ich glaube, es wird Herbst...
...wenn man anfängt, sich an den Sommer zu erinnern.
musique: http://www.youtube.com/watch?v=j8veoIE4URI
Der Sommer geht zu Ende. Man merkt es am Licht. Am Abend. Die Sonne geht unter, wenn man noch nicht müde ist, dunkle Wolken stehen wie Rauchsäulen über den Wäldern, die Mücken während der Dämmerung werden weniger und der Wind nimmt im Tagesverlauf zu. Das Getreide auf den Feldern hinterm Haus wiegt golden in der Sonne und sieht aus, wie eine Kulisse für Müsliwerbung. Abends friert man jetzt, wenn man keine langen Klamotten trägt. Und um Mitternacht kann man jetzt Sternenbilder sehen. Das war vor einem Monat noch unmöglich, da war es um Mitternacht verhältnismäßig hell.
Der Sommer, so hab ich mir sagen lassen, war bisher super. In den Zeitungen steht, dass die Cafés viel mehr Kaffee als letztes Jahr ausgeschenkt haben. Der Sommer war einer von der warmen Sorte, nicht ganz so heiß wie es manchmal werden könnte, aber dafür trocken und sonnig. So sonnig, dass Waldbrandgefahr herrschte und in Riechweite des internationalen Überlandflughafens 250.000m² Wald in Flammen standen und so sonnig, dass die Wiese vorm Haus braun wurde und die Erde darunter steppig und so sonnig, dass auch jetzt noch, im Augustregen, das Wasser in den Seen badewarm ist und so sonnig, dass ich im Juni schon ganz braun wurde und immer eine Badehose im Rucksack hatte, weil man morgens nie wusste, ob man abends doch noch mal ins Wasser springt, weil man das hier überall machen kann und zwar nicht überall erlaubt ist, aber überall sich niemand davon abhalten oder stören lässt.
Ganz ehrlich. Es gibt am nördlichen Westufer auf Kungsholmen in Stockholm eine Badestelle, wo das baden offiziell verboten ist, aber man einen riesigen hölzernen Pier ans Wasser gebaut hat, stufenförmig, dass man da auch schön sitzen kann, mit Rettungsringen und Aluleitern, mit deren Hilfe man rausklettern kann, falls man mal doch zufällig überlegt, mit Absicht ins Wasser zu fallen. Eine größere Einladung, ein Verbot zu ignorieren, ist fast nicht möglich. Und Verbotsschilder hat man da auch noch nie gesehen. Dort, die Stelle heißt übrigens Kristinebergs Strand, scheint die Sonne bis zum bitteren Ende, bis sie am Horizont verschwindet. Nach Westen ist's am Abend am schönsten. Und junge Leute sitzen dann auf dem Holzpier und haben Wein und was zu essen und Eltern schubsen ihre mit um die Arme gezogenen, neonfarbenen Schwimmuskeln gepimpten Kinder ins Wasser und ab zu fährt eine kleine Motoryacht vorbei während sich in zwei Kilometern Entfernung der Verkehr über eine der hohen Brücken quält, die nachts wie helle Streifen am dunklen Himmel hängen. Und das mitten in der Stadt. Und da spielt es auch keine Rolle, ob hinter der Straße am Ufer noch gebaut wird. Der öffentliche Raum wird genutzt, wo man ihn nutzen kann. Und schrumpelige Haut ist dann auch keine Schande, sondern Ausdruck natürlichen Wohlbefindens.
Stockholm ist eine Sommerstadt, da kann man noch so sehr den Hamburger Sommer schön finden. Stockholm bietet da mehr Wasser, mehr Freiluftaktionen – sei es Theater, open-air Musik oder Bars und Cafés oder Ufer und Boote und Eiscreme und Tageslicht und dieses Jahr – man möge es mir verzeihen – auch deutlich mehr Sonne als in Hamburg. Stockholm ist so ein Mekka für urbane Wasserratten auf Luftmatratzen.
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