Festes del Tura
Die Festes del Tura ziehen jedes Jahr Menschen aus ganz Katalonien ins kleine Olot. Für mich waren sie nicht nur ein fünftägiges Festival, sondern auch ein Einblick in meine neue kulturelle Umgebung.
Mein Wohnort Olot ist zwar ein kleines Städtchen, doch durfte ich sofort in meiner zweiten Woche kennenlernen, welches Ausmaß eine Feier zu Ehren eines Schutzpatrons haben kann. Mein Start in den EFD wurde erheblich von den "Festes del Tura" geprägt, die vom siebten bis zwölften September im Zentrum von Olot stattfanden. Da ich zu Fuß nur zwei Minuten ins Zentrum brauche und mir meine Gastschwester angeboten hat, zusammen mit all ihren Freunden rauszugehen, habe ich die Feiern sehr gut erlebt.
Die Festes del Tura sind die Festa major von Olot und fast jedes kleinste Dorf Kataloniens feiert einmal im Jahr ihre Festa major. Es wird zu Ehren des Schutzpatrons des jeweiligen Ortes gefeiert und im Falle der Festes del Tura ist dies die Madonna von Tura (la Mare de Déu del Tura). Sie kam bei den Feierlichkeiten allerdings nicht allzu oft zur Sprache, wenn ich das denn behaupten kann als jemand, der kein katalanisch versteht.
Die präsenten Hauptfiguren der Stadtfeste sind zwei Giganten (els gegants), die als vier Meter hohe Gipsfiguren ein schönes auf den Straßen tanzendes Pärchen abgeben. Die Giganten, sowie noch weitere Figuren, werden von einer unter der Figur nicht sichtbaren Person getragen. Zehn Tierfiguren vertreten auf dem Straßenumzug jeweils ihren Stadtteil, Menschen in Pferdekostümen gallopieren hintereinander her, Musikkapellen trommeln und musizieren zum Tanz und das Publikum bestehend aus vielen Kindern mit ihren Familien staunt und freut sich.
Auch ich habe mich ebenso stark gefreut wie ich gestaunt habe, über diesen atemberaubend fröhlichen Brauch, der während der Stadtfeste einige Male zu sehen war. Der Grund, warum nur wenige Jugendliche bei diesem tagsüber stattfindenden Spektakel anwesend waren, liegt im vielfältigen und langen Nachtprogramm des Festes. Man schläft eben bis in den Nachmittag hinein, wenn man sich bis sechs Uhr morgens die Konzerte anhört, feiert und tanzt. Die Festes del Tura boten viel Reggae, die von vielen Jugendlichen gemochte Musikrichtung Drum&Bass, Ska, Salsa und Rumba und weitere elektronische und traditionelle Tanzmusik. Zur traditionellen Tanzmusik gehört hier natürlich Sardana mit dem dazugehörigen Tanz, der auf der Straße - allerdings nur von über 65 Jährigen - gerne getanzt wird. Wer sich davon ein Bild machen möchte, kann selber schauen: http://www.youtube.com/watch?v=vBxRhLn8M6Q
Außerdem spielten immer wieder mehrere lokale Trommelgruppen auf den Straßen und fanden auch einmal zu einem Trommelwettbewerb zusammen. Das war an dem Tag, an dem die "Turinada" stattfand: einer der Höhepunkte der Feste und von allen schon vorher als "de puta madre" bezeichnet. Ich wurde bereits im Vorfeld gewarnt, dass bei dieser besonderen nächtlichen Parade durch die Altstadt Wasser von den Balkonen geschüttet wird, doch fiel mir erst dann auf, wie viele Balkone es in Olot gibt, als ich schon pitschepatsche-nass war. Es war wirklich eine tolle Atmosphäre, denn neben den Wassermassen, die aus Eimern und Wasserschläuchen von den Balkonen herunterkamen, spielten die Trommelgruppen unbeirrt vom herumspritzenden Wasser und brachten die im nassen Konfettiregen tanzenden Menschen noch mehr in Stimmung.
Mein persönlicher Höhepunkt der Festes del Tura war allerdings, Betrachter des typisch katalanischen Menschenturmbauens zu sein. Mitten im Centro von Olot hatten sich zwei Gruppen dieser Sportart zusammengetroffen, um die so genannten Castellers zu bauen. Es war äußerst interessant, anzusehen, wie so ein Menschenturm entsteht: Die Basis besteht aus vielen Menschen, die sich von außen in die Mitte drücken. Dort müssen nämlich die kräftigsten Männer stehen, auf denen sich der Turm aufbaut. Die Basis stützt diese Männer, sodass diese nicht einknicken. Darauf stellen sich dann beispielsweise vier Personen, die sich im Kreis anordnen und auf diese klettern weitere vier Personen. Je höher der Turm wird, desto kleiner und leichter sind die Leute, die hochklettern. Zum Schluss klettern schätzungsweise 4- bis 5-Jährige Mädchen auf den Turm, geben ein Handzeichen, wenn sie oben sind und klettern auf der anderen Seite wieder herunter. Dies anzusehen war für mich so beeindruckend und emotional, dass ich meine Tränen nicht aufhalten konnte.
Als Andenken an die Festes del Tura bekam ich in der folgenden Woche ein Plakat der Feiern, das in der Bäckerei nicht mehr gebraucht wurde und mir auf meine Nachfrage hin geschenkt wurde. Darauf bin ich sehr stolz.
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