Alcalypse
Endzeitstimmung in Alcalá - Als ob mich nicht die Uni schon genug stressen würde, stellt die Bewältigung des spanischen Alltages immer neue Herausforderungen an mich.
Bevor ich auf die Einzelheiten der letzten Wochen eingehe, erstmal eins vor weg:
Spanien ist ein Land, in dem nichts funktioniert.
Viele der Dinge, die ich im folgenden schildern werde, hätte ich eigentlich schon in meinem ersten Spanienbericht erwähnen müssen, doch manchmal muss eben erst alles zusammen kommen, damit es einem negativ auffällt.
Ich weiß gar nicht so genau wo ich anfangen soll, deshalb lege ich einfach mal mittendrin los.
Die Langeweile und Ereignislosigkeit der ersten Wochen sind endgültig vorbei.
Das Tempo in der Uni hat so dermaßen angezogen, dass mir ernsthaft Zweifel kommen, ob ich das Semester überhaupt packe. Ich bin noch nicht mal zwei Monate hier und schon denke ich darüber nach, welche Alternativen ich hätte, wenn ich nach Haue zurück ginge.
Nicht weil mich alles nervt, weil ich Heimweh nach Deutschland und Sehnsucht nach Markus habe, auch nicht weil in diesem Land nichts funktioniert sondern aus dem einzigen Grund dass ich seit Mitte Oktober praktisch in der Bibliothek lebe und trotzdem mit der vielen Arbeit nicht hinterher komme.
Ich habe mir das alles anders vorgestellt. Klar, ich bin zum Studieren hier aber Bücher über spanische Sprachwissenschaft kann ich genauso gut in der Unibibliothek in Berlin wälzen, die nebenbei tausendmal besser ausgestattet ist als die drei Regale hier. Sowas sollte sich echt nicht Bibliothek nennen dürfen. Unter der Woche bis 20:45 geöffnet und dann wenn man die meiste Zeit zum Lernen hat, nämlich am Wochenende: Schicht im Schacht. Die Berliner Unibibliothek hat mit ihren fast durchgängigen Öffnungszeiten eindeutig mehr zu bieten.
Was hier allerdings besser funktioniert als in Berlin, ist die Sprache zu lernen, aber dazu komme ich ja nicht, weil ich in Hausaufgaben und Prüfungsvorbereitungen versinke.
Vor zwei Wochen bin ich dann auch noch krank geworden und das bestimmt nicht nur wegen des Kälteeinbruchs, der Spanien eigentlich bis in den November verschont, sondern auch weil die Heizungsanlage im Wohnheim nicht funktioniert.
Trotz allem hieß es für mich Durchhalten. Denn für letzte Woche hatte sich Besuch angekündigt. Mein Freund Markus wollte für 6 Tage kommen und damit wir während seines Besuchs genügend Zeit miteinander verbringen konnten, musste ich in den Tagen vor seiner Ankunft vorarbeiten.
Als er dann letzte Woche Mittwoch ankam, fühlte ich mich endlich wieder wie ein Mensch. Ich habe mir dann endlich eine kleine Verschnaufpause gegönnt und ein paar Tage mit ihm das Leben genossen.
Ein Wehrmutstropfen bleibt allerdings:
Ich möchte hier echt niemandem Unrecht tun, aber ich hätte schwören können, dass ich mit meinem viel geschätzten Mitbewohner ausgemacht habe, dass, wenn einer von uns beiden weg ist während der andere Besuch hat, wir uns gegenseitig unsere Betten zur Verfügung stellen.
Was für ein toller Zufall, dass er in genau in dem Zeitraum für ein paar Tage nach Valencia fahren wollte, als mein Freund zu Besuch kam.
Als ich ihn noch mal daran erinnerte, dass ich während seiner Abwesenheit gerne in seinem Bett schlafen würde, meinte er einfach „nein, das ist mir jetzt doch irgendwie nicht so angenehm“. Ich war fassungslos „Wegen meiner Privatsphäre und so“
Götter des Olymp! Als ob es sein Bett wäre. Die Matratze ist mindestens zehn Jahre alt; wer weiß wie viele Wohnheimbewohner vor ihm da drauf geschlafen haben und wie viele da noch nach ihm schlafen werden. Obwohl ich ihm zusicherte, sein gesamtes Bettzeug zu waschen und alles genau so sauber und faltenfrei zu hinterlassen, wie er es vorgefunden hatte, als er im Studentenwohnheim eingezogen ist blieb es bei: „Nein, meine Privatsphäre“
Ich meine, ich kann es ja verstehen, dass man das eigene Bett nicht gerne mit jedem teilt, aber ganz ehrlich: Er kennt mich und bitte was hätte ihn dieser kleine Gefallen gekostet?
