Eine Ode an meine liebste Fernbeziehung
Dieser Text beinhaltet ein kleines Sammelsurium an Gefühlen, Gedanken und Erinnerungen, wenn ich an das herrlichste Jahr meines Lebens zurückdenke.
Eigentlich war es Liebe auf den ersten Blick. Wobei… kann man wirklich von Liebe auf den ersten Blick sprechen? So schnell spricht man doch meist gar nicht von Liebe. Okay, es wird philosophisch.
Ich war anfangs sehr skeptisch. Es hat lange gedauert bis wir uns wirklich angefreundet haben und ich mich bei dir niederlassen konnte.
Wir trafen uns zum ersten Mal so richtig am Flughafen. Ja – am Flughafen da hat alles angefangen. Kennengelernt haben wir uns nachts. Ich war so müde. Ich schaute an die Anzeigetafel am Flughafen – 3 Uhr nachts und draußen waren es immer noch 32° Celsius mit 70% Luftfeuchtigkeit.
… und dann bin ich raus aus dem Flughafen und habe dich zum ersten Mal gesehen.
Puh, ja du hast mich umgehauen, ganz ehrlich.
Ich weiß, Fernbeziehungen waren nie mein Ding.
Sind immer blöd und irgendwie ist man nie wirklich zufrieden, mindestens ging es mir immer so.
Aber irgendwie hast du mich bis heute festgehalten – überzeugt, einfach in deinen Bann gezogen. Du hast mich mit dem ersten Atemzug, dem ersten Blick, mit dem ersten richtigen fühlen, dem da sein, festgehalten – und bis heute nicht losgelassen.
Wenn ich im Alltag hier im grauen Deutschland an dich denke, muss ich sofort lächeln. Mann, du hast mir einfach gezeigt, was bunt heißt, was lebensfroh bedeutet, Temperament und vor allem was es heißt mit all den kleinen Sachen, die diese unglaublich tolle Welt zu bieten hat irgendwie – glücklich zu sein.
Glücklich…
Aber was heißt schon glücklich? Es gab oft Zeiten, in denen du es nicht leicht hattest, aber irgendwie hattest du, obwohl deine gefährlich bunten Augen so viel Leid gesehen hatten, aus allem dieses Positive gezogen. Dieses Einfache. Durch dich habe ich verstanden wie schön es sein kann einfach zu leben, einfach für einen Moment zu genießen, sich einfach zu fühlen, einfach frei sein – du hast mir gezeigt wie einfach es ist einfach zu sein… und ich kann dich einfach nicht genug dafür lieben.
Nachdem ich dich kennengelernt habe und nach Hause fliegen musste – ich habe jedem versucht dich richtig zu beschreiben. Von dir richtig zu berichten. Dich richtig darzustellen!
Ich wollte nicht, dass jeder Mensch, der mit mir zu tun hatte, weiter so vorurteilend von dir denkt.
Es war schwer, und ich muss dir gestehen, ich habe es nicht bei allen geschafft. Zugegebener weise habe ich es auch nicht bei allen so ambitioniert versucht. Ich dachte mir, dass sich jeder selbst von deiner Einfachheit überzeugen lassen soll.
Irgendwie ist das ja auch so ein kleines Geheimnis zwischen uns, oder? Wir haben echt jede Menge erlebt, die Abenteuer, die wir zusammen geteilt haben, bei wie vielen Sonnenuntergängen am Strand oder über den Bergen wir gekuschelt haben, bei Sonnenaufgängen im Sand, nass vom Nacktbaden, vom wundervoll warmen Meer der Sonne zugesehen haben, wie sie den Mond begrüßt hat und so langsam jeden mit ihrer Hitze aufweckte...
Nein, ich kann das zwischen uns nicht geheim halten – ich muss es jedem erzählen! Jeder soll wissen wie du mich verzauberst hast, so schön -so einfach.
Um ehrlich zu sein, es war es nicht immer einfach zwischen uns. Gerade am Anfang. Wir hatten da unsere Differenzen. Ich wusste wirklich oft nicht, was ich von dir halten sollte. Besonders die Kultur. Das war am Anfang nicht immer alles so wie ich es mir vorgestellt hatte, besonders nicht im konservativen und christlichen Waisenheim. Ich war total überfordert. Ich habe mich am Anfang für dich verstellen müssen, weißt du das eigentlich?
Ich habe mich anders gekleidet, fast schon verhüllen müssen. Saris. 5 Meter langer Stoff, in irgendeiner Weise um mich gebunden, sodass ich komischerweise nicht mehr geschwitzt hatte, obwohl ich so dich gekleidet war und es meist 30° Celsius waren mit über 70% Luftfeuchtigkeit.
