Ungarisch für Anfänger
Warum es von Nachteil sein kann, auch noch 15 Jahre nach dem Mauerfall kein 'Ossi' zu sein, was manche Ungarn so als Sonntagmorgensport betrachten und warum es wirklich hilfreich sein kann, besser Ungarisch zu sprechen, solcher Art Erfahrungen machte Julia in den letzten Tagen.
Nach nun so langer Zeit finde ich auch endlich mal wieder die Gelegenheit, zu schreiben. Hier ist jetzt endlich auch der November eingekehrt. Letzte Woche sind wir bei 20 Grad noch im T-Shirt herumgelaufen. Am Dienstag aber traf es uns wie ein Schlag. Wir wachten morgens auf und es schneite und die ganze Erde war weiß. Wir konnten es echt nicht glauben. Da standen also drei ungläubige Freiwillige vor dem Fenster und staunten, als hätten sie zum ersten Mal Schnee gesehen. Den ganzen Tag schneite es und am nächsten Tag - wir hatten schon geglaubt, das bleibt jetzt bis ins Frühjahr so - schien die Sonne, als wäre überhaupt nichts gewesen. Die spinnen, die Ungarn!
Noch eine Story zum Thema Spinnen. Ich glaube, bei den Ungarn gibt es so etwas wie Ruhezeiten überhaupt nicht. Wir waren die ganze Nacht mal wieder unterwegs und freuten uns, Sonntagmorgen ausschlafen zu können. Da machte uns aber irgendwer in unserem Miethaus einen Strich durch die Rechnung, indem er beschloss, Sonntag früh um acht Uhr zu hämmern anzufangen. Und zwar war das so laut, dass man echt nicht mehr schlafen konnte. In Deutschland wäre ich wahrscheinlich sofort zu der betreffenden Wohnung gegangen und hätte was gesagt. Aber hier ist das nicht so einfach, wenn man nicht mit Sicherheit weiß, wo es herkommt, und auch kein Ungarisch kann, um zu fragen. Also verbrachten wir den Morgen damit, an Heizungsrohre und Wände zu klopfen, damit das endlich aufhört. Als es dann vorbei war, war an Schlafen erstmal nicht mehr zu denken.... Ja, ja, die Ungarn.
Heute hatte ich auch mal wieder ein prägendes Erlebnis. In Deutschland ist ja gestern vor Jahren die Mauer gefallen, und so wirklich unterscheiden wir nicht mehr zwischen Ost und West. Die Ungarn aber wohl. Wenn sie hören, dass ich aus Deutschland komme, ist die erste Frage, ob ich ein Ossi bin. Ist schon lustig, auch wenn sie dann auf die Antwort herzlich, zumindest beim 'Ossi', und kühl beim 'Wessi' reagieren. Manchmal kommt es mir wirklich so vor, als sei hier die Zeit stehen geblieben.
Ansonsten haben wir weiter eine Menge Spaß. Die letzten paar Wochen hab ich echt zuviel Geld ausgegeben, und so müssen wir uns jetzt ein bisschen zurückhalten mit dem ins Cafe gehen. Vorletztes Wochenende waren wir zum Beispiel in Budapest, um dort einem Freiwilligen aus Spanien - David - Lebwohl zu sagen. Er war für neun Monate hier und musste zurück nach Hause. Das war schon ein eigenartiges Gefühl.
Ich wüsste nicht, was ich jetzt machen würde, müsste ich nach Hause fahren. Es gibt hier noch so viele Dinge zu sehen und zu erleben. Auf der anderen Seite wäre es echt mal wieder schön, die Leute zu verstehen, wenn sie einen ansprechen, oder sich mit ein paar neuen Leuten zu unterhalten. Denn hier beschränkt sich das fast nur auf die Deutschen, beziehungsweise auf die Erasmusstudenten, mit denen man gut Englisch sprechen kann. Deshalb ist mein Ungarisch auch nicht wirklich besser geworden, so dass ich beschlossen hab, dass ich da mal was dran ändern muss. Am Montag hab ich da gleich einen guten Start gemacht, indem ich mit Levente - einem echten Ungarn- im Kino war, und wir uns einen russischen Film mit Ungarischen Untertiteln angeschaut haben. Ehrlich gesagt, hab ich kein Wort verstanden und weiß immer noch nicht, worum es in dem Film eigentlich ging. Aber es war trotzdem lustig und danach waren wir noch im Cafe. Levente spricht nur gebrochen Englisch, so dass ich gezwungen bin, ein paar meiner ungarischen Wörter auszupacken. Er hat mir dann in dem Cafe noch Schach beigebracht. Ich hab zwar beide Male verloren, aber ich hab ihn ganz schön ins Schwitzen gebracht, weil er ein paar Mal in der Zwickmühle saß. War wirklich ein schöner Abend, aber ich bin danach todmüde ins Bett gefallen. Das viele Ungarisch und das dolle Versuchen, es zu verstehen, hat mich echt kaputt gemacht.
Heute wollen wir uns einen japanischen Film angucken mit – wie könnte es anders sein – ungarischen Untertiteln. Vielleicht kommt da ja schon ein bisschen mehr bei raus. Deshalb muss ich jetzt auch los, obwohl es noch so viele Geschichten von hier gibt, die ich erzählen müsste. Alleine Budapest würde ein ganzes Buch füllen. Ich war das erste Mal nämlich in einem wirklichen Heilthermalbad, im Circus, Schlittschuhlaufen..... in Budapest. Ist nur zu empfehlen. O.K., ich muss wirklich los. Bis später.
Love Julia