So schnell vergeht die Zeit, Habibi
Nun ist ja schon über die Hälfte meiner Zeit in Jordanien vorbei, und es wird Zeit für eine Zusammenfassung, um meine eigenen Gedanken und Gefühle zu sortieren!
Ich kann es kaum fassen! 6 Monate bin ich schon hier! Und wie ist es gelaufen?
Generell fühle ich mich gut integriert, da ich mich mittlerweile in der Stadt gut auskenne (und die hat immerhin 4 Millionen Einwohner!), die Menschen, ihre Art und ihr Sein verstehe und ganz viele wunderbare Menschen kennengelernt habe! Taxis zu finden ist Normalität geworden und auch die sogenannten Services (Sammeltaxis) zu nehmen, fällt mir mittlerweile total leicht, genauso wie die Busse, deren System hier einfach etwas anders ist, als ich es von Zuhause gewohnt bin. Ich weiss, wie ich verständlich machen kann, was ich kaufen will, selbst wenn mir das richtige Vokabular fehlt, und wie ich mit den Leuten umgehen muss, ohne unnötig aufzufallen. Das ist nämlich eine der Sachen, die mich am Meisten stört: dass ich immer und überall auffalle.
Leider kann ich daran nichts ändern, da mein Erscheinungsbild hier einfach ein seltener Anblick ist. Allerdings kann ich versuchen, mich so ‘local’ wie nur möglich zu verhalten, deshalb schaue ich mir gerne Verhaltensmuster von meinen einheimischen Freundinnen ab, was auch ganz gut klappt, und jedes Mal wenn etwas gut läuft oder ich mich in traditionelleren Stadtviertel aufhalte und es dabei erfolgreich versuche, mich einzugliedern, bin ich ganz stolz auf mich! Genauso, wie wenn ich mich auf Arabisch ausdrücken kann oder es schaffe, eine ganze (wohlbemerkt einfache) Konversation auf Arabisch zu führen! Trotzdem bin ich nicht zu 100% zufrieden mit meinen Sprachkenntnissen. Das liegt vor allem daran, dass die meisten Ausländer, die ich hier kenne, die Arabische Sprache weitaus besser beherrschen. Fairerweise muss ich dazu sagen, dass die alle zum Studieren der Sprache hier sind und größtenteils auch in Gastfamilien leben und somit einfach bessere Voraussetzungen haben! Das ändert aber nichts daran, dass ich mein persönliches Ziel noch nicht erreicht habe, welches ist, flüssig lesen zu können, und ein weiteres Vokabular, sodass ich etwas anspruchsvollere Gespräche führen kann!
Dafür habe ich aber einen Sprachaustausch-Partner gefunden, und das klappt wirklich super! Die meisten meiner Kenntnisse habe ich dadurch erlangt und es macht mir viel Spaß! Durch diesen Austausch bin ich auch motiviert und zuversichtlich, dass ich meine Ziele noch erreichen werde! :)
Die Kultur des Landes an sich gefällt mir so gut, dass sich daraus ganz neue Zukunftsperspektiven gebildet haben! Ich werde, wenn alles gut läuft, im Herbst in Münster anfangen, Arabistik und Islamwissenschaften zu studieren! Das ist besonders deswegen toll, weil ich so lange nicht wusste, was genau ich studieren soll, und nun in meinem zweiten ‘Gap-year’ genau das erreicht habe, was ich wollte: herauszufinden, was mich wirklich interessiert und fesselt!
Insgesamt gibt es momentan nur wenig Dinge, die mich wirklich stören, und zwei hängen auch in gewisser Weise zusammen:
Das ist einerseits meine Wohnsituation, da ich nun seit drei Monaten alleine wohne, was in einem anderen Land während einer eigentlich so austauschreichen Erfahrung wie einem Freiwilligendienst einfach nicht schön ist. Ich fühle mich dadurch teilweise etwas isoliert und allein gelassen. Dennoch habe ich so unglaublich viele liebe Menschen kennengelernt, dass ich die meiste Zeit trotzdem beschäftigt bin! Gemeinsames Kochen, zur Arbeit gehen, sich abends zu unterhalten etc. wäre trotzdem schöner.
Allerdings ist es auch nun einmal der Fall, dass meine Organisation dieses Jahr eben nur eine Freiwillige gefunden hat, und damit muss ich mich abfinden. Und diese Woche hatten wir auch endlich, endlich ein paar Interessenten, die sich die Wohnung angeschaut haben und hoffentlich einziehen werden!
