Das walisische Referendum
Der 3. März 2011, ein historischer Tag für Wales, Leute tanzen auf den Straßen, überall freudige Gesichter, ein Meilenstein auf dem Weg zur Unabhängigkeit!
Nein, halt! So ganz so sah es hier dann doch nicht aus. Und nein, die Waliser ließen sich nicht von den Geschehnissen in der arabischen Welt inspirieren und streben nach der Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich aufgenommen. Aber ein wenig was historisches hatte dieser 3. März dann doch – auch wenn man das hier vor Ort absolut nicht spüren konnte. An diesem Tag stimmten die Waliser (zumindest teilweise) in einem Referendum über die zukünftigen Befugnisse des Parlaments in Cardiff ab. Grund genug, um auch mal ein wenig auf die Strukturen des Landes einzugehen.
Das Referendum
Erstmal gehe ich aber noch kurz auf das Referendum vom 3. März ein. Vereinfacht gesagt stimmten die Waliser über die weitestgehende Unabhängigkeit des Parlaments in Cardiff vom Parlament des Vereinigten Königreiches in London ab. Und das – auf den ersten Blick – mit einer recht klaren Mehrheit von 63.5% Ja-Stimmen zu 36.5% Nein-Stimmen. Bei einer Wahlbeteilungung von nicht einmal 35% verblasst das Bild des „eindeutigen Ja-Votums des walisischen Volkes“ jedoch ein wenig. Aber eine höhere Wahlbeteiligung hat man hier sowieso nicht erwartet. Abgesehen von einigen Referendumsgegnern, die circa zwei Wochen vor der Abstimmung mit einem riesigen, pinken, aufblasbaren Schwein, das den Slogan „Vote No“ zierte, durch die Innenstadt zogen, gab es nicht einmal Wahlplakate oder Ähnliches zu sehen. Auch der Mehrheit meiner Arbeitskollegen, mit denen ich zuvor über das Referendum gesprochen hatte, schien das Ganze ziemlich egal zu sein. Ganz zu schweigen von den vielen jungen Leuten in meinem Alter, die größtenteils nicht einmal vom Referendum wussten. Entsprechend gab es aus der Bevölkerung auch kaum Reaktionen auf das Ergebnis der Abstimmung.
Was bedeutet das „Ja-Votum“ für Wales?
Um diese Frage zu beantworten, muss ich zunächst ein wenig auf die politische Geschichte von Wales eingehen. Nachdem die walisische Bevölkerung in einem vorherigen Referendum im Jahr 1997 denkbar knapp (50.3% ja gegen 49.7% nein) für eigenes, walisisches Parlament gestimmt hatte, wurde im Jahr 1998 die „National Assembly for Wales“ etabliert – allerdings mit sehr beschränkten Befugnissen. So verfügte das Parlament in Cardiff zunächst nicht über Gesetzgebungskompetenzen, was bedeutet, dass das Parlament bzw. die Regierung in London jedem Gesetzentwurf aus Cardiff zustimmen musste. Ein wenig gelockert wurde diese Regelung im Jahr 2006. Und nun, am 3. März 2011, stimmte die Mehrheit der walisischen Bevölkerung dafür, dem Parlament in Cardiff volle Gesetzgebungskompetenzen zuzubilligen. Von nun an kann die Regierung in Wales also Gesetze in 20 verschiedenen Zuständigkeitsbereichen verabschieden ohne zuvor das Londoner Parlament bzw. die Regierung des Vereinigten Königreichs zu konsultieren. Steuern, Verteidigung oder das Gesundheitssystems fallen beispielsweise nicht unter diese Zuständigkeitsbereiche und bleiben weiterhin der Regierung in Westminster vorbehalten. So hat Wales zwar einen großen Schritt in Richtung eines vollkommen eigenständigen Landes gemacht, bleibt aber weiterhin selbstverständlich - wie England, Schottland und Nordirland auch - ein Teil des Vereinigten Königreichs.