…und man mag so viele Leute, die man lange nicht mehr sehen wird und man muss sich darüber wundern, ob das traurig ist oder nicht...
Manchmal ist Abenteuer wie leichtes Gift, das kribbelt, wie ein Piratenbuch mit 10 Lenzen zu lesen, wie ein langsames Aufwachen in fremden Betten und es ist zu Ende, wenn man nicht verstehen möchte, wo die Wege, die man einschlägt, hinführen.
Letzte Woche Seminar mit einer Horde aus ihren Heimatländern ausgebrochenen Europäern, diese Italiener und Franzosen und Mazedonier und Spanier und Montenegroener und und und… und wir glaubten am Ende nicht, dass wir uns anfangs nicht kannten, denn wir verstanden uns wie Fussballfans beim wichtigsten Heimspiel der Welt… und gemeinsam kletterten wir auf Bäume um dann zu verstehen, dass der Abgrund von oben weiter weg aussieht als die Baumkrone von unten und furchteinflößend war der erste Gedanke daran und gut fühlte es sich an, einem kleinen Karabinerhaken, einer Winde und einem gespannten Seil sein Leben anzuvertrauen und zu springen und ich dachte an ein Lied von Element of Crime … und du weißt, dass dein Vater sich fragt: „Wird er es bringen?“ und deine Mutter sagt „nein“ und aus endloser Menge erklingen ermunternde Rufe: Jetzt musst du springen! und manchmal muss man überwinden und nicht runterschauen und auch nicht geradeaus, sondern Augenzuunddurch und dann die atemlosen Momente in sich wirken lassen und den Staub schlucken, den der Wind davon trägt und den Moment genießen, diese kürzeste Periode der Zeit, die sich wie Kaugummi im Kopf anfühlt, wenn man merkt und fühlt und spürt, dass der Sturz vorbei ist, denn der tiefste Fall ist niemals so tief, wie wenn man möchte, dass er endlos bleibt. Manchmal ist Abenteuer wie leichtes Gift, das kribbelt, wie ein Piratenbuch mit 10 Lenzen zu lesen, wie ein langsames Aufwachen in fremden Betten und es ist zu Ende, wenn man nicht verstehen möchte, wo die Wege, die man einschlägt, hinführen.
Und wir sitzen am Wasser und hören französische Musik und es klingt schön. Eine schöne Sprache ist das. Ich verstehe nur nichts.
Und das Wochenende war phantastisch. Ich möchte darüber keine Vergleiche anstellen, weil ich manchmal einfach aufhöre, in Kriterien zu denken. Es hätte regnen und phantastisch werden können aber es schien die Sonne und war einfach ein Wochenende, das geht und kommt, das man hat oder nicht und das man so schnell nicht mehr vergisst. Samstag saßen wir am See und waren die Seelenruhe in Personalunion. Der Wind pfiff, die Enten naaacknaaackten, Laub vom letzten Jahr flog endlich von Schnee befreit umher und von weitem rauschte die Stadtautobahn ununterbrochen und ertrug mit sündhaft teurem Asphalt die Wochenendkarawane stolzer Volvofahrer, während wir Sandwiches mampften, aus rundem Frisbeebrot zusammengebastelt, und über all das erzählen, was noch kein Philosoph vor uns gedacht hat und der Hauch von Frühlingsterror zog uns (auf auf!) durch die Stadtarchitektur Stockholmer Abende, hinein hinein ins Södra Teatern und hinauf hinauf in die Bar mit schicken dekadentem Tapetenkleid und mit Aussichtsterrasse und die tanzfaulen Schweden, so schüchtern sie auch sind, hüpften vor der Bühne wie befreit von allen inneren Zwängen ja nicht aufzufallen und der olle Deutsche vorneweg, weil die russische Band, diese großartigen Saufnasen, diese herzzerreißende Gassenpolka spielten und ich vermisste die Hamburger Schäbigkeit, dieser leise Geruch von ausgelaufenen Träumen und zusammengefegten Scherben in den dunkelsten Bars und Clubs, wo das Bier schwappen und man selbst überschnappen darf, oh diese Musik… wie großartig ansteckend ist diese Musik! Und die Band spielte noch als die schwedische Sittenwacht den Ausschank zumachte und wir alle auf dem Trockenen saßen und ich sah auf der Straße den dunklen Asphalt beim Heimweg leuchten…
…und Sonntagmorgen, das Briefpapier brennt und glüht in der Sonne und löslicher Bohnenkaffee und Zigarette zum Frühstück, die mir Manon aus Frankreich einfach ohne zu fragen rüberreicht und Musik aus Brasilien aus dem Radio und Diskussionen über Barbeque oder Uferparty am See und zwischendurch der große Aufbruch aller, die nicht aus Stockholm kommen, die nur zu Besuch sind und ansonsten ist Sonntag ein Tag ohne Schatten, nur Sonne, nur gute Laune und morgen ist Montag, das heißt arbeiten und der Gedanke daran lässt mich fast tot umfallen, weil die letzten Tage wie Urlaub waren mit Freunden, die wie Ameisen umherkrabbeln und ich glaube, wenn wir einen Roadtrip machen, kämen wir überall hin mit Musik aus geöffneten Fensterscheiben und der Würfel würde die Richtung an jeder Kreuzung diktieren und Jazz aus dem alten Autoradio und selbst wenn die alte Kiste nur noch 30 Meilen in der Stunde schafft, ist das genug, denn Schweden ist groß und alle haben Zeit und wir würden über Träume sprechen, die wir noch nicht erfüllt lassen haben. Das ist der Sonntagmorgen in der Sonne und Zuhause ist fern und gleichzeitig hier und das Zerteilen der Tage in Stunden macht nur Sinn, wenn man sich danach richten muss und wir müssen heute gar nichts – es ist Sonntag und die Sonne scheint.