Markus und ich mussten stattdessen ins Hostel gehen, dabei hätten wir soviel Geld sparen können. Ich war mörderenttäuscht, aber versuchte seine Einstellung und das Gewese um die Privatsphäre irgendwie zu verstehen.
Das wäre mir auch beinah gelungen und hätte wahrscheinlich auch kein Wort mehr drüber verloren, wenn er nicht heute im Bus noch einen drauf gesetzt hätte.
Ich muss dazu sagen, dass ich in letzter Zeit öfter erwähnt hatte, dass ich nach den Prüfungen Ende Mai relativ zeitnah nach Hause fliege, auch wenn mein Wohnheimplatz bis Ende Juni reserviert ist.
Als ich heute im Bus meinte, ich denke drüber nach, vielleicht doch bis Mitte Juni zu bleiben, entrüstete er sich und meinte „jetzt habe ich dein Bett aber schon für meinen Besuch Anfang Juni eingeplant“
„Am Arsch!“, dachte ich. Soll sein Besuch doch ins Hotel gehen.
Wenns um sein Bett geht, labert er irgendwas von Privatsphäre, wenn er allerdings Besuch bekommt, geht er fest davon aus, mein Bett benutzen zu dürfen und echauffiert sich dann darüber, dass ich gerne Anfang Juni noch selber in meinem eigenen Bett schlafen möchte. Ich dachte echt, ich krieg zuviel.
Soviel zum Thema „Privatsphäre“.
Ich muss ihm allerdings zu Gute halten, dass ich unimäßig ohne seine Hilfe echt untergehen würde.
Naja, am Mittwoch war es dann soweit und Markus kam. Ich hatte für die Zeit seines Aufenthaltes zähneknirschend ein Doppelzimmer in einem Hostel in der Innenstadt gebucht.
Irgendwie war ich dann doch ganz froh, dass wir nicht im ungemütlichen Studentenwohnheim im totalen Outback von Alcalá wohnen mussten und genoss die Zeit im Hostel ohne meinen Mitbewohner und Diskussionen wann das Licht ausgemacht wird in vollen Zügen.
Das Hostel war ganz okay, leider ein wenig hellhörig, aber das sind fast alle spanischen Neubauten.
Im Gegensatz zum Studentenwohnheim war im Hostel schon die Heizung eingeschaltet, zumindest war der Heizkörper in unserem Zimmer warm.
Was ich anfangs für eine Freundlichkeit des Zimmermädchens gehalten hatte, stellte sich allerdings als unfreiwilliger Dauerzustand heraus, denn die Heizung ließ sich nicht abdrehen.
Naiv wie ich bin, dachte ich, dass die Heizung vielleicht zentral geregelt wird und sich nach 22 Uhr eine Art Nachtabsenkung einstellt, so wie man es von deutschen Häusern gewohnt ist.
Als die Heizkörper nachts um 2 noch immer so heiß war, dass man sich daran die Finger verbrannte, bin ich runter zur Rezeption. Nachdem ich mein Problem geschildert hatte, öffnete der Rezeptionist wortlos eine große Schublade, holte ein Werkzeug raus und schaute mir tief in die Augen als er es mir in die Hand drückte.
Am Heizkörper fand ich tatsächlich eine Stelle wo man das rohrzangenartige Werkzeug ansetzen und drehen konnte. Als ich am nächsten Morgen erwachte, war er tatsächlich kalt
Der Hellhörigkeit geschuldet habe ich übrigens mitbekommen, dass die ebenfalls deutschsprachigen Bewohner des Zimmers neben uns das gleiche Problem mit der Heizung hatten ( und noch viele weitere privater Natur, die ich mir dank der Pappwände zwar bis ins allerkleinste Detail anhören durfte, hier aber nicht weiter ausführen möchte)
Es folgten entspannte Tage, die schönsten meines bisherigen Aufenthaltes, während derer wir viel in Madrid unterwegs waren. Kleines Highlight war Halloween. Auf der Suche nach Schminke klapperten wir mehrere Drogerien und Supermärkte ab, bis uns schließlich eine Verkäuferin bei Bodybell anbot uns sozusagen als „Halloweenspecial“ mit den Testern vom Schminkregal gratis zu schminken.
