätzlich nicht eingeschränkt, im Gegenteil, Frauen wurden dazu ermutigt, sich für Fachberufe zu qualifizieren. Dadurch waren 1989 etwa 91,2% der Frauen in der DDR berufstätig, wodurch sie häufig finanziell unabhängig von ihrem Ehemann waren. Dies hatte zur Folge, dass sich Frauen öfter scheiden ließen, ohne Angst vor finanziellem Ruin haben zu müssen. Das stellte zu dieser Zeit einen bedeutenden Fortschritt gegenüber der BRD dar, in der das Bild der Hausfrau und Mutter noch lange Zeit populär war und Frauen häufig finanziell abhängig von ihrem Ehemann waren. Die Emanzipation der Frauen in der DDR ließ dennoch in vielen Bereichen, z.B. der politischen Partizipation und dem weiblichen Anteil in Führungspositionen zu wünschen übrig. Aber die ideologischen Ansätze, die dem Sozialismus des letzten Jahrhunderts zugrunde lagen, können heute noch erklären, warum „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ so modern adaptiert wurde und selbst bei heutigen Verhältnissen noch Bestand hat.

Die Geschichte von Aschenbrödel und auch ihre feministischen Untertöne haben daher Kinder verschiedenster Länder geprägt, die sich ansonsten kulturell stark voneinander unterscheiden. Es lohnt sich, tiefer in die Bräuche eines Landes einzutauchen und zu hinterfragen, woher sie kommen, denn sie tragen immer auch ein Stück der Geschichte des Landes mit sich. Und manchmal entdeckt man, dass man auch in der Fremde Gemeinsamkeiten mit seiner eigenen Heimat finden kann.

Quellen:

Frey, D. (Hrsg.). (2017). Psychologie der Märchen. 41 Märchen wissenschaftlich analysiert – und was wir heute aus ihnen lernen können. Berlin: Springer. DOI 10.1007/978-3-662-53668-1. (S. 6-8)

http://www.emanzipation-im-sozialismus.de/seite-5.html Zugriff am 26.12.2018

http://www.emanzipation-im-sozialismus.de/seite-7.html Zugriff am 30.12.2018

http://www.emanzipation-im-sozialismus.de/seite-9.html Zugriff am 30.12.2018

https://glasgowguardian.co.uk/2018/12/20/breaking-with-tradition-on-the-festive-screen/ Zugriff am 26.12.2018

https://de.wikipedia.org/wiki/Drei_Haseln%C3%BCsse_f%C3%BCr_Aschenbr%C3%B6del Zugriff am 30.12.2018

https://de.wikipedia.org/wiki/Drei_Haseln%C3%BCsse_f%C3%BCr_Aschenbr%C3%B6del_(M%C3%A4rchen) Zugriff am 30.12.2018

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Ueber_7_Bergen

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Tags

  • Weihnachten
  • Filme
  • Aschenbrödel

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