Reisegruppe Planlos in Kumasi
Auch wenn euch, liebe weitere Weltbevölkerung, die Informationen spärlich erreichen, da ich meinen Schreibwahn irgendwo mit meiner Grammatik verloren tue gehabt habe, so ist es doch Zeit für Urlaub! Also lehnt euch zurück, stellt das Kokoswasser kalt und gönnt eurem Gehirn einen kurzen Freiflug, bevor die Landung auf der Huckelpiste meiner stümperhaften Schilderungen euch in MEINE Realität einlädt. Ein Update:
Ich muss etwas gerade rücken. Ja tatsächlich, das Regal in meiner Bude kann sich nicht meiner Aufmerksamkeit entziehen, aber auch im Gedankenkarussell, muss mal wieder etwas auf festen Boden gestellt werden. In einem der letzten Kapitelauszüge aus Thomas Wunderlektüre wurde das Bild projektiert, ich wäre äußerst tief in einer Art kreativen Schaffensprozesses gefangen. Das – naja – ist sicherlich auch irgendwie der Fall. Auch wahr ist allerdings, dass ich natürlich nebenbei noch mit allen Sinnen Ghana genieße. Und gerade weil ich weder im körperlichen, noch im geistigen Sinne eine Arbeitsmaschine bin (siehe mein Lauch-Dasein, Mittagspausen und humoristische Spasmen am Arbeitsplatz), habe ich mir nach dem ersten Stress, einen kleinen Ausflug ins Blaue gegönnt. Ja, im Radio herrscht nach wie vor die Betriebsamkeit eines Ameisenhaufens und Ameisen begegnen mir schon in meiner Bude genug, also hab ich meine sieben Sachen in meine sechs Arme genommen und habe mich mit den Fühlern in die Freiheit getastet.
Alles natürlich vorher mit der Königin (dem Boss) abgesprochen. Nebenbei hab ich noch 50% der Belegschaft als Unterstützereinheit abgefordert und so machten sich schließlich 5 deutsche Freiwillige und 2 lokale Kumpels mit samt Kind, Kegel, Proviant und Zahnbürste (eigentlich nur letzteres) auf den Pfad ins große Unbekannte und raus aus der Metropole Accra. Ziel: Metropole Kumasi. Ja man mag über den Erholungsfaktor von Städte-Tourismus streiten, allerdings machte Reisegruppe Planlos ihrem Namen alle Ehre und hatte nicht in japanischer Manier einen durchgeplanten Tagesablauf vom Frühshoppen in jener Mall über 3½ Museumsführungen bis hin zur weiterführenden Busreise. Nein, im Gegenteil. Auch das Ipad war nicht im Anschlag, sollte sich irgendetwas am Umfeld in der nächsten Millisekunde ändern. An der Stelle sei aber jedes Klischee frei erfunden und darauf hingewiesen, dass dies nicht auf jeden Japaner/in zutrifft und auch Japaner sehr nette Menschen sind. Wir hatten lediglich keine große Investition in die Planung gesteckt und die Zeit lieber in anderen sinnfreien Schabernack (Wäsche, Hausputz) investiert. Naja gut, mit einem Auge hatte ich auch mal ein kurzes Stündchen in den Reiseführer geschielt. Da unsere beiden Begleiter aber 2 Ur-Kumasier waren, sollte sich die Stadterkundung weniger als Problem als viel mehr als große Freude herausstellen.
Nach einer nächtlichen Busfahrt, deren friedlicher Charakter durch angenehm übersteuert laute, ghanaische Fernsehserien und unzählige Bremsschwellen unterstrichen wurde, kamen wir völlig -ja ähm- sortiert in unserem Quartier an, dem Familienhaus eines unserer Kumpels. Dort wurden wir mehr als überschwänglich begrüßt und die Gastfreundschaft ließ es nicht zu, unsere Augenringe zu zählen und die Diskussionskette ob 4 Uhr nun morgens oder nachts sei, zu Ende zu führen. Nein, es war Zeit für Tee und frisches Rührei (im Nachhinein die beste Idee einer Gastmutter soweit)!