Markus Gesicht hatte dann sogar wirklich etwas von Frankenstein, während mein Gesicht mit dem blasen Teint, dem kirschroten Mund und dem dunklen Lidschatten eher an einen Travestiekünstler als an einen Zombie erinnerte.
Am Sonntag sind Markus und ich mit Jana, einer Freundin, die ich von der Uni kenne nach Torrejón de Ardoz gefahren, ein Vorort zwischen Alcalá und Madrid, weil wir gehört hatten, dass es dort einen Europapark mit Nachbildungen europäischer Sehenswürdigkeiten wie dem Brandenburger Tor oder dem Eiffelturm gibt
Am Bahnhof angekommen fanden wir uns in der typischen Tristesse der trostlosen Trabantenstädte rund um Madrid wieder.
Die Frage ob wir den Rest des Weges laufen sollen oder einen Bus nehmen, stellte sich gar nicht, da natürlich mal wieder an keiner der drei Haltstellen rund um den Bahnhof ein Plan aushing, dem man hätte entnehmen können, welcher Bus wann wohin fährt.
Ein Fußweg war selbstverständlich auch nicht ausgeschildert, aber in den letzten zwei Monaten in diesem Land habe ich ganz gut gelernt mich an der Sonne zu orientieren. Das braucht man in Spanien absolut.
Nach bloß einer Stunde durch immer gleiche Wohnviertel, erspähten wir am Horizont endlich die Spitze des Eiffelturms.
Kurz bevor wir am Zaun des Europaparks ankamen, wurden wir übrigens von einem Bus überholt der uns in einer Staubwolke hinter sich ließ. Mit der Staubwolke legte sich auch die anfängliche Freude über den Eiffelturm, da wir feststellten, dass weit und breit kein Tor in den fast vier Meter hohen Zaun eingelassen war.
Nach dem wir bis zum anderen Ende des Parks gelaufen waren, fanden wir endlich den Eingang zum Park der größer war als wir gedacht hatten. Dumm nur, dass nach dem Gewaltmarsch vom Bahnhof keiner mehr so richtig Lust zum Umherlaufen hatte.
Also stärkten wir uns erstmal in einem Café, bevor wir zu den obligatorischen Eiffelturm- und Brandenburger Tor-Fotos übergingen.
Als wir alle Sehenswürdigkeiten geknipst hatten, entschieden wir, den Rückweg anzutreten. Dass wir mit dem Bus zurück zum Bahnhof fahren würden, war klar.
Dummerweise befand sich die einzige Bushaltestelle am anderen Ende des Parks.
Eigentlich wollten wir uns noch mal ins Gras setzen, aber da man in Spanien nie weiß, wann der nächste Bus kommt und wie lange man auf den folgenden warten muss, beschlossen wir sicherheitshalber direkt zur Bushaltestelle zu gehen und dann dort gegebenenfalls noch ein bisschen zu chillen.
Man muss dazu wissen, dass an spanischen Haltestellen oft nicht mehr steht, als die Linie die sie anfährt und wenn man Glück hat auch der Takt.
An unserer Haltstelle (Cementerio, zu deutsch: Friedhof) waren die Linien L1 und L2 jeweils mit einem Takt von 30 Minuten angegeben. Es hing sogar ein Plan aus, der eine Übersicht über die einzelnen Haltstellen der beiden Linien zeigte. Die Haltestellenübersicht war ein Kreis woraus ich schloss, dass es sich um zwei Ringlinien handelte die in entgegen gesetzte Richtungen verkehrte, aber natürlich war es mal wieder zuviel verlangt gewesen, die Haltestelle Cementerio auch auf der Übersicht darzustellen.
Es blieb also unklar ob man schneller am Bahnhof sein würde, wenn man den Bus linksrum oder rechtsrum nimmt, aber da ja scheinbar eh beide Linien früher oder später am Bahnhof vorbeikommen, beschlossen wir einfach den nächsten Bus zu nehmen, der kommt. „Wir werden so oder so am Bahnhof ankommen und auf jeden Fall schneller als wenn wir wieder laufen“ meinte ich noch.
Pustekuchen.
