Zwischen „Lobsick“ und „Bremenski Muzikanti“
Montag, der 25. September oder der Versuch meinen Alltag hier in Moldawien zu beschreiben.
Montag, 8.30 Uhr, schnell noch mein alltägliches Rosinen-Haferