Ankunftsseminar
Nachdem Laurin beim nächtlichen Waldjoggen ein Treffen mit einem Wildschwein überlebt hat, erlebt sie bei einem etwas verspätetem, aber erkenntnisreichen Seminar schöne Tage und erfreut sich an ihrem neuerdings täglichen, naturverbundenen Frühsport.
Für meine Verhältnisse habe ich ja schon richtig lange nichts mehr geschrieben. Ich hatte erstmals eine gemütliche, ereignisarme Woche. Abgesehen von einer Begegnung mit Wildschweinen, als ich nachts alleine im Wald „joggte“ (eher herumstolperte, ich konnte nichts sehen, denn es war ja Nacht).
Dafür war die nächste (von jetzt aus gesehen die letzte Woche) umso erzählenswerter. Peggy, eine französische Freiwillige, die irgendwie von mir erfahren hatte, hatte mich eingeladen, mit ihr den Sonntag zu verbringen: erst Spaziergang, dann Picknick und dann Übernachten, damit wir am nächsten Tag gleich gemeinsam von Žilina aus zu unserem Ankunftsseminar fahren könnten.
Der Spaziergang entpuppte sich als ein siebenstündiger Marathon (sieben Stunden? Ach was, wir haben fast eine halbe Stunde Pause gemacht. - weniger!) zu irgendeinen Gipfel, wo man erst mit Leitern und Seilen hochkraxeln und dann im Flussbett auf schmalen Stegen, ebenfalls wieder mit Leitern und Seilen runter musste. Es war absolut genial und das reine Abenteuer, aber ein ausführlicher Bericht kommt ein anderes Mal, wenn ich die Wanderung noch einmal OHNE meinen Rucksack mache, in dem das Zeug für eine ganze Woche verstaut ist.
Das Picknick abends war dann eher eine Fete, auf der ich all die Freiwilligen treffen konnte, die jetzt abreisen. Es war trotzdem sehr gut und Peggy bleibt noch länger. Es wird ständig gefeiert - jetzt brauche ich nur eine Unterkunft in Žilina - und wenn ich da nicht genügend Slowaken finde, dann spätestens bei Jankas dreitägiger Geburtstagsfete, die in einer Hütte (?!) Ende September stattfinden soll. Janka ist eine total nette, verrückte, slowakische Studentin. Ich freu mich schon ungeheuer. Das Ankunftsseminar war einfach nur genial. Eine wirkliche Ankunft war’s ja eigentlich nicht mehr, aber so hatte man wenigstens schon ein paar Probleme, über die man reden konnte. Wir waren nur sechs Mädchen und ein Junge, später kam noch ein Ex-EFDler dazu, aber das war sehr nett, wie ein kleiner Freundeskreis. Die Trainer waren auch super, genau wie das Haus und die Umgebung. Wenn wir nicht gerade und auf Französisch oder Englisch (oder Deutsch!) diskutiert und uns ausgetauscht haben, wurde jongliert oder Diabolo, Poi oder Firestick geübt. Es war ein wahnsinniges Glück, dass die ganze Gruppe so zirkusbegeistert war (Hey, unser Future Capital Projekt!)
Am Mittwoch unternahmen wir einen Ausflug in eine Höhle und aus irgendeinem Grunde gibt es in der Slowakei viele abenteuerliche Sachen. Ausgerüstet mit Stiefeln, wunderschönen (haha) Overalls, Helm und Lampe ging es mit Führer auf schmalen Holzstegen oder auch auf dem Seil balancierend über Seen und Bäche, man durfte klettern und sich durch enge, klaustrophobiefördernde Felsspalten zwängen. Genial und wahnsinnig schön. Und wir waren die erste Gruppe, von der niemand ins Wasser gefallen ist.
Am letzten Abend gab es ein ordentliches Fest. Eine der Französinnen konnte keltische Volkstänze und dank einer Menge Schnaps tanzten alle irgendwie, wobei es für einige erhebliche Schwierigkeiten bereitete, sich zu drehen. Ab einem gewissen Punkt am Abend galt dies auch für das Händereichen. Aber da wurde sowieso nicht mehr richtig getanzt und noch weniger richtig gesungen, dafür um so lauter.
Für mich war das Seminar wirklich gut. Ich glaube, man merkt, dass ich mich momentan nur noch an einzelnen Sachen erfreue und nicht mehr nur enthusiastisch schreibe. Nun, an viele Abenteuer des Alltags hab ich mich einfach gewöhnt. Ich bin jetzt auch nicht mehr im „Honeymoon-“ sondern in der „Integrationsphase“ - es ist doch immer schön, irgendeine Theorie zu haben, die zwar vieles erklärt, aber praktisch auch nicht weiter hilft. Kenn ich ja eigentlich alles schon vom Austauschjahr (Langweilig! Na, eigentlich nicht so).
Ich frage mich halt nur manchmal, ob es nicht einfacher gewesen wäre, in einem Jugendzentrum zu arbeiten, wie fast alle anderen auch. Denn das wäre mir, glaube ich, viel leichter gefallen, ich hätte ich mich da viel mehr verwirklichen können. Was heißt verwirklichen, ich hätte die gleichen Sachen gemacht, wie schon die ganze Zeit davor in meinem Leben und wäre auf den gleichen ausgetretenen Pfaden gelaufen. Hier suche ich mir meinen eigenen neuen.
„Und ich weiß, wenn ich oben auf dem Gipfel bin, werde ich eine wunderschöne Aussicht haben.“ So ein absoluter, gesülzter Quatsch! Aber es war einfach gut, sich mit anderen Freiwilligen auszutauschen, zum Beispiel, warum es keine Schlüssel in slowakischen Toiletten gibt. Das ist echt ein Problem. Wer es sich nicht vorstellen kann, soll mal in eine öffentliche Toilette gehen, ohne die Tür abzuschließen!