Über eine Stunde haben wir auf einen Bus gewartet, obwohl bei zwei Linien bei jeweils 30´er Takt statistisch gesehen alle 15 Minuten ein Bus hätte kommen müssen.
Wie der Bus es dann geschafft hat, für den Weg zum Bahnhof eine ganze Stunde zu brauchen (also fast so lange wie wir zum Fuß) ist mir bis heute ein Rätsel. Jedenfalls hatten wir dann noch mal fast volle 60 Minuten Zeit uns von der Hässlichkeit Torrejóns zu überzeugen.
Das Problem mit den Bussen ist übrigens ein alter Hut. In Alcalá war die Innenstadt in den letzte Wochen laufend wegen irgendwelcher Festlichkeiten gesperrt und zahlreiche Linien wurden umgeleitet.
Nun ist das allerdings nicht wie in Deutschland, wo man normalerweise schon Wochen vorher im Internet den Ersatzfahrplan, die veränderte Linienführung einsehen kann und wo Ersatzhaltstellen aufgestellt werden sondern es läuft so, dass die Busse dann ab der letzten Haltstelle vor dem gesperrten Abschnitt einfach irgendwie fahren und an Haltstellen anderer Linien halten, ohne dass man irgendwo nachlesen könnte welche das sind.
Zurück zu unserem Ausflug nach Torrejón:
Wenigstens das Umsteigen vom Bus in den Cercania (S-Bahn) ging schnell. Als wir in die Bahnhofshalle kamen, waren es nur 2 Minuten bis zur Abfahrt des Zuges nach Alcalá.
An dieser Stelle wurden uns allerdings die Ticketschranken des spanischen Nahverkehrsunternehmens zum Verhängnis, die man erst passieren kann, wenn man das Ticket durch einen Entwerter gleiten lässt, der ein Drehkreuz freigibt und dann das Ticket auf der anderen Seite wieder ausspuckt.
Janas Ticket blieb in den unergründlichen Tiefen des Entwerters hängen und Markus´ Ticket wurde gar nicht erst angenommen.
Ein Bahnangestellter, für den die Macken der Ticketschranken nichts Neues zu sein schienen, winkte uns zu einem Seitendurchgang den man ohne Ticket passieren konnte, sodass wir gerade noch so den Zug bekamen.
Auf der Fahrt schaute ich mir Markus Rückfahrticket noch mal genau an und stellte fest, dass es nicht mehr gültig war.
Wir hatten es vor der Hinfahrt gleich mit dem Hinfahrticket gekauft und vorgehabt es vor der Rückfahrt zu entwerten.
Was wir nicht wussten: In Spanien verliert ein Einzelticket, ob entwertet oder nicht, zwei Stunden nach Kauf seine Gültigkeit.
Jana hatte nur Kombiticket, das Hin- und Rückfahrt einschloss und ganze 48 Stunden galt. Enttäuscht stellte ich fest, dass die 10´er Karte Zone 0 bis B3 (für Fahrten nach Madrid) die ich für Markus Besuch gekauft hatte und im Dezember weiter benutzen wollte, auch nur bis Ende des Monats gültig war, während die 10´Karte für die Zone B3 (für Fahrten innerhalb von Alcalá) keine Gültigkeitsbegrenzung hat. Wer soll da durchblicken?
Aber das Ticketgültigkeitschoas ist noch gar nichts gegen die Servicezeiten der spanischen Gastronomie.
An Alcalá angekommen hatten wir Riesenhunger und wollten etwas essen. Vom ersten Restaurant an dem wir vorbeikamen, musste ich den beiden allerdings abraten.
Als ich dort eine Woche zuvor um 18 Uhr abends etwas zu essen bestellte, wurde meine Bestellung mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass nur von 14 Uhr bis 17:30 und dann wieder ab 21:30 Essen serviert wird.
Gegen 19 Uhr wechselte der Kellner und fragte mich, ob ich noch einen Wunsch habe. Spaßeshalber fragte ich, ob ich etwas zu essen bekommen könnte, obwohl mir natürlich klar war, dass das in einem spanischen Restaurant abends um 7 Uhr total absurd war, woraufhin es hieß, dass es erst ab halb neun wieder Essen gibt.
Ich hätte schwören können, dass der Kellner davor halb zehn gesagt hat, aber ich ersparte mir weitere Worte der Verwirrung und nippte weiter an meinem Saft.
