Denke ich an Juni in Stockholm...
vom Tageslicht der Nacht und dem Pulsieren dieser Stadt
...dann ist alles schon wieder zu schnell vergangen, dann ist alles zu schnell vorbei. Da waren wir ein Wochenende lang am See und gingen von dort auch nicht weg. Und das erste Wochenende war lang und dauerte von Donnerstag bis Montag, weil sich Feiertage um einen Sonntag zusammenklumpten und Montag war der 6. Juni – Nationalfeiertag und Flaggen wehten im Wind und die Stadt trieb alle Leute auf die Straßen und in die Parks, denn es ist Sommer ausgebrochen. Es ist so warm, dass man beim Augenschließen Kakteen riechen kann und die Stadt schwitzt und im Systembolaget bekam man Bonbons geschenkt, wenn man unaufgefordert seinen Ausweis zeigte. Und wenn man vier Mal ein Bier kaufte, bekam man vier Dosen Bonbons. Die Stadt hat manchmal ganz tolle Regeln.
Und die Wärme des Frühsommers kam und ging dann mal wieder und kam wieder und blieb länger und die Gewitter zogen manchmal vorbei und Platzregen ergoss sich auf den dunklen Asphalt und aus geöffneten Fenstern hört man Leute ihre Instrumente üben und auf den Straßen in Södermalm sieht man Musiker und Kinder drängeln sich an die Eisverkaufsstände und in der Einkaufsmeile drängeln sich Menschen wie in einem großen Kasino und an jeder Ecke pulsiert das Leben und an jeder Ecke schlägt das Herz schneller. Der Kreislauf aus Straßen, U-Bahn, Autos und Menschen läuft und lebt. In der Hitze flimmert der Asphalt.
Ich war auch beim Frisör. Eine sehr schlimme Erfahrung. Zuerst das Aufstehen mit unglaublich zerwirbelten Haaren, die gar nichts mehr waren außer nur noch lästig und dann das Aufstehen mit geschorenem Kopf, wo gar nichts mehr ist, außer ein wenig Frisur. Aber alle sagten, es sehe nicht schlecht aus und ich sah mich an und war mir fremd, weil ich dem Frisör erstens erzählte, „ich war seit 3 Jahren nicht mehr beim Frisör, mach bitte nichts falsch.“ und zweitens er mit der Schere los klapperte, dass mir ganz schwindelig wurde und drittens ich dafür 200 Kronen lohnen musste, wo ich seit 3 Jahren nicht mehr beim Frisör war, sondern immer bei einer Freundin mit Rotwein von Lidl als Dank. Einem Frisör zu erzählen, wie man es gerne hätte, ist resistent gegen jedes gute Ergebnis. Vielleicht sollte ich vorher ne Flasche Rotwein trinken, damit ich mir sagen kann, ich hätte nicht gewusst, was ich tue.
Oh, und der Juni in den Parks dieser Stadt, die immer hell bleibt auch nachts, weil es nicht mehr richtig dunkel wird und wie wir dort saßen und erzählten mit Freunden mit vielen Muttersprachen und mit Wurst, Fleisch, Käse und ein wenig Bier und erzählten und zum Picknick mit ner Pizza kamen, weil wir derbe Hunger hatten (und die Pizza war super, die gibt’s in Kungsholmen gleich neben der Station Fridhemsplan für 70 Kronen) und wie gut, dass ich die Leute kenne, die ich kenne, denn es war ...und es ist schon ein Weilchen her... ein Festival in der Stadt, direkt auf dem Campus mit dem schönen Namen Dans Dakar und wir saßen davor und hörten der Musik hinter dem Zaun zu und sie dröhnte und boomte, denn Stockholm ist elektronischer Musik untergeben...naja, versklavt könnte man fast sagen und zwischen Echo und Schall lagen wir im Gras und sahen den Leuten beim Reingehen aufs Gelände zu und die Folklore aus den Synthesizer dieser Stadt nahm schwungvoll Fahrt auf und Simon ließ uns durch den Haupteingang spazieren, denn Simon – ein guter Freund hier in der Stadt, kontrollierte die Bänzel der Leute und ließ uns durch, als wir vor ihm standen, mit Pokerfacemiene, die nichts verriet. Und dann waren wir da, vor der großen Bühne inmitten tausender Leute, die tanzten und sich freuten. Und als Trentemöller aufhörte, kauften wir was zu essen, das hatte einen unaussprechlichen Namen und schmeckte voll gut und als Boys Noize anfing, waren wir mittendrin und der Boden einst Wiese, nun Staubschleuder und während unsere Schuhe und Lungen den Dreck der Nacht aufsaugten, war Punkt drei Schluss. Die Musik plötzlich weg, eiskalt abgewürgt. Aus. Vorbei. Keine Minute länger. Um drei Uhr nachts ist es Feierabend auch wenn es keine Nacht ist, sondern der Himmel hell wie Spätabends und diese Helligkeit bei Dunkelheit ist ziemlich irreal und kalt wurde es auch nicht. Der Zenit der Dunkelheit ist irgendwann halb 1 und von Dunkelheit kann dann keine Rede sein, es bleibt einfach ein Zustand der Dämmerung und des Aufbruchs.