Das Baltikum: Ein Vorreiter der Digitalisierung?
Was steckt hinter diesem Klischee
„Ach du gehst nach Litauen? Mensch, da siehst du dann mal was es bedeutet in einem Land zu leben, das zu den Vorreitern der Digitalisierung gehört.“ Diesen Satz habe ich ganz oft vor meiner Ausreise gehört. Oft hatte ich das Gefühl, dass dies das einzige Thema ist, welches die Leute mit dem Baltikum verbindet. Die Digitalisierung!
Was jedoch viele vergessen, dass das Baltikum nicht nur ein Land ist, sondern aus drei sehr unterschiedlichen Ländern besteht, nämlich Estland, Lettland und Litauen. Es werden nicht nur unterschiedliche Sprachen in den jeweiligen Ländern gesprochen, auch die wirtschaftliche, finanzielle, aber auch digitale Lage variiert sehr stark. Deswegen ist es wichtig die drei Länder differenziert zu betrachten.
Deswegen ist die oben genannte Aussage nur teilweise korrekt, denn es gibt ein Land der baltischen Staaten, welches seine Nase ganz vorne bei der Digitalisierung hat. Nämlich Estland, jedoch gehören Lettland und Litauen nicht dazu.
Um die Digitalisierung eines Landes zu messen, gibt es ganz unterschiedliche Verfahrensweisen, welche durch unterschiedliche Organisationen, politische Zusammenschüsse, Vereine usw. vollzogen werden. Ich werde mich auf den Digital Economy and Society Index, kurz DESI, beziehen. Dieser wird seit 2014 von der europäischen Kommission erhoben und berücksichtigt die Indikatoren der Konnektivität, Digitalen Kompetenzen, Internetnutzung der Bürger*innen, des Einsatzes digitaler Technologien in den Unternehmen und der digitalen öffentlichen Dienste. Doch diese Indikatorenwahl wird je nach Fortschritt und Entwicklung verändert. Anhand dieser Kriterien werden die Mitgliedstaaten der EU miteinander verglichen und es wird eine Rangliste erstellt. Es werden sowohl für jeden einzelnen Bereich als auch zusammenfassend Rankings erstellt, um Länder miteinander zu vergleichen, aber auch Fortschritte und Rückfälle messen zu können.
Der zuletzt veröffentlichte DESI Bericht aus dem Jahr 2020, bezieht sich auf die erhobenen Daten des Jahres 2019. In diesem Bericht liegt Estland auf Platz 7 der Liste. Mehr oder weniger dicht gefolgt von Deutschland auf Platz 12 und daraufhin kommt Litauen auf Platz 14. Eines der Schlusslichter bildet Lettland mit dem 18ten Platz.
Daraus geht nochmal deutlich hervor, dass dieses Klischee nur auf Estland zutrifft. Vor allem im Bereich digitale öffentliche Dienste ist Estland auf Platz 1, somit der Vorreiter in der europäischen Union. Hierbei geht es vor allem darum, inwiefern die Administration der öffentlichen Bereiche durch die Bürger*innen selbst online abgewickelt werden kann. Beispielsweise geht es hier um Dokumente im Gesundheitssystem, aber auch um Wahlen. Denn in Estland kann man seit 2005 seine Stimme Wahlstimme via Internet abgeben.
Auch wenn man durch die baltischen Staaten reist, merkt man relativ schnell, dass Estland ein Land des Fortschrittes ist. Man kann alles online erledigen und muss sich keine Gedanken machen, ob man einen Busticket Automat findet. Man kann sich darauf verlassen, dass man in irgendeiner Form per Karte im Bus zahlen kann. Wohingegen ich in Deutschland für ein Schließfach erst einmal zum Münzwechsler Automat gehen muss, weil ich weder Scheine geschweige denn eine Bankkarte dafür verwenden kann.
Estland hat zum richtigen Zeitpunkt in die Digitalisierung und den einhergehenden Fortschritt investiert. Das ist auch ein entscheidender Grund, weswegen deren wirtschaftliche Lage deutlich besser ist als die in Lettland und Litauen. Hier wurde sowohl die Software von Skype, der internetbasierende Messanger Dienst, als auch Bolt, eine Mobilitäts-Plattform entwickelt. Beide Plattformen trugen ihren Teil, zu einer Verbesserung der Konnektivität und Mobilität mit Hilfe des Internets weltweit, bei.
Zwischen Litauen und Deutschland kann ich persönlich einen Unterschied erkennen, wenn auch nur einen sehr geringen. Man hat in den neueren Bussen USB Ladestationen und kann seine Busfahrkarte ganz einfach mithilfe eines QR Codes aktivieren und kaufen. Jedoch kann ich mir auch gut vorstellen, dass es das auch inzwischen in Deutschland gibt, zumindest in größeren Städten.
Meiner Meinung nach erleichtert eine gute digitale Infrastruktur das alltäglich Leben. Vor allem sobald man sich an den Standard anderer Länder gewöhnt hat, merkt man doch, dass Deutschland noch ganz schön Aufholungsbedarf hat.
Also ich würde sagen, für Estland ist es nicht nur ein Klischee, sondern Realität, für die anderen beiden baltischen Staaten wohl eher ein Klischee!
Quellen:
https://www.capital.de/wirtschaft-politik/diese-eu-laender-sind-die-vorreiter-der-digitalisierung
https://de.statista.com/infografik/18365/digitalisierungsgrad-der-eu-laender-nach-desi-index/
https://www.project-consult.de/news/desi-2019-europaeisches-ranking-zur-digitalisierung/
https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/library/digital-economy-and-society-index-desi-2020
file:///C:/Users/Anwender/AppData/Local/Temp/05_desi_2020_-_germany_-_de_23C0F9F2-E9E8-C117-D2F563FA57ACB8B7_66943.pdf
file:///C:/Users/Anwender/AppData/Local/Temp/06_desi_2020_-_estonia_en_CB560A66-9EE5-9D40-C64FC58F5BAE4A14_66911.pdf
file:///C:/Users/Anwender/AppData/Local/Temp/14_desi_2020_-_latvia_CBA9EA4F-D81E-EAE1-238954FE4D962759_66919.pdf
https://de.wikipedia.org/wiki/Skype
https://www.eu-startups.com/2021/05/tallinn-based-bolt-launches-its-car-sharing-service-bolt-drive/
https://businessportal-norwegen.com/2020/06/16/norwegen-bei-digitalisierung-in-europa-an-der-spitze/
https://www.tagesschau.de/ausland/estland-wahl-cyber-101.html
Bildquelle
https://www.absatzwirtschaft.de/mehrheit-der-deutschen-sieht-digitalisierung-positiv-105657/
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