Über das Rückkehren...
„Wie lange bist du schon zurückgekehrt?“„Zwei Wochen.“„Und wie fühlst du dich dabei?“„Es geht so.“„Bist du nicht glücklich, wieder hier zu sein?“„Eigentlich nicht. Eigentlich wäre ich lieber dort.“„Das verstehe ich nicht.“
Viele heimgekehrte Freiwillige haben damit zu kämpfen, wieder in ihr Heimatland zurück zu müssen. Manche wünschen sich nichts sehnlicher, als wieder in ihrem Gastland zu leben. Einige betrachten das Ende des Freiwilligendienstes mit gemischten Gefühlen. Andere wiederum sind froh wiedergekehrt zu sein. Wiederum andere gehen gar nicht wieder zurück.
Gerade der Oktober ist eine Zeit, in welcher zahlreiche Freiwillige von ihrem Freiwilligendienst gerade erst frisch zurückgekommen sind. Sicherlich gibt es auch einige, die von Zeit zu Zeit auf youthreporter.eu die Beiträge der Freiwilligen lesen, die nun frisch entsendet in ihrer neuen „Noch-nicht-aber-bald-schon-Heimat“ angekommen sind.
Möglicherweise schwelgen sie nostalgisch in Erinnerungen. Vielleicht beneiden sie aber auch die „EFD-Erstis“, die jetzt noch ein Jahr voller spannender Erfahrungen vor sich haben. Wahrscheinlich freuen sie sich aber auch für sie.
Wiederkehren ist häufig schwieriger, als das Zuhause in Deutschland zu verlassen. Das erwarten allerdings zu anfangs die wenigsten Freiwilligen.
Da dieses Thema tendenziell eher selten schriftlich aufgegriffen wird, kreierte Carolin Diziol, die erste Freiwillige meiner Entsendeorganisation, dem Jugendwerk der AWO Stuttgart, 2012, 9 Jahre nach ihrer Rückkehr das Buch und den gleichnamigen Film „One year after“. Das Buch ist für 5 Euro, das Buch mit DVD für 8 Euro beim Jugendwerk der AWO Stuttgart erhältlich.
Mir fiel die Rückkehr ebenfalls sehr schwer. Natürlich ist es für jeden unterschiedlich, was den einzelnen Personen hilft und was eben nicht. Ich möchte nun einige Maßnahmen beschreiben, die ich ergriff, um mit der Rückkehr besser klar zu kommen. Diese sind größtenteils deckungsgleich mit denen, die im genannten Buch beschrieben werden.
Kontakt zu Freunden und Kollegen im Aufnahmeland
Zahlreiche Telefonate und Mails mit ehemaligen Freiwilligen, Kollegen und Mitbewohnern halfen und helfen mir immer noch, mein Leben im Aufnahmeland ein bisschen in meinem „neuen Leben“ weiterzuleben.
Kontakt zu ehemaligen Freiwilligen
Bereits in der zweiten Woche nach meiner Rückkehr traf ich mich mit drei anderen ehemaligen deutschen Freiwilligen in Frankfurt und blieb noch zwei Nächte bei einer dieser Freiwilligen. Das ganze verband ich dann auch mit meiner Zimmersuche für die Universität. Dieses Treffen war eine gute Gelegenheit sowohl über „die guten alten Zeiten“ zu plauschen als auch sich über Zukunftspläne auszutauschen.
Zukunftspläne machen und umsetzen
Beim Thema Zukunftspläne, da stimme ich den im Buch befragten Freiwilligen absolut zu- es ist wichtig, welche zu haben. Und die sollten einem auch gefallen. Als ich endlich die Zusage für meinen Wunschstudiengang bekam, half mir das schon ein bisschen, als ich dann mal in das Vorlesungsverzeichnis schaute und lauter unglaublich interessant klingende Vorlesungen entdeckte (die interessanter- und merkwürdigerweise teilweise Themen behandelten, über die ich viel mit einem meiner Mitbewohner diskutiert hatte) noch deutlich mehr.
Ich suchte außerdem nach Möglichkeiten, mich weiterhin im Bereich internationaler Freiwilligenarbeit und dem Jugendwerk der AWO zu engagieren.
International aktiv bleiben
Ich nahm an einem Arbeitskreis beim Jugendwerk der AWO teil, was sehr interessant war. Es gibt so viele spannende Projekte. Es war mir zeitlich allerdings nicht möglich daran teilzunehmen.
