Neues aus der Arktis
Jetzt ist er schon rum- der erste Monat in Rumänien und es gefällt mir immer besser
Nu vorbesc romaneste" - das ist er: Der Satz, den ich im Schlaf beherrsche - Ich spreche kein rumänisch. Doch der Reihe nach: Nach mehrmaligem freundlichem Nachfragen meiner Eltern komme ich jetzt endlich dazu meinen zweiten Blogeintrag zu verfassen. Mitterweile bin ich schon 5 Wochen in diesem tollen Land, aber es kommt mir vor als lebe ich hier schon eine Ewigkeit. Im Vergleich zum ersten Blogeintrag hat sich gerade im Hinblick auf das Projekt auch einiges getan. In der Kindergartenhierarchie bin ich mittlerweile deutlich aufgestiegen. Nun darf ich schon Betten beziehen und alle Stifte spitzen ( wenn ich schon daran denke bekomme ich wieder Blasen an den Händen- wer kauft denn bitte 8000 Stifte für 20 Kinder ?!). Gerade letztgenanntes ist aber deutlich komplexer als man vermuten mag: Währenddessen lieben es nämlich die Kinder mir auf die Schulter zu tippen und sich anschließend unter meinem Blick wegzuducken. Das war wirklich witzig die ersten 5 Minuten. Die Kinder hatten auch aber nach 1 Stunde noch Spaß daran, weshalb nicht nur meine Hände voller Blasen waren, sondern auch mein Hals verrenkt. Ganz so schlimm wie ich das jetzt hier darstelle ist es denn aber natürlich nicht- sie sind einfach viel zu süß, um ihnen meine Teilnahme an diesem "Spiel" zu verweigern. Des weiteren ist es immer wieder eine Herausforderung alle Kinder am Leben zu halten, denn sobald die Betreuerin den Raum verlässt, beginnt ein Spiel um Leben und Tod und ich habe alle Hände voll zu tun dafür zu sorgen, dass Monika bei Wiederankunft noch alle Kinder lebend antrifft- bisher bin ich da aber erfolgreich. Der oben genannte Satz zeigt bei den Kindern übrigens keine Wirkung- sie sprechen eher noch mehr rumänisch mit mir.
Seit 3 Wochen unterrichte ich jetzt auch 2 Schulen: einer Highschool in Baia Mare und einer Grundschule in einer ländlichen Gegend (den Namen des Dorfes kann ich weder schreiben geschweige denn aussprechen). An der Highschool unterrichte ich deutsch und englisch und soll vor allem sogenannte "conversation classes" machen, also Diskussionen zu ausgewählten Themen führen, die die Schüler sich ausdenken. Die letzten beiden Themen waren deutsches Essen und Schwulenrechte- liegt ja auch sehr nah beieinander. Leider versucht die Direktorin zusätzliche Abwechslung in den Schultag einzubringen, denn der Stundenplan ändert sich noch wöchentlich, weshalb ich mich schon gefühlt der ganzen Schule vorgestellt habe, da ich auf Grund der Stundenplanänderungen immer in neue Klassen komme- das soll sich aber bald ändern... Trotzdem sind die Standards, was den Unterricht betrifft, sehr hoch und stehen den deutsches Schulen in nichts nach. Das Niveau in der ländlichen Gegend ist da dann schon ganz anders. Viele Kinder sind nicht immer in der Schule, da sie ihren Eltern bei der Arbeit helfen müssen. Die Schulbücher lassen auch noch auf sich warten und trotzdem machen die Lehrer das beste daraus. Was mich aber vor allem beeindruckt hat ist, dass alle Englischlehrer ein perfektes Englisch sprechen ohne erkennbaren Akzent, was ja nicht selbstverständlich ist.