Aber nicht nur meinen Kleidungsstil habe ich ändern müssen. Meine Denkweisen und vor allem mein lautes direktes Mundwerk musste ich zügeln für dich. Ich konnte dir nicht einfach ins Gesicht sagen, wenn ich dich mal wieder so richtig frauenfeindlich und scheiße fand. Ich musste es entweder runterschlucken oder es dir in einem samtweichen Ton versuchen näher zu bringen. Ja, bei dir war ich mit meinem Feminismus wirklich an ganz falscher Stelle.
Deine Essgewohnheiten musste ich auch erstmal über mich ergehen lassen. Hui, was habe ich geschwitzt. Nicht nur wegen der Hitze das ganze Jahr über, sondern auch wegen deines Würzstils. Gott, was habe ich mich immer gehasst, wenn ich die Chilischote im Reis nicht gesehen und drauf gebissen habe. Auch der Reis jeden Tag – meistens drei Mal, war für mich eine echte Umstellung. Nicht nur für mich, sondern auch für meine Hosengröße …aber gut, dass ich nicht eine einzige Jeans in deiner Gegenwart getragen habe, ich glaube das hätte auch einfach nicht zu diesem einfachen Lebensstil gepasst. Naja der 5 Meter lange Sari, hat das schon gut versteckt.
Aber weißt du, was ich jetzt genau in diesem Moment dafür tun würde eines deiner scharfen Masalas zu kosten? Egal ob nordindischer Thali, südindische Chapathi, Dosa, Dahi, Dal oder Samosa – du warst immer so charmant scharf zu mir.
Du hast das Adjektiv scharf für mich ganz neu definiert – fast schon neu erfunden – eine wirklich wunderschöne Charaktereigenschaft von dir, die das Leben hier in Deutschland nicht gerade einfach macht, wenn man nicht gerne kocht und dann immer zu diesen Möchtegernindern geht, die meinen sie könnten so gut kochen wie du.
Ja, du wusstest wie du mich ganz einfach knacken konntest. Auch wenn ich es nicht gerne zugebe, aber selbst deine sture, trotzige und eigensinnige Art fehlt mir sogar. Nicht nur mit deinen Einstellungen und Werten, sondern mit deinem kompletten Herzen. Ich brauchte lange, bis ich nicht mehr schief von dir angeschaut wurde wegen meines Aussehens, meiner Hautfarbe oder meines selbstbewussten Auftretens. Lange hat es gedauert bis wir zusammen durch das Dorf Kalpakkam gehen konnten, ohne, dass ich jedes Mal Angst haben musste, dass die Anderen mir ein Loch in den Rücken mit ihren Blicken bohren würden.
Aber als dieser Punkt überwunden wurde, ich akzeptiert wurde von dir, mich genügend angepasst hatte, gabst du mir Zutritt zu dem unendlich weiten Meer deines Herzens. Dein Herz ist so weich, eigentlich, so bunt und freundlich, so unwiderstehlich humorvoll und einfach unglaublich lebensfroh. Ja eigentlich…eigentlich bist du wirklich so viel offener als alle Menschen denken. Deine verschlossene Art hatte ich nur als irgendeinen Selbstschutz von dir wahrgenommen, weil du eben niemanden an dich ranlassen wolltest, eben nicht jeden in die Geheimnisse deiner Kultur eintauchen lassen möchtest, einfach weil jeder so schlecht von dir denkt und diese ekeligen Gerüchte und Vorurteile von dir nicht einfach abschütteln kann.
Deine vielfältigen Fassetten – ich hätte am liebsten jede einzelne mit nach Deutschland genommen und den Menschen hier in Deutschland ein bisschen davon abgegeben. Ich meine alleine die komischen und kitschigen Bollywood-TV-Qualities, die wir immer zu unserem Leidwesen mit meiner Gastschwester schauen mussten, beschreiben wirklich perfekt wie gerne du dich verstellst und niemandem dein wahres Ich zeigst. Wie hast du immer gesagt? Wenn ich auf etwas Lust habe, dann soll ich das einfach tun? So wie damals im quirligen Dehli. Wir haben einfach mit allen Kühen mitten auf der Straße geschmust und den kompletten Verkehr aufgehalten. Ja, dein einfacher Lebensstil und vor allem deine lebhafte und wunderschön bunte Ader, haben das allerschlimmste Heimweh so einfach weggeblasen. Ich musste mich eigentlich nur öffnen und mich deiner unfassbar spannenden Kultur hingeben und schon hast du mich mit deinem beschwingenden und lebensfrohen Lachen aufgeheitert.
Auch wenn wir uns jetzt eine Weile nicht gesehen haben, eine Weile nicht geschrieben oder telefoniert haben. Glaube mir, ich denke an dich, so oft. Ich kann dich nicht vergessen -und will es nicht, denn du bist der Grund dafür, warum es so einfach geworden ist – warum mein Leben so wundervoll einfach auf einmal ist.
Indien du fehlst mir.
Mit jedem Atemzug, mit jedem Blick, mit jedem Fühlen, mit jedem einfachen Einfach sein.
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