"Ein triftiger Grund von tausenden, warum sich ein Aufenthalt im Ausland sowas von auszahlt..."
Eine Kurzgeschichte beziehungsweise ein Kurzgedicht, nach einer wahren Begenbenheit. SO oder so ähnlich hat sich dieses Ereignis wirklich und ganz ehrlich zugetragen ...
Meine Zeit im Ausland – und wer bin ich jetzt?
„Nun, diese eure Frage sollte schnell beantwortet sein, liebe Leute: ich beginne am besten, nun, am Anfang, also heute. Obwohl, eigentlich, begann alles vor der Zeit, als ich im Ausland war, und mich damals im Französischen noch überhaupt nicht raus sah.
Lasst uns also ein wenig drehen am Rad der Zeit…
Im Jahre Schnee nämlich bin ich mal so durch die Stadt gewandert, allein unterm Grazer Himmel ohne Sonne - ehrlich mal, wo bleib sie da, die Wonne? In den Knochen steckte er mir noch, der Winterfrust… ja, so wartete ich noch immer auf meine altbekannte Lebenslust! Dann dacht ich mir so, hach, wenn das Leben nur ein Wunschkonzert wär- tja, dann wünschte ich mir jetzt ganz klar einen Tapetenwechsel her…
Als ich dann so vorbeikomme an ´ner Studentenbar mit dem klingenden Namen „Schnaps und Rum“, da dreh ich mich ganz plötzlich um - warum? Nun, das ist sonnenklar, ich hörte jemanden leise rufen: „Ooh, excusez moi!“
Eine Dame, auf hohen Hacken und sehr petité, sie rannte so, als ob sie vor ´nem Unglück floh. Mit den Händen wackelnd, winkend kam sie nah; ja, meine Damen und Herren, dies war also das erste Mal, dass ich eine waschechte Französin in meinem Grazer Viertel sah.
Diesen Dialekt, den kenn ich doch, sagte ich zu mir selbst ganz leis, being a language enthusiast - das hat halt seinen Preis. Ich ahnte schon: Womöglich kommen da grad Schwierigkeiten auf mich zu, auf Französisch sagen konnte ich nämlich nicht viel mehr als „mah“ und „muh“.
Trotzdem lächelte ich die Mademoiselle freundlich an, damit sie mal ein wenig zu Puste kommen kann. Dann fragte ich sie, während ich eine rauchte, auf Englisch wohlgemerkt, woher sie denn komme, oder ob sie Hilfe brauchte…
Ich so „help, help, ahm aider?“, und schaute ihr erwartungsvoll ins Gesicht; merkte sogleich, dass ihr aber leider aufging so gar kein Licht. Sie verstand nicht, was ich ihr sagte - sah wohl genau, wie ich mich mit ein paar Brocken Französisch plagte. Sie lächelte, sagte noch ein paar Worte. Der Inhalt ihrer Rede könnte alles sein, ich verstand nur manchmal einen Brocken fein, - sie redete wohl über ihre Heimatstadt oder vielleicht schöne, weit entfernte Orte?
Plötzlich lachte sie auf und deutete mit dem Finger – hinter mich, da ganz groß, das Schild der Firma „Singer“. Ah, nähen muss sie was, verstand ich gleich, da kam dann auch Gott sei Dank wieder Farbe in mein Gesichtchen bleich. Eifrig nickte ich ihr zu; sagte in Gedanken einer Freundin von mir schon: na, wer kann jetzt Französisch. Ich oder du?
Ich zeigte ihr, wo wohl der Eingang sein wird, als sie dann plötzlich einen Blick ins Schaufenster riskiert. Schallend fing sie an zu lachen, drehte sich um zu mir; oje, was ich soll ich denn jetzt noch machen? Leicht angesäuert schaute ich sie an, wollte mich eigentlich bald verabschieden dann. Ich hatte ja auch nicht ewig Zeit, dort rumzustehen, na, tut mir leid. Sie grinste weiter, und schüttelte den Kopf; ich strich nachdenklich über meinen langen Zopf. Merci, langsam wurde mir das alles echt zu blöd. Warum gab es keine andren Menschen in jener Straße öd´? Sollte sie doch diese mit ihrer Frage nerven und aufhalten, dann könnte ich mich immerhin einer weiteren Peinlichkeit vorenthalten. Doch, nichts, ich blickte in eine gähnende Leere, so fühlte sich wohl ein Kapitän, der aufs weite Meer blickt von seiner Fähre. Allein auf weiter Flur, mit einer hilfsbedürftigen, und ach so unverschämten Französin nur.