Letze Woche verließ ich auch zum ersten Mal Baia Mare für ein 5-tägiges Vorbereitungsseminar in Predeal, ein etwas südlich gelegens Dorf in den Bergen. Die Zugfahrt dauerte ganze 12 Stunden und ich wurde den Verdacht nicht los, dass der Zugführer versuchte die Strecke in einer neuen Maximalzeit zu befahren- was er auch herrvoragend erreichte ( ich meine die Reise aus Deutschland nach Baia Mare hat 11 Stunden gedauert ?!). Nach 8 Stunden dachte ich, dass wir doch mittlerweile jeden Quadratzentimeter abgefahren haben müssten, aber auch diese Zugfahrt ging einmal zuende. Das Seminar selbst war in einem tollen Hotel, wo ich mir ein Zimmer mit einem Spanier und 2 Tunesiern aus meinem Projekt teilte. Wir hatten als einziges Zimmer ein großes Wohnzimmer und Jakouzi im Bad- was uns die Verachtung einiger anderer Teilnehmer einbrachte. Das Seminar selbst war dazu da, uns auf die nächsten Monate vorzubereiten. Nicht alle dieser Aktivitäten fand ich wirklich sinnvoll aber alles in allem war es für die meisten Teilnehmer recht hilfreich. Die kulinarische Vielfalt von Hühnchen mit Kartoffeln bis hin zu Hühnchen mit Kartoffeln war zum Glück vorher bekannt, aber selbst ich als Hühnchenfanatiker brauche erst mal eine Pause. Am letzten Tag wurden wir dann aber alle von der logistischen Leistungsfähigkeit des Hotels überrascht. Für 72 abreisende Freiwillige 1 Person abzustellen, die für Check-Out und Zimmerkontrolle zuständig ist, ist schon ... mutig. Aber vielleicht kam diese plötzliche Abreise aller Freiwilligen ja auch überraschend. Ein weiterer positiver Aspekt des Seminars ist auf jeden Fall, dass man Freiwillige aus ganz Rumänien kennengelernt hat, die einen jetzt beherben können, falls man deren Stadt besucht und so auf jeden Fall schon mal Hotelkosten spart. Nach unserem Predealaufenthalt besuchte ich mit 3 anderen Freiwilligen die Stadt Brasov über das Wochenende. Die Stadt ist doch sehr anders im Vergleich zu Baia Mare, gerade im Hinblick auf touristische Attraktionen: So besuchten wir 2 Kirchen, 2 Aussichtstürme und 3 Schlösser (Ich mutiere da immer mehr zu meinen Eltern.. meine Kinder werden später auch so leiden müssen wie ich). Gerade das Dracula-Castle hat uns aber alle enttäuscht. Ziemlich klein und kaum Ausstellungsgegenstände- der Höhepunkt war ein Raum mit einer leeren Vitrine (vielleicht habe ich auch dessen Tiefsinnigkeit nicht erfassen können). Danach ging es mit dem Nachtzug nach Baia Mare- leider hat der Erbauer dieser Betten entweder einen Hass auf große Menschen oder geht wirklich davon aus, dass das menschliche Wesen eine Maximalgröße von 1,30 m erreichen kann aber zum Glück besitze ich die Fähigkeit immer und überall schlafen zu können.
Das Wetter hat sich in den letzten 4 Wochen auch ziemlich gewandelt und die Winterklamotten sind im Einsatz. Für die Rumänen ist das Wetter aber immer noch "beautiful", was mir schon etwas Angst macht. Mein Fahrrad ist übrigens repariert, denn mein Zimmer glich für kurze Zeit einer Fahrradwerkstatt, da nicht nur mein Fahrrad hier stand, sondern auch das einer Freundin, da es auf dem Weg hierher kaputt ging. In unserer Wohnung bleibt alles beim alten: Wir verstehen uns nach wie vor sehr gut und ich verstehe immer noch kein französich. Was mich hier vor allem erschreckt ist aber das Bild der Deutschen aus anderen Ländern: kalt und emotionslos. Mir wurde während dem Seminar gleich 4 mal gesagt, dass ich ja so nett sei, dass ich unmöglich aus Deutschland kommen könne. So ist der Freiwilligendienst auf jeden Fall dazu gut, um solche Klischees etwas aufzuweichen.
Die Freundlichkeit der Rumänen ist übrigens bemerkenswert. Über das Wochenende wurde ich mit anderen Freiwilligen in das Dorf einer Mitarbeiterin der Organisation eingeladen und wurden von deren Familie wie Könige behandelt. Wir wurden in Wochenrationen bekocht, konnten Kutsche fahren und wurden in einer Schnapsfabrik mit Gratisschnaps überhäuft. Im Bus wurde ich auch schon ohne Nachfrage darauf angesprochen ob ich Hilfe bräuchte, da ich ja nicht aus Rumänien stamme. Vergleicht man das mit Deutschland, dann sind die Deutschen vielleicht doch irgendwie kalt. Meine Sprachfortschritte sind übrigens winzig und alle die mir vorher gesagt haben es wird einfach durch meine Spanisch- und Lateinkenntnisse haben mich wirklich belogen. Das war es soweit wieder mit den Neuigkeiten aus Osteuropa bzw. der Arktis.
PS: Ich würde wirklich gerne Bilder hinzufügen, aber leider liegt das Verbindungskabel zwischen Kamera und Laptop in einem Kellerzimmer in Gemmingen. Aber ich behaupte jetzt mal ganz selbstsicher, dass es sowieso nicht mehr in den Koffer gepasst hätte. Auch mein Titelbild hier würde ich gerne ändern, aber bisher ist jedes Bild anscheinend zu groß, aber ich versuche weiter alles, um ein etwas passenderes Bild zu verwenden.
PPS: Der mysteriöse 5. Mitbewohner wird wohl nie einziehen.