Cafe Brunhilde
Er tritt ins Café. Sucht Schatten, will sich vor der heißen Junisonne verstecken. Mit den schweren Soldatenstiefeln bahnt er sich seinen Weg zum Tresen. Sein Gesicht, nachdenklich und erschöpft...
Er tritt ins Café. Sucht Schatten, will sich vor der heißen Junisonne verstecken. Mit den schweren Soldatenstiefeln bahnt er sich seinen Weg zum Tresen. Sein Gesicht, nachdenklich und erschöpft. Der Blick verschleiert und leer. Elsbeth sieht ihn, begrüßt ihn freundlich und fragt, wo er gewesen sei, als sie seinen bandagierten Arm sieht. „Frankreich. Gleich an der Front. Bin auf Heimaturlaub hier." Er bemüht sich um einen patriotischen Ton. Elsbeth wagt ein kleines Lächeln. „Ich freue mich immer, wenn ich Soldaten bedienen darf. Für uns Frauen ist es doch so schwer, dem Führer zu helfen. Außer bei der Frauenschaft. Es ist für uns daheim gut, zu wissen, was für stramme Burschen unsere Heimat verteidigen." Er blickt sie an. Die Offenheit und der Tatendrang ihres jungen Wesens verwunderten ihn. 'Mädel sei froh, hier in der Heimat zu sein und nicht an der Front, wo du Väter, Brüder, Ehemänner und Freunde fallen und verenden siehst', denkt er, doch er wagt es nicht, ihre Vorstellung zu zerstören. Wie jedes gute deutsche Fräulein glaubt sie dem großen starken Mann, der auf dem Schlachtfeld zu einer fernen, blassen Illusion wird. „Wie heißen sie?" „Elsbeth. Ich bin erst vor zwei Jahren nach Rostock gekommen. Meine Familie stammt eigentlich aus Wolgast. Aber hier ist wenigstens ein bisschen was los. Ach die Umzüge am 20. April sind hier viel imposanter als bei uns. Ich mag es am Straßenrand zu stehen und den Jungen und Mädchen zuzujubeln. Überhaupt mag ich die ganze positive Stimmung hier in der Stadt. Man merkt doch, dass alle für die gleiche Sache einstehen, oder?" „Ja, Elsbeth aus Wolgast, das merkt man." Sie sieht ihn an, voller Zufriedenheit. „Ach, jetzt hab ich mich aber verquatscht, was möchten sie denn überhaupt?" Er bestellt den Kamillentee, den sein Magen jetzt nötig hat. Die hungrigen Kinderaugen starren durch die Fensterscheibe auf die Auslage des Café „Brunhilde" mit Apfel- und Pflaumenkuchen, die kleine Obstfliegen umkreisen. Der Mann am Nebentisch nimmt gerade den letzten Zug seiner Zigarre und erhebt sich schweigend. Der Hund, der sich still neben dem Tisch des Herrchens zusammengerollt hat, trollt ihm treu hinterher. In der Tür bleibt der Alte kurz stehen und betrachtet den Laden auf der gegenüberliegenden Seite der Straße, die immer noch im sommerlichen Licht liegt. Die zerschlagenen Fenster des Ladens sind durch Neue ersetzt worden. Nur noch mühsam kann man die Letter WETTERSTEIN FEINKOST erkennen.
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