Außerdem durften wir Teilnehmenden bei der Auswahl des nächsten Freiwilligen des Jugendwerks helfen. Das war sehr spannend. Leider werde ich wohl in der nächsten Zeit kaum Zeit und Gelegenheit mehr haben, mich im Arbeitskreis zu engagieren, da ich nicht sehr nah an Stuttgart wohne und deshalb am Großteil der im Arbeitskreis beschlossenen Projekte nicht teilnehmen können werden.
Ich möchte allerdings die JuLeiCa (Jugendleiter-Card)-Schulung absolvieren, um im Sommer 2015 mit dem Jugendwerk eine internationale Jugendbegegnung zu teamen. Vielleicht kann ich 2016 dann eine Jugendbegegnung mit meiner Aufnahmeorganisation Dynamo International und dem Jugendwerk organisieren.
Ich habe mich nun schon für einen zweitägigen Erste-Hilfe-Kurs, der dafür Voraussetzung ist, angemeldet, der allerdings nicht vom Jugendwerk organisiert ist, sondern in der Nähe von Koblenz stattfindet. Das erste JuLeiCa-Seminar kann ich dann hoffentlich auch noch dieses Jahr absolvieren.
Des Weiteren habe ich mich für das Come-Back-Event angemeldet, ein riesiges Nachtreffen für alle ehemaligen EVS-ler in Berlin. Ich freue mich schon, dort einige Freiwillige wiederzusehen. Mehr Infos dazu gibt es unter: https://www.jugendfuereuropa.de/veranstaltungen/comeback2014/.
Im nächsten oder übernächsten Jahr möchte ich die Europeers-Ausbildung machen. Dort lernt man, wie man den Europäischen Freiwilligendienst professionell präsentiert und wird in eine Datenbank aufgenommen. Danach kann der Europeer sowohl auf Anfragen von Organisationen, Schulen oder Universitäten reagieren oder an selbstgewählten Orten den Europäischen Freiwilligendienst vorstellen. Mehr Infos dazu: https://www.europeers.de/.
Ich möchte an meiner ehemaligen Schule eine Informationsveranstaltung durchzuführen. Ich plane meine Italienischkenntnisse gerne mit einem Tandempartner weiter vertiefen, sowie ein Auslandssemester- und Praktika zu machen.
Am Rückkehrseminar teilnehmen
Das Jugendwerk der AWO organisierte ein dreitägiges Rückkehrseminar, an welchem die Freiwilligen sich mit anderen Freiwilligen über ihre Erfahrungen und Emotionen austauschen, ihren Dienst und ihre Zukunft reflektieren und einfach Spaß haben konnten. Mir hat es sehr geholfen zu merken, dass ich nicht die einzige bin, der die Rückkehr sehr schwer fällt und die ein bisschen in der Luft hängt.
Ich empfehle die Teilnahme absolut, weil man so ganz viele Menschen auf einem Haufen trifft, die in der gleichen Situation sind- welche sowohl das Gefühl des Fremd-Seins als auch des sich Nicht-Verstanden-Fühlens durchleben.
Besuch aus dem Gastland
Zweieinhalb Wochen nach meiner Rückkehr besuchte mich einer meiner ehemaligen Mitbewohner in Deutschland. Ich zeigte ihm meine Heimat und konnte diese so auch mit anderen Augen betrachten. Außerdem tat es gut, mal wieder mit jemand aus dem „gewohnten Umfeld“ reden zu können.
Besuch im Gastland
Etwa einen Monat nach meiner Rückkehr fuhr ich für eine Woche wieder nach Brüssel. Ich schlief in meiner ehemaligen WG, besuchte meine beiden Projekte, ging in meine Improvisationstheatergruppe und traf mich mit zwei ehemaligen Freiwilligen, die in Brüssel geblieben waren.
Dabei erlebte ich einige wunderschöne und verrückte Dinge, wie mit unserem WG-Maskottchen, einem riesigen Stoffpanter namens Bavari durch das Hochhaus meines ehemaligen Projekts laufen und bei allen Kindern zu klingeln, die ich gut kannte um ihnen „Hallo“ zu sagen und ihnen noch etwas von meinem Geburtstagskuchen zu geben oder auch eine vom-Dach-auf-Matratzen-Spring-Aktion in meiner WG.