*Kleine Randnotiz aus „Thomas tollem Tour-Theorie-Teil“: Viele Ghanaer verfolgen die traditionelle, britisch abgewandelte Teezeremonie, wobei Tee in den vielen Fällen eigentlich den Namen Kakao tragen sollte, besteht er doch aus Kakaopulver, Wasser und Kondensmilch… Hallooo Tee?!
Als wir schließlich die oben genannte, zeitliche Definitionsfrage für uns ausdiskutieren konnten, hatten alle in ihren Betten schon selbstständige Entscheidungen getroffen. Ja es waren enge Räumlichkeiten. Doch für uns 7 Reisende überhaupt das Familienhaus + Gastmutter und -Brüder zur Verfügung zu stellen, war nach kurzer Abtastphase mehr als eine Bereicherung. So integrierten wir uns auch dort gleich im Umfeld, freundeten uns mit den Nachbarskindern an, und kauften die Frucht-Bon-Bons im nächstgelegenen Kiosk leer.
Die nächsten Tage waren gefüllt von urlaubsoptimiertem Schlafrhythmus, ein bis zwei Sehenswürdigkeiten am Tag und gemeinsamen Bar-Ausflügen am Abend. Nicht zu kurz kam dabei die Entspannung, da wir, was die jeweiligen Pläne anging, immer sehr spontan waren und nicht zögerten sinnvolle Pausen unter Bäumen einzulegen
*Randnotiz aus „Thomas tollem Tour-Theorie-Teil“: Ich habe endlich entdeckt, was mir an meiner Heimat James Town fehlt. Das Grüne!!! Ja Kumasi ist eine deutlich grünere Stadt und man muss schon eine ausgeprägt Dendrophobie besitzen um diesen Reichtum nicht auszukosten. Was den Artenreichtum betrifft, so wenden sie sich bitte an ihren örtlichen botanischen Garten um mehr zu erfahren, ich beschränke mich im weiteren Verlauf auf die Begriffe Baum, Gewächs/Pflanze, Tier.
Reichtum genossen wir allerdings auch sehr was unsere Verpflegung anging, da unsere Gastmutter täglich 2-3 Ma(h)l für uns frisch kochte und somit glückliche Gesichter und Bäuche zurückließ. Denn ja selbstgemacht ist am besten, von Mutti ist noch besser, und da wir unsere Gastgeberin eh alle schon mit „Ma“ ins Herz geschlossen hatten, ließ auch das diesen Rückschluss auf den kulinarischen Genuss zu. Ich kann also sagen, das beste Banku, den besten Reis, die beste Soup habe ich in Kumasi genossen. Dieses Riesengeschenk konnten unsere kleinen Gastpräsente sicher nicht aufwiegen, aber ich hoffe wir konnten „Ma“ unsere Dankbarkeit spüren lassen.
Selbst als wir einen Tag unserer Reise nur sinnsuchend in der kleinen, dunklen Wohnung verbrachten und die Stunden totschlugen, litt darunter nie das Gemeinschafts- und Urlaubsgefühl! Wir hatten unsere jeweiligen streitbaren Persönlichkeiten zu einer duften Reisegruppe geformt. Es waren also auch gruppenbildende Exerzitien! Ein besonderes Highlight stellte für mich das gemeinsame Feiern mit unserer Gastmutter dar. Diese hatte sich, völlig zu Recht, über das einseitige Aufmerksamkeitsverhältnis zu uns beklagt (Essen <-> Dankbarkeit). Generell erscheint es hier nicht abwegig mit seinen Eltern richtig feiern zu gehen. Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern scheint generell ein herzlicheres zu sein. Aber "generell" ist immer eine dumme Feststellung, also nehmt diese Aussage bitte nicht als gesetzt, liebe Sklaven der Lügenpresse. Wir fuhren also, nachdem der hausgemachte Schnaps (Akpeteshie) angetestet worden war mit dem Taxi zu einem riesigen Outdoor-Pub, in dem eine geniale Reggae-Band mit Background-Tänzern ordentlich einheizte und auch zeitgemäße Songs (natürlich die lokalen Hits) in ein steiles Cover-Gewand kleidete. Das zunächst befremdliche Gefühl unserer alterstechnisch gemischten Gruppe verlor sich schnell zwischen Biergenuss & Rhythmen und es war allgemein Erheiterung zu spüren (nein, nicht durch Messen der Fahne). Auch mit Ma wurde getanzt und als diese noch offenbarte selbst gemachte Spießchen mitgebracht zu haben, verlor sich manch einer der Anwesenden in Ekstase (hoffentlich hat es keiner gemerkt!!). Am Ende des Abends zählten aber nicht die Details, sondern das Gesamtgefühl und das war ausgelassen (URLAUBSMODUS).