Die zweite Sache ist öffentliche Belästigung, und das ist gerade in letzter Zeit (es ist warm, die Leute kommen mehr raus) deutlich mehr geworden. Ich kann nahezu nirgendwo mehr hingehen, ohne mir blöde Kommentare anhören zu müssen (gerade weil ich alleine in einem Viertel wohne, indem sonst kaum Ausländer leben), und das geht mir wirklich nahe! Allerdings gibt genau das mir auch die Motivation, für die Freiheit, Rechte und Situation der Frauen in Entwicklungsländern zu kämpfen! Ich möchte später eh im Bereich Menschenrechte arbeiten (mein Zweitfach neben Arabistik & Islamwissenschaften wird Politikwissenschaften sein!), und das ist noch ein Grund mehr! Somit kann ich auch darin durchaus etwas Gutes für die Zukunft sehen! Außerdem habe ich auch gelernt, auf diese Sprüche zu reagieren, und meistens ist es den erst so coolen Jungs dann auch relativ unangenehm ;) Was wiederum gut für mein Selbstbewusstsein ist.
Freizeitmäßig bin ich gut ausgestattet, trotz des beschränkten Budgets habe ich tolle Aktivitäten für mich entdeckt! Da sind einerseits die wirklich besonderen Dinge, wie Wochenendausflüge in alte Städte, Fahrradtouren, Wanderungen, und so weiter, andererseits die schönen Kleinigkeiten des Alltags, wie das durch die Stadt streifen mit Freunden, Flohmärkte, die lebendigen Viertel Ammans (zu jeder Tages- und Nachtzeit), das schöne Wetter genießen und kulturelle Veranstaltungen zu besuchen! Am liebsten mache ich diese Dinge übrigens mit meinen einheimischen Freunden, weil es so schön ist, sich als ein Teil der Gesellschaft zu fühlen! Ich wurde auch ein paar mal von einheimischen Familien (zum Beispiel von der meines Sprachpartners) zum Essen eingeladen, und in diesen Momenten bin ich einfach nur glücklich, hier zu sein, und die Gastfreundschaft und Herzlichkeit der Araber erfahren zu dürfen!
Als Vegetarierin sind Einladungen oder einfach gemeinsames Essen hier zwar manchmal schwierig, aber auch daran gewöhnt man sich!
In meiner Organisation, in der ich jetzt hauptsächlich für die Website For9a arbeite, fühle ich mich sehr wohl, und bin darüber glücklich, richtige Aufgaben und Verantwortungen zu haben, aus denen ich lernen und wachsen kann! Ich mache die Recherche für die Inhalte, die wir veröffentlichen, lese Korrektur, halte die Website instand und hatte sogar eine komplette Woche lang die ganze Verantwortung für den Inhalt unserer Website, da unsere Content-Managerin Urlaub hatte. Ich kann mich dort beweisen und das ist sehr schön! Schwer finde ich nur, dass wirklich alles im Büro, im Sitzen, vor dem Computer stattfindet, und das 8 Stunden am Tag! Ich bin einfach ein aktiver Mensch, mag Bewegung und Kontakt mit vielen Menschen, den ich während der Arbeit kaum habe. Wir haben eben keine richtigen “Klienten” normalerweise. Manchmal vermisse ich hier meinen Kellnerjob aus Deutschland :D Allerdings habe ich angefangen, jeden Abend mein Workout zuhause zu machen, was einen schöneren Ausgleich zum Sitzen herstellt! Dennoch wünschte ich manchmal, es gäbe mehr Abwechslung in der Einsatzstelle. Wir führen zwar seit kurzem einen sogenannten Co-Working Space, trotzdem ändert das nicht wirklich etwas an der Arbeit. Für mich persönlich wäre es wirklich schön, einen zweiten ‘Job’ in einem Cafe etc. zu haben, ich würde das sogar unvergütet machen! Einfach um mehr körperliche Bewegung in meinen Alltag zu bringen, ohne groß Geld dafür ausgeben zu müssen.
Für die noch verbleibenden vier Monate ist mir am Wichtigsten, die genannten Ziele für mein Arabisch zu erreichen, die Ecken Jordaniens zu sehen, in denen ich noch nicht war (nächste Woche kommt mich meine Familie besuchen und wir werden eine Rundreise machen!), viel Traditionelles kennenzulernen, einen Weg zu finden, mehr sportlichen Ausgleich für meinen Alltag zu haben, meine Freundschaften zu vertiefen und auf viele Events mit klassischer, arabischer Musik zu gehen! Ich habe allerdings keine Zweifel, diese Erwartungen zu erfüllen, da jetzt, da es Sommer wird, (noch) viel viel mehr passiert, als in den Wintermonaten. Es wird deutlich, eines meiner Hauptziele ist, ein Teil der Arabischen Kultur zu werden und so viel wie möglich darüber zu erfahren, da es mir einfach so gefällt! Schön wäre auch noch ein Trip nach Palästina, vor allem Bethlehem und Jerusalem, aber das ist finanziell noch nicht absehbar!
Fazit: Ich liebe Jordanien und die Arabische Sprache und Kultur und moechte soviel wie moeglich darin integriert sein! Mein EFD hat mir schon nach nur 6 Monaten quasi gezeigt, was ich mit meinem Leben anstellen will! Es gibt immer ein paar Problemchen, aber insgesamt war ich noch nie ueber eine Entscheidung, die ich getroffen habe, so gluecklich.