Als er jedoch um halb 8 noch einmal zu meinem Tisch kam und mir mitteilte, dass man ab jetzt etwas zu essen bestellen kann, fragte ich doch noch mal nach:
„Es ist keine dreißig Minuten her, dass sie mir gesagt haben, dass es erst um halb 9 soweit ist, obwohl ihr Kollege halb 10 meinte. Jetzt kommen Sie mir mit halb 8. Was ist denn jetzt Sache?“
„Naja, wissen Sie, das hängt immer vom Koch ab, der kommt mal so, mal so und jetzt ist er halt gerade doch überraschend schon früher gekommen“
Viel fiel mir dazu nicht ein und ich lies den lieben Gott einen guten Mann sein und ein belegtes Baguette kommen. Bloß, dass sich der Koch nicht überarbeitet, ist ja schon mal klasse, dass er überhaupt auf Arbeit erschienen ist.
Der Koch des mexikanischen Restaurants, das Jana, Markus und ich stattdessen anpeilten, legte leider keine derartige Arbeitsmoral an den Tag und erschien am Sonntagabend überhaupt nicht auf der Arbeit.
Ob wir trotzdem was trinken wollen, fragte der Kellner.
Ganz ehrlich, Saft in ein Glas gießen kann ich auch selber, dazu gehe ich nicht ins Restaurant. Verärgert zischten wir ab.
„Hej da drüben ist ein Bäcker“ freute ich mich, als wir wieder auf der Straße waren.
„Wir haben noch Butter und Belag auf dem Zimmer, soll ich uns nicht ein Brot holen?!“ Ich hatte für einen kurzen Moment vergessen dass wir in Spanien waren und größenwahnsinnigerweise angenommen, dass in einer Bäckerei tatsächlich so exotisches Backwerk wie Brot verkauft wird.
Natürlich gab es keins. Alles andere hätte mich in diesem Land auch überrascht.
Ich fühlte mich leicht an die Erzählungen meiner Eltern und Großeltern über die Versorgungslage und die Mangelwirtschaft in der DDR erinnert.
Schlussendlich sind wir dann zu McDonalds gegangen.
Ich würde ganz gerne an dieser Stelle des Thema wechseln und ein Problem ansprechen, über das ich mich tagtäglich ärgere.
Ich bin ja am Anfang die 4 km vom Wohnheim zur Uni noch zu Fuß gegangen und das nicht nur, weil ich ewig auf meine Monatskarte warten musste, sondern weil ich mal ein Mensch war, der gerne zu Fuß gegangen ist.
Von den 4 km führen nur leider 2,5 km entlang einer vielbefahrenen Straße um die herum die Atemluft so stark belastet ist, dass man die Abgase vor sich sehen kann.
Sogar eine Austauschstudentin aus Peking klagte über die Luftverschmutzung auf dem Weg zur Uni. Aber selbst die 2,5 km Bleilungenrisiko hielten mich nicht vom Laufen ab, erst die letzten anderthalb Kilometer durch die Wohngebiete der Innenstadt gaben mir den Rest. Auf Spaniens Straßen und Gehwegen liegen Tonnen von Hundekacke. An manchen Ecken ist es so schlimm, dass man gar nicht vom Fleck kommt ohne durch die Scheiße zu gehen. Ab und zu sieht man schicke neue Hundehaufentütenspender, nur leider fehlt es überall an Mülleimern, weshalb die unzugeknoteten Tüten genau so wie der restliche Abfall neben dem Gehweg landen und dann dort weiter vor sich hin stinken. Ich habe aber auch schon ungelogen Tüten zwischen uneingetüteten Fäkalien mitten auf dem Gehweg gesehen.
Ich meine, in Berlin liegen auch Hundehaufen auf dem Gehweg, doch es ist bei weitem nicht so schlimm, dass man sich streckenweise vor Ekel die Nase zu halten muss. („Die Masse macht´s“)
Besonders in den warmen Monaten, wenn auch noch stundenlang die Sonne auf die Hundehaufen knallt, steht in den Gassen ein derart abstoßender Gestank, dass man sich fragt, wie die Leute in den Wohnungen im Erdgeschoss es bei offenen Fenstern aushalten. Hinzu kommt, dass besonders in schlechteren Gegenden Hauswände als öffentliche Toiletten genutzt werden. Was im Gegensatz zu Hundehaufen eher die Ausnahme als die Regel ist, sind verwesende Ratten die man hier und da auch auf dem Gehweg liegen sieht. Kein Scherz, fragt Markus oder Jana, wenn ihr mir nicht glaubt.
