Auf der anderen Seite der Diskriminierung
Wann genau fängt Diskriminierung an - und wo hört sie auf? Und kann das Gefühl, diskriminiert zu sein, auch selbst gemacht sein und gar nicht zutreffend? Nach einigen Erlebnissen stellt sich hausi38 diese Fragen.
Hallo ihr Lieben,
wie versprochen wieder einmal ein kleiner Text von mir. Ich habe hier manchmal recht viel Zeit um über viele Dinge nachzudenken, besonders dann, wenn ich nicht in der Uni bin oder selbst unterrichte. Da mein Indonesisch immer noch in den Kinderschuhen steckt (wird aber so langsam), finden die tiefgründigeren Gespräche eher in meinem Kopf statt.
Was mich hier ja oft nervt, ist die ständige Extrarolle, die ich hier spiele, nur weil ich eine weiße Hautfarbe habe… ganz oft bezahle ich mehr, weil ich weiß bin, werde ich einmal mehr gegrüßt, bekomme einmal mehr ein Taxi angeboten… und ganz oft werde ich abgezockt, nur weil ich weiß bin…. Zumindest sind das Gedanken, die in so einer Situation oft in meinem Kopf entstehen, aber ist es denn wirklich so?
Zum Beispiel bin ich letztens mit dem Bus gefahren und musste 7000 Rupiah bezahlen. Ich habe mit einem 20.000 Schein bezahlt, aber nur 11.000 zurückbekommen. Nett und freundlich habe ich den Busmenschen darauf aufmerksam gemacht, dass da ja noch 2000 fehlen… die hat er dann auch ohne zu zögern rausgerückt und sich entschuldigt. Meine Gedanken waren nur „Mal wieder, nur weil ich weiß bin…Sie versuchen es einfach immer, nach dem Motto – die dummen Ausländer!“
Aber, und darauf bin ich dann gekommen, als ich mich auf einen leeren Platz gehockt habe (wirklich hocken, denn hier ist ja alles etwas kleiner): Vielleicht hat er sich nur einfach verrechnet… kann ja mal passieren! Oder, vielleicht, und das ist noch viel schlimmer, kann er überhaupt nicht rechnen! Bei der Analphabetenrate in Indonesien wäre das nicht überraschend. Wollte er mich tatsächlich übers Ohr ziehen oder steckt da viel mehr dahinter als meine weiße Hautfarbe.
Gestern habe ich mir mein Abendbrot in einem kleinen Laden auf der Straße gekauft und unendlich viel bezahlt. Schon als ich den superteuren Preis hörte, dachte ich: „Mal wieder, nur weil ich weiß bin… Sie versuchen es einfach immer, nach dem Motto – die dummen Ausländer!“ und schwor mir, nie wieder dorthin zu gehen. Ich kam nach Hause und fragte meine Mitbewohner, was sie normalerweise dort bezahlen und sie nannten mir genau den gleichen Preis! Ich hatte das Glück in einem der besten Straßenläden mein Abendbrot zu erstehen (hat auch echt gut geschmeckt) und dort sind die Preise eben etwas höher… also doch nicht, weil ich weiß bin?!
Was ist also oft als Diskriminierung erfahre, ist eigentlich gar keine, dahinter stecken oft ganz andere Gründe… Da stellt sich mir die Frage, ob Diskriminierung nicht auch selbst gemacht sein kann. Ich will nicht behaupten, dass es sie nicht gibt, oder sie verniedlichen – auf gar keinen Fall! Aber ich frage mich, was Diskriminierung ist. Wer definiert sie? Sind es nicht die Leute, die diskriminiert werden, die behaupten, es wäre Diskriminierung?! Kann der Grund für die Annahme nicht auch fehlendes Verständnis oder fehlendes Hinterfragen und Suchen nach dem wahren Grund sein? Ist es nicht so viel einfacher, es einfach auf die Hautfarbe zu schieben?
Es gibt Diskriminierung, überall auf der Welt und man sollte alles tun, sie zu vermeiden, aber es gibt auf der anderen Seite auch eine Scheindiskriminierung, die manchmal selbst gemacht ist? Und, und das sage ich wirklich aus Erfahrung, sie fühlt sich nicht gut an, gar nicht, wahrscheinlich genauso schlecht wie die „wirkliche“ Diskriminierung….
Ich hätte nie gedacht, dass ich diese Erfahrung einmal mache. So bin ich nicht nur auf die andere Seite der Erde gefahren, sondern manchmal auch auf die andere Seite der Diskriminierung.
Julia