Hágale
Tag der offenen Tür, Empanadas machen, sich zu überwinden und eine Krankheit namens Komfort-Zone
Es kristallisiert sich ein Muster heraus, nachdem ich die letzten Wochen lebe:
Morgens um sechs Uhr, wenn es hell wird, stehe ich auf und hole mir bei der Tia in der Kueche, Consuelo, ein Fruehstueck. Wenn sich die Kinder auf den Weg zur Schule machen (und nicht gerade Montag oder Donnerstag ist und wir mitkommen) lege ich mich zurueck in mein Bett. Der Geruch von meinem Maulwurfkissen klingt nach "zu Hause". Ich liege nie laenger als eine Dreiviertelstunde da und traeume vor mich hin, dann stehe ich auf und schreibe meine Gedanken auf, lese Trueblood auf Spanisch oder suche mir irgendetwas zu tun. Der Vormittag vergeht am schnellsten, auch, weil es noch nicht ganz so heiss ist, sondern angenehmes T-shirt-Wetter. Um halb 10 wird "ge-once-t", also "Onces" gegessen, ein Stueckchen Kuchen und ein Schluck "Tinto", also schwarzer Kaffee am Tisch der Tias.
Wenn um 12:30 Uhr die Kids aus der Schule zurueckkommen schlaegt die Stimmung in der Fundacion um: Aus schlaefriger Ruhe wird buntes Treiben und Gewusel. Das Mittagessen besteht zu fuenfundneunzigprozentiger Sicherheit aus Reis und irgendetwas anderem Kohlenhydratigem wie Kartoffeln oder Kidneybohnen. Als Vegetarierin bin ich ganz froh, dass es nur ab und zu Fleisch gibt und es hier auch ganz normal ist, keine Tiere zu essen und dementsprechend Ruecksicht genommen wird, obwohl ich noch nicht viele vegetarisch lebende Kolumbianer getroffen habe.
Ab 14 Uhr helfen wir Freiwilligen in den beiden Casas beim Hausaufgaben machen und anschliessend beim Entlausen der Kleinsten, was auch dringend noetig ist! Fuer 12 000 Pesos, also circa 4 Euro, habe ich mir im Dorf einen Laeusekamm gekauft, konnte bislang aber gluecklicherweise noch keine bei mir entdecken. Spaeter stehen dann Actividades wie Fussballspielen, Englisch lernen oder auf dem Spielplatz spielen an. Die letzte Woche war etwas anders konzipiert, was die Aktivitaeten angeht, weil gestern der Tag der offenen Tuer war, mit vielen Taenzen und Liedern, die die Kids die ganze Woche lang einstudiert haben. Alles war auf diesen Sonntag ausgerichtet, Wagenladungen an Empanadas wurden hergestellt. Die gelben Teigtaschen aus Maismehl, mit einer Fuellung aus Kartoffeln, Zwiebeln und Schweinefleisch zu machen und dabei mit den anderen Frauen am Tisch zu schwatzen war wirklich ein Spass. Und zum Glueck war ich damit aus dem Schneider in der Kueche und musste nicht mithelfen, die traditonellen Blutwuerste "Rellenas" zu stopfen. Gestern habe ich den Grossteil des Tages damit verbracht, alle Kinder zu schminken und mit ihnen Zumba zu tanzen, gemeinsam mit meinen Mitfreiwilligen.
Denn vor zwei Wochen haben wir in Casa 3 Zuwachs bekommen. Cecilia und Celine sind beide auch aus Deutschland und bei mir im Maedchenzimmer eingezogen. Es ist jetzt ziemlich voll dort, aber ich habe endlich das, was mir so lang gefehlt hat: Jemanden zum Reden. Ich mag es schon, wenn wir abends zu viert mit Lou und den Maedels Karten spielen, aber ich liebe es, im Bett zu liegen, eingemummt in meinen Plueschschlafanzug und unter dem sicheren Moskitonetz zu plaudern.
Mir faellt es immernoch schwer, mich einzubringen, ueber meinen Schatten zu springen und auf manche Jugendliche zuzugehen. Aber ich merke, wie ich daran wachse und kreativ bleibe, Loesungen zu finden. Die Komfort-Zone ist ein verfuehrerischer Ort. Natuerlich koennte ich bis um 10 Uhr morgens schlafen und umgehen, dass ich mich manchmal nutzlos fuehle oder auf Leute zugehen muss, damit ich eine Aufgabe bekomme. Aber dafuer bin ich nicht hier. Dann heisst es: Hágale - Mach es! Tu es, sei mutig, du wirst belohnt fuer deinen Mut. Immer wieder vesuche ich mir dieses kolumbianische Slangwort in den Sinn zu rufen. Und ich merke, wie ich vertraute damit werde, dass manche Sachen keine Ueberwindung mehr kosten.
Wenn ich an meine Sternmomente denke, merke ich, dass ich meine Komfort-Zone keinesfalls aufgebe, aber mehr und mehr verlasse oder ausbaue, sodass ich mich auch in neuen Situationen wohlfuehlen kann:
- als wir in meinen Geburtstag in einem Club in Modelia, Bogotá reingefeiert haben, mit sehr netten Leuten, tollen Taenzen und einem guten Gefuehl dabei
- als ich gemerkt habe, dass unser Bad dringend eine Renovierung und Moebel braucht und Veraenderung stiften konnte
- mit Cecilia im Dorf eine Pitaya, eine leckere gelbe Frucht zu kaufen und zum Fruehstueck zu teilen
- als ich mit Nora und Alison lesen geuebt habe und Alison auf meinem Schoss eingeschlafen ist
Vielen Dank fuer´s lesen und die vielen netten und interessierten Kommentare oder Glueckwuensche zu meinem Geburtstag! Es ist jedes Mal eine Freude neue zu entdecken :). Falls mir jemand ein nachtragliches Geburtstagsgeschenk machen moechte, ist hier nochmal die Bankverbindung zu meinem Spendenkonto, Hágale Leute!! :)
.lkj) Sachsen Anhalt e.V.
Ethik Bank
Betreff: LORENZ SPENDE WELTWAERTS
IBAN: DE93 8309 4495 0003 3265 94
BiC: GENODEF1ETK
Vewendungszweck: MONA LORENZ
Kommentare