Allein leben
Es gibt verschiedene Arten, als Freiwillige/r untergebracht zu sein. In WGs, Gastfamilien oder eben allein. Wichtig ist, was man daraus macht.
Seit September 2018 lebe ich nun in Estlands. Valga ist eine eher kleine Stadt im Süden und im Gegensatz zu Tallinn sind Freiwillige hier nicht sehr häufig. Ich wusste von Anfang an, dass ich eine Wohnung allein haben würde. Da ich noch nie allein gelebt habe, konnte ich nur schwer einschätzen, ob mir das gefallen wird oder nicht. Ich ließ es also einfach auf mich zukommen.
Nach 5 Monaten, der Halbzeit, haben sich für mich persönlich einige Vor- sowie Nachteile rausgefiltert. Die ersten paar Wochen hat mich das Alleinleben nicht wirklich gestört. Ich war in der „Entdeckungsphase“: Alles war neu und aufregend! Ich musste mich an ein neues Land, dessen Umfeld und Menschen gewöhnen. Die Leute auf meiner Arbeit, dem Kindergarten, kennenlernen, die Stadt erkunden…
Da hatte ich gar nicht viel Zeit mich einsam zu fühlen.
Nach der Eingewöhnungsphase habe ich dann doch gemerkt, dass ich gerne nachmittags mehr Beschäftigungen haben möchte, um nicht zu viel allein in meiner Wohnung zu sein. Bei unserem On-Arrival-Training wurden uns viele Ideen und Möglichkeiten vorgeschlagen. Mit Hilfe meiner Mentorin habe ich dann den Kontakt zu einer Tanzlehrerin gefunden und bin kurz darauf einer Volkstanzgruppe beigetreten. Das war eine meiner besten Entscheidungen in Estland. Vereinen oder Gruppen beizutreten, kann ich nur empfehlen. Das zweiwöchige Training macht Spaß und auch an manchen Wochenenden haben wir Aufführugen oder gehen zu verschiedenen Events. Außerdem komme ich dort unter junge Leute und lerne gleichzeitig viel über einen so wichtigen Teil der estnischen Kultur. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mal tazen würde. Erst recht keine Volkstänze, aber es macht mir so viel Spaß! :)
Auch gibt es oft viele lokale Möglichkeiten: Ausstellungen im Museum, Kino, kleine Konzerte. Oder, wie in meinem Fall, jeden Freitag frei schwimmen und saunen für alle Lehrer/innen und Kindergärtner/innen! Es gibt so viele Möglichkeiten, die man nutzen kann und man erfährt von solchen Dingen am besten, wenn man mit den Menschen vor Ort in Kontakt ist. Ich denke dadurch, dass ich allein lebe, war ich gewissermaßen gezwungen mir selbst Hobbies und Beschäftigungen zu suchen. Auch der Kontakt mit Einheimischen ist unumgänglich, wenn man allein lebt und nicht vereinsamen möchte. Ich kenne mittlerweile viele verschiedene Esten, etwa aus dem Youth Center, der Tanzgruppe, Arbeit und Nachbarschaft.
Ich habe schon öfter Freunde in Tallinn besucht oder sie mich. Die Reaktion ist fast immer gleich. „Oh wow, deine Wohnung ist so schön! Die Küche so sauber! Du hast richtig viel Privatsphäre.“
Ja, alleine haushaltet es sich definitiv einfacher.
Trotzdem gibt es natürlich auch ein paar Nachteile. Als ich in der 6er WG bei den Leuten in Tallinn war, habe ich gemerkt, dass es doch echt viel wert ist, Menschen um sich herum zu haben. Man hat immer jemanden zum erzählen, kann spontan zusammen was unternehmen und erlebt viele lustige Momente gemeinsam.
Auch in manchen Situationen, zum Beispiel als ich krank war, hätte ich mich über Gesellschaft gefreut. Einfach jemand der da ist, und dass man weiß, man ist nicht alleine.
Aber ja, mit der Zeit findet man einen guten Mittelweg. Ich weiß nun, wie es ist alleine zu leben. Es wäre nichts auf Dauer für mich, aber für ein Jahr finde ist es eine super Möglichkeit, aus sich heraus zu kommen. Und ich hab immer Platz für Besuch in meiner Wohnung. :)
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