*Randnotiz aus „Thomas tollem Tour-Theorie-Teil“: Kapitalismus to de fullest: Der ganze Pub, inklusive Band war von der Schnaps-Marke „Adonko Bitters“ gesponsert. Das seltsame Gefühl, dass die tolle Band „Adonko Bitters Live Band“ hieß, wurde bald durch eingespielte Werbeclips und das dauerhafte Präsentieren des angepriesenen Rausch-Objektes unterstrichen. Was sich im ersten Moment urkomisch anfühlte, war zwar tatsächlich Marketing mit ganz großem Kino, dessen Qualität aber dennoch zum Genießen einlud. Die „ADONKO BITTERS!“-rufende Stimme aus dem Off hat sich zudem längst bei uns als Running-Gag eingestellt. Was soll man sagen: Werbekampagne mit Erfolg?
Wir haben in den vielen Tagen Bäume und Parks umarmt, Menschenmassen auf Westafrikas 2.-größtem Markt durchschritten, traditionelle Paläste besichtigt, kulinarische Oberklasse genossen, Eidechsen gezählt und vor allem die Zeit außer Acht gelassen. Ein Urlaub, der es ganz sicher wert war. Doch außer der Grünheit (unserer Selbst und der Natur) kann ich nicht so genau sagen, was der große Unterschied zwischen meiner Heimatstadt Accra und dieser zweiten Metropole war. Irgendwie hab ich mich dort wohler gefühlt. Dies ist aber sicher den familiären Urlaubszuständen geschuldet.
Warum ich euch das alles berichte? Nun ja, selbst schuld wenn ihr mir zuhört und jetzt anfangt vom Thüringer Wald zu träumen. Ok, das war denitiv ein unzulässlicher Vergleich. Ich wollte aber mit dieser kleinen Erzählung lediglich aufzeigen, dass meine Entdeckerlust auch neben den Radioprogrammen geweckt ist, Inspektor Sniff auf Ghana-Tour quasi, denn der nächste Streich ist bereits in Planung. Im Großen und Ganzen dient so ein Blog ja auch eher einer Statusmeldung, als der wagemutigen Verknüpfung glänzenden Literatenschweißes mit der großen weltgeschichtlichen Geschehenslage und deren Wirkungskomplexen. Die Resolution aus dieser Feststellung ist keineswegs ein gut gehütetes Geheimnis, sondern viel mehr das Statement: Mir geht’s juuuuut!
Und mit dieser schockierenden Enthüllung zurück ins Funkhaus. Seid mir alle gegrüßt und gönnt euch Urlaub, wenn auch nur fürs Gehirn, aber er lohnt in allen Formen, Facetten und Flüssigkeiten.
ThomasKojo
PS: Der große Ansturm auf unser Studio ist aber übrigens ausgeblieben. Ein paar Tränen hat mein Hello-Kitty-Taschentuch da schon aushalten müssen. Im Großen und Ganzen bin ich aber froh, da wir jetzt weiter das Programm institutionalisieren können, uns nebenbei im Studio austoben und einfach unsere Kreativität in nen Stift saugen und aufs Papier klatschen! Wichtige Erkenntnis. Das Interesse der Leute nimmt trotzdem nicht ab, nur die letzte Distanz müssen wir ihnen noch nehmen. Man wird uns also immer öfter durch die Community rennen sehen. Das Leben findet ja schließlich nur in Sonderfällen völlig hinter geschlossenen Studiotüren statt. Ein Ruf aus der Weite…
„Adonko Bitters!“
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