Wer möchte kann sich hier mal ein Video zu den Zuständen der Madrider Gehwege anschauen: http://ccaa.elpais.com/ccaa/2013/11/08/madrid/1383915409_207485.html
Nach Alcalá, Madrid und Torrejón wollten Markus und ich natürlich auch die Schönheit andere spanische Städte entdecken und planten einen Ausflug nach Toledo.
Toledo ist gar nicht so weit weg von Madrid, doch bereits eine Reiseroute zu finden, erwies sich als schwieriges Unterfangen. Toledo erreicht man am besten mit dem Bus, den Busbahnof allerdings nur mit der U-Bahn und die nächste U-Bahnstation von Alcalá aus nur mit den Cercanias (S-Bahn).
In Deutschland würde man jetzt vielleicht bei „bahn.de“ oder „bvg online“ die schnellste Verbindung raussuchen, in Spanien muss man das für jedes Verkehrsmittel einzeln machen, wobei es für innerstädtische Busse noch nicht mal eine Online-Fahrplanauskunft gibt.
Da die Seite des überregionalen Busunternehmens leider nicht als Mobilversion verfügbar war mussten Markus und dann extra noch ins Wohnheim und über meinen PC nach Verbindungen schauen. Nach dem wir fast 20 Minuten auf einen Bus gewartet hatten, der eigentlich alle 7 Minuten kommen sollte, waren wir bei der Ankunft im Studentenwohnheim schon wieder so abgegessen, dass wir beide nicht mehr so recht wussten ob wir wirklich noch Bock auf die Fahrt nach Toledo hatten.
Eine Verbindung mit dem Bus von Madrid nach Toledo und mit der U-Bahn zum Busbahnhof nach Madrid fanden wir dann doch relativ schnell, doch scheiterten letztendlich daran, dass uns die Seite der Cercanias (S-Bahn) keine Verbindung von Alcalá nach Madrid raussuchen konnte. Die Fahrplanauskunft funktionierte, wie so oft, mal wieder nicht und es gab auch sonst keine Möglichkeit die Fahrzeiten online einzusehen.
Das sind die Momente in denen man sich einfach nur hilflos fühlt und sich dafür hasst freiwillig nach Spanien gegangen zu sein. Man kann nichts tun. Man muss einfach akzeptieren, dass man dem ständigen Nichtfunktionieren und dem perpetuellen Chaos hilflos ausgesetzt ist.
Aber immer noch besser als kein Fahrplan sind vier verschieden Fahrpläne:
Als ich Markus nämlich von Flughafen abgeholte habe, hatte ich vorher versucht die Abfahrzeiten des Flughafenbusses in Alcalá herauszufinden. Bei einem Bus, der nur alle 40-60 Minuten kommt, geht man ungern spontan zur Haltestelle.
Sage und schreibe drei verschiedene Fahrpläne für eine Line habe ich auf der Seite des Verkehrsunternehmens gefunden, die sich alle gegenseitig widersprachen. Keiner der drei Fahrpläne trug einen Verweis auf einen Gültigkeitszeitraum wie es in Deutschland ja Standard ist.
Also bin ich am Abend vorher extra noch mal zur Haltestelle gelatscht um nachzuschauen, welcher der drei Fahrpläne dort hängt. Das müsste ja dann der aktuelle sein. Zu meiner großen Überraschung fand ich dort dann die vierte, ebenso zeitlose Version des 824´ers zum Flughafen.
Da ich mich nach irgendetwas richten musste, entschied ich mich für den Fahrplan an der Haltstelle und den wählte den Bus halb 10. Glücklicherweise war ich am nächsten Tag schon 20 nach 9 an der Haltestelle und bekam den Bus gerade noch so, der natürlich vollkommen losgelöst von jeder Fahrplanzeit verkehrte.
Der Vollständigkeit halber noch ein paar Worte zu unserem Ausflug nach Toledo, den wir allen Widrigkeiten zum Trotz gemacht haben.
Die Stadt hat mir ausnahmsweise mal ganz gut gefallen, sie ist wirklich viel schöner als Alcalá, die Servicezeiten der Lokale sind zwar noch nebulöser aber dafür ist der Gestank in den Straßen und Gassen nicht ganz so apokalyptisch.