Alleine verreisen
Zum ersten Mal reist Laurin alleine in der Slowakei. Anfangs fühlt sie sich etwas merkwürdig, vor allem als sie alleine einen Pub besucht. Einmal drinnen findet sie schnell Anschluss und resümiert: Slowaken geben einem gerne Bier aus, doch "Anmachsprüche sind überall gleich blöd."
Weil „nichts passiert, wenn einer seinen Arsch nicht rührt“ beschloss ich, meine zwei freien Tage (Sonntag und Montag) zu verreisen. Und zwar nach Banská Bystrica, da dass nicht so weit weg ist (100 km), eine gute Busverbindung hat und vor allem im Reiseführer darüber stand, dass „Leute dorthin gehen, um das Leben zu genießen“. Ganz mein Fall.
Frühmorgens ging es los. Der Bus stank furchtbar nach Zigaretten, Alkohol und Ähnlichem, bald war mir ziemlich übel. Doch die wunderschöne Aussicht auf weite Kornfelder und später Gebirge (und eine Menge Schlaglöcher in der Straße) ließen mich wach und halbwegs munter bleiben.
In Banská Bystricá stand ich dann erst einmal da. Allein. Ein komisches Gefühl.
Ich beschloss, ins Museum des Slowakischen Volksaufstandes zu gehen. Es war wahnsinnig interessant und hat mich vor allem sehr betroffen gemacht. Obwohl ich jetzt einen italienischen Pass habe, hin oder her, irgendwie bin ich doch mehr Deutsche, und deswegen ist die deutsche Geschichte und geschichtliche Verantwortung auch meine. Oder auch nicht, ich weiß es nicht, es ist schwer zu sagen.
Inzwischen war es Mittag geworden und ich ging auf den großen Platz, um etwas zu Essen. Banská Bystricá ist wahnsinnig schön, es hat den Flair einer italienischen Kleinstadt (nur mit noch größerem Platz) oder erinnert an Bozen, besonders mit den Bergen im Hintergrund. Dann gab es eine ziemlich verzweifelte und lange Suche nach der Jugendherberge, auf der ich wunderbarerweise mehrere Stadtviertel zu Fuß kennen lernen durfte (und ein paar wilde Brombeeren fand). Die Jugendherberge ist ein riesiger, unansehnlicher, schlecht ausgeschilderter Betonklotz, aber ich hatte endlich ein Zimmer für mich allein.
Wieder in die Stadt hinunter fand ich es allmählich normal, alleine zu sein. Schon in der Jugendherberge hatte ich andere Rucksacktouristen gesehen, aber ich hatte keine Lust, sie anzusprechen. Auf einmal war mir die Freiheit wichtiger geworden, als jemanden zum Reden zu haben. In der letzten Woche ist mir zwischen Regen draußen und dem überbelegten Zimmer drinnen wohl doch ein bisschen die Decke auf den Kopf gefallen. Der Nachmittag verging erstaunlich schnell, herumschlendernd, im Vorraum der Kirche sitzend, der Orgel lauschend und schreibend.
Zum Abendessen einmal Lidl und ab in die Jugendherberge, umziehen, zurück in die Stadt. Auf meinem Weg in den Irish Pub blieb ich zuerst am großen Platz hängen, der inzwischen wunderschön beleuchtet war, und wo halb Banská Bystricá flanierte. Dann hörte ich eine Band Metallica spielen und saß wohl eine Stunde vorm Fenster ihres Proberaums. Der Sänger war wahnsinnig schlecht, man konnte ihn nicht hören – nun, vielleicht gab es auch gar keinen.
Irgendwie hatte ich keine Lust, alleine in eine Bar zu gehen. Als ich es schließlich doch tat, musste ich mich dreimal überwinden. Die Kneipe war aber wahnsinnig cool: bemalte Wände, Sperrholzmöbel, gute Musik und ebenso gute Atmosphäre. Ich blieb dann doch länger als die Viertelstunde hängen und wurde von einem Grüppchen Studenten eingeladen, mich zu ihnen zu setzen. Die hatten sich gewundert, warum ich alleine dasitze. Nun, ähem, ich kenn hier niemand... Na ja, also, auch das war eigentlich gar nicht so schlimm.
Am nächsten Tag, also heute, fand ich es eigentlich nur noch super, alleine herumzulaufen. Erst saß ich ewig in einem wunderschönen, kitschig-wohnzimmermäßigen Cafe. Dann war ich in sämtlichen Läden, insbesondere Second-Hand-Läden, in die sich Zuzka weigert hineinzugehen. Hab mal wieder viel gesehen und nichts gekauft. Ich habe mich zu schnell an die Preise hier gewöhnt und sage schon „was, fünf Euro für ein T-Shirt!?“
Am frühen Nachmittag war ich doch müde und fuhr zurück nach Hause. Diesmal mit dem Zug, was genausoviel wie der Bus gekostet hat. Insgesamt habe ich für alles - Übernachtung, Essen, Museum und Fahrt - unter 15 Euro ausgegeben. Ich denke mal, dass ich wieder wegfahre, wenn ich frei habe und hier nichts los ist. Auch alleine.
Tja, das waren die Neuigkeiten vom Steppenwolf. Nein, eigentlich bin ich nicht so, ich freue mich über Gesellschaft. Aber es war mal gut, viel Zeit zu haben und nachdenken zu können und einmal alles, was in den letzten Wochen geschehen ist, auf mich wirken zu lassen. Ich weiß jetzt zum Beispiel ein paar Dinge, die ich verändern will. Und dass ich mir die Städte, die ich sehen will, auch alleine anschauen kann. Irgendwie habe ich nicht das Gefühl, dass ich mal ein EFD-Anfangstreffen bekomme. Ich weiß außerdem, dass ich alleine weggehen kann, dass man dabei Leute kennen lernt und die Slowaken einem gerne Bier ausgeben. Natürlich ist das nicht immer so, aber Anmachsprüche sind jedenfalls überall gleich blöd.
So, morgen wird wieder geschafft. Ich bin froh, zurück in meiner Natur zu sein.