In den ersten Tagen war es etwas schwerer für mich, weil mir deutlich bewusst wurde, dass ich nicht mehr dort wohnte, wo ich ein Jahr lang gelebt hatte. Ich lief sogar einmal fälschlicherweise in mein altes Zimmer hinein. Danach wurde mir allerdings klar, dass solange ich noch Mitbewohner kenne, die dort wohnen, ich immer willkommen bin. Meine Kollegin überreichte mir ein kleines Büchlein mit einem Sammelsurium von Bildern der Kinder für mich, das sie mir eigentlich noch hatte schicken wollen. Mir tat es sehr gut, noch einmal zurückzukehren, so konnte ich richtig Abschied nehmen.
Ich hatte Belgien gegen Ende der belgischen Sommerferien verlassen und als ich dann tatsächlich gehen musste, waren ein Großteil der Kinder und Bewohner bereits im Urlaub und ich verabschiedete mich von ihnen, indem ich ihnen kleine Zettel schrieb und sie zusammen mit einem Bonbon in ihre Briefkästen warf.
Als sich dann drei der Bewohner herzlich dafür bedankten und erzählten, sie hätten sie aufgehoben, wurde mir noch einmal klar, dass ich nicht, weil ich gehen musste, einfach ausgelöscht bin. Ich existiere noch für sie, wie sie auch für mich, als positive Erinnerung.
Musik
So wie auch die von Caro befragten Freiwilligen komme ich zu dem Schluss, dass Musik sehr hilfreich ist. Ich höre Musik, die wir in der WG gehört haben, bei der Jugendbegegnung, bei der Weihnachtsfeier, auf den Seminaren, beim Feiern mit den Freiwilligen oder auch von belgischen Künstlern. Es macht mich traurig und glücklich zu gleich, Lieder aus meiner Zeit als EFD-ler zu hören.
Schreiben des Youthpass
Den Youthpass schreiben zu müssen, ist definitiv nicht hilfreich für mich. Meiner Ansicht nach, ist es sehr schwer, die gelernten Kompetenzen ist die 8 geforderten Kategorien zu verpacken. Beispielsweise steht im EFD-Info-Kit, einem Informationsheft, welches man vor Beginn des Dienstes zugeschickt bekommt, bei der Kategorie „Mathematische Kompetenz und grundlegende naturwissenschaftliche Kompetenz“ sollte man auch notieren, welche Fähigkeiten und Bereitschaften man habe, Wissen für die Erklärung naturwissenschaftlicher Fragen heranzuziehen und beweisorientierte Rückschlüsse zu ziehen. Diese Kompetenz habe ich leider nicht erworben.
Meiner Ansicht nach wäre es möglicherweise zunächst schwieriger, aber sinnvoller, wenn die Freiwilligen in einem Fließtext zusammenfassen müssten, welche Fähigkeiten sie erworben haben, die auch für ihr weiteres (Berufs)leben nützlich sein könnten.
Ich weiß, dass es zu viel verlangt wäre, nach eineinhalb Monaten wieder vollständig anzukommen, vor allem, da ich ja jetzt auch vor einem kompletten Neuanfang stehe. Ich denke aber, dass es sehr wichtig ist, sich mit seinem Freiwilligendienst und seinen Erfahrungen auseinanderzusetzen- alleine, aber auch vor allem mit anderen. Es tut immer wieder gut, zu hören, sehen oder lesen, dass man nicht die einzige „unnormale“ Person ist, die oft lieber im Aufnahmeland wäre als in ihrem Heimatland.
Eine heimatlose Person? Oder eine Person mit zwei Heimatländern?
So widme ich diesen Beitrag allen Heimgekehrten und noch Heimkehrenden, ob sie nun wirklich mit der Reintegration kämpfen müssen oder einfach nur ein bisschen in Erinnerungen schwelgen. Ob ich die Entscheidung für meinen EFD trotz der schmerzhaften und schwierigen Phase der Rückkehr bereue?
Sicherlich nicht! Und ich bin mir sicher, dass es zahlreichen Ehemaligen auch so geht. Schließlich sind wir doch- ob zukünftig, aktiv oder ehemalig alle Teil einer großen internationalen Patchwork-Familie, die eine einzigartige Zeit verbringen werden, verbringen oder verbrachten, die wir nie wieder vergessen werden.
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