Na toll, gratulierte ich mir selbstironisch, während sie mich weiter ansah wie ein bunter, exotischer Speisefisch. „Moi, singer…“ sagte sie immer wieder, ihre Stimme voller Sorgen; das R rollte sie dabei, als gäbe es kein Morgen. Ungeduldig und ein wenig perplex, gab ich ihr zur Beruhigung einen Schokokeks.
Auf sich deutend, drehte sie sich, langsam machte ich mir wirklich Sorgen um, nun – mich! Kann es denn sein, so fragte ich mich leise, dass ich hier gerade mit einer Verrückte speise? Als ich mich schon verdrücken wollte, ried sie plötzlich ganz famos: „Hey, you know the song „La vie en rose“? Ich nickte langsam mit dem Kopf, fragte mich wieder mal, was sie damit wohl sagen wollte, diese Frau mitm Frisurtyp á la „Topf“. Die Geduld wurde mir wirklich nicht in die Wiege gelegt, das war mit dieser Reaktion wohl mal wieder klar belegt. Doch seid mal ehrlich, wie würdet ihr reagieren, würdet ihr in einer schwarzen Nacht auf einsamer Straße rein gar nichts kapieren? Ich atmete tief ein, widmete mich der Dame noch mal komplett; schickte ein stummes Stoßgebet gen Himmel – und wünschte mich eigentlich nur heim ins Bett.
So schaute ich ihr ins puppenhafte, hübsche Gesicht, und da, endlich wurde mir vorm inneren Auge Licht. Eine Coversängerin von Edith Piaf war sie wohl, ja, sonnenklar, so oft wie ich diese schon in Musikvideos in Schulzeiten sah. Endlich schaffte ich doch zu sehen, was die Dame mir gab lange zu verstehn: Sie war wohl neu hier in meiner Stadt, und zwar als Star in einem Musikstück, welches hoch gepriesen wurde in beinah jedem Grazer Zeitungsblatt. Erleichtert konnte ich nun lachen, und mich mit ihr gemeinsam auf den Weg ins nahe Orpheum machen. Dieses Gebäude hatte sie nämlich anscheinend gesucht, mir ihre Wut über das „Nicht Finden“ eben davon, auf Französisch vorgeflucht. Als wir das Ziel dann endlich doch erreichen konnten, befanden wir uns plötzlich nicht mehr auf gegnerischen Fronten. Ganz im Gegenteil, sie war eine nette Dame, und Valerie, so erfuhr ich gleich, war ihr eigentlicher Name. Wir scherzten munter vor uns hin, und das obwohl ich, wie wir bereits wissen, nicht annähernd fließend in Valerie’s Muttersprache bin.
Manchmal aber, so zeigt es sich immer aufs Neue, ist es von größerer Bedeutung, spontan zu sein und sich über kleinere Erfolge zu freuen. Eine leicht bitteren Gedanken konnte ich mir aber trotzdem nicht verwehren, aus dem Vorfall habe ich nämlich doch ziehen müssen gewisse Lehren: Es kann ja nicht sein, pfah - dass ich nicht lache!!- dass ich sie nicht endlich erlerne, die französische Sprache! So schwer kann es ja wirklich nicht sein, sag ich mir und komm zu dem Schluss, dass ich mir das jetzt wirklich und wahrlich ein für alle Mal antun muss.
Und da war mein Entschluss gefallen, noch heute höre ich meine laut ausgesprochenen Worte hallen: „Nadja, es hilft nix, zu zetern, ärgern oder gar zu lästern, helfen würde dir in so ner Situation nämlich nur ein - Auslandssemester! Im Erasmus lernst du die lokale Sprache wie im Nu, findest tolle Freunde, siehst wundervolle Dinge und in solche blöden Situationen kommst du garantiert nie wieder…“
Sind es nicht genau solche Situationen, die man ganz unbewusst und spontan erlebt, nach deren erfolgreichem Abschluss man dann wie im siebten Himmel schwebt? Zumindest ein paar Worte in der fremden Sprache sollte man schon lernen, wie sonst reist man leicht in Ländern, nahen wie in fernen?
Ja, deshalb, die Moral von der Geschicht? Vergiss nie aufs Sprachenlernen und Reisen nicht. Und bald schon, so war ich hoffnungsvoll, mir jemand eine neue Sprache lernen soll. Na toll.
Ein gutes Jahr später dann, nachdem ich nicht nur tolle Erfahrungen im Ausland gewann, war ich um viele Eindrücke, Freunde und unvergessliche Momente reicher geworden – und Angst hatte ich auch keine mehr vor fremdsprachigen Horden.
Heute lächle ich mir beim Gedanken an Valerie ins Fäustchen klein, so ahnungs- und sprachlos würde ich in ihrer Gegenwart wohl nie wieder sein. :)