Lebenszeichen
Amselle lebt sich langsam aber sicher in den spanischen Alltag ein und unternimmt täglich Streifzüge durch Madrid. Doch ihre Zeit als Gast bei Carlos neigt sich dem Ende zu und in wenigen Tagen fängt der Ernst des Freiwilligenlebens an.
Mir geht´s hier immer noch gut und so langsam merke ich auch, dass ich mich an mein neues Umfeld gewöhne. Ich schlafe zum Beispiel nicht mehr bis um 12.00 Uhr morgens und mache dann zusätzlich noch eine Siesta. Ich kann auch wieder mehr essen. Nur das stundenlange Metrofahren ist noch etwas gewöhnungsbedürftig. Obwohl – eigentlich nicht, es macht ja Spaß, die vielen, vielen Leute, die sich in der Metro tummeln, zu beobachten.
Da wird einem wirklich mal bewusst, wie groß die Welt in Allgemeinen und Madrid im Speziellen ist. Ich frage mich dann, wieviel Wasser die alle wohl morgens beim Duschen verbrauchen, oder wieviel Essen in so einer Riesenstadt täglich verzehrt wird. Jedenfalls muss ich immer mindestens eine halbe Stunde einplanen, um von einem Ort zum anderen zu kommen. So etwas kenne ich von zu Hause natürlich nicht. Das Metrosystem hier ist übrigens wirklich klasse. Es gibt zwölf verschiedene Linien, man kommt eigentlich überall hin und zudem sind viele Züge klimatisiert (die sehr alten nicht) und die Stationen recht sauber.
Erfreulicherweise ist es jetzt auch kühler geworden, sodass man sich wieder bewegen kann, ohne gleich zu schwitzen. So kühl, dass ich nachts im Bett sogar gefroren habe! Hier benutzt man ja nicht die Decken, die wir in Deutschland haben, sondern einfach ein Laken und darüber wenn überhaupt eine dünne Baumwolldecke im Sommer oder eine Wolldecke im Winter.
Wir machen hier jeden Tag Ausflüge in die Stadt, damit ich mal alles oberirdisch sehe, denn in der Metro ist es natürlich immer „Nacht“.
Im Kino war ich auch einmal (Carlie y la fábrica de chocolate) und schaue mir daheim DVDs von Carlos an (Harry Potter III). Manuel habe ich in seinem Vorort Pozuelo de Alarcón auch schon besucht. Bei Carlos haben und hatten wir zusätzlich Familienbesuch, da seine Mama Pilar Geburtstag hatte. Wir zwei haben ihr aus dem Anlass heimlich einen Marmorkuchen gebacken. Das war superlustig, weil sie gerade in dem Moment nach Hause kam, als wir den Kuchen zwar in Sicherheit gebracht hatten, aber der Ofen noch total heiß war und es überall nach Kuchen roch. Man stelle sich die Szenerie vor: ich wild die Küche schrubbend und Carlos mit Handtüchern wedelnd, damit der Kuchenduft wegzieht. Pilar meinte jedenfalls, dass das Familientreffen diesen Sonntag wie eine Bewährungsprobe für mich, genauer gesagt, mein Spanisch werden würde, weil es natürlich anstrengend ist, so viele eifrig plappernde Menschen auf einmal zu verstehen.
Da Carlos morgen eine Matheklausur in Geometrie schreibt, lernt er heute den ganzen Tag und ich werde heute Abend mit den deutschen Freiwilligen aus Pozuelo weggehen. Morgen fahre ich mit Pilar und Angel nach Leganés, um die Freiwilligen, mit denen ich zusammen wohnen werde, zu besuchen. Mein Gepäck lade ich dann auch gleich mit ab, weil ich nächsten Donnerstag mit der Metro und den Cercanías (Nahverkehrszüge) nach Leganés „umziehe“ und da die Quesadas arbeiten müssen, können sie mich nicht hinfahren.
Ich bin echt gespannt auf die anderen. Eigentlich dachte ich ja, wir würden in zwei Wohnungen wohnen, so hatte man es uns gesagt. Gestern kam nun aber die Nachricht, dass wir alle sechs in einer Wohnung wohnen werden. Ursprünglich sollten in dieser nur vier Leute wohnen. Wahrscheinlich werde ich also kein eigenes Zimmer haben. Schade. Aber gut, so ist wenigstens immer was los in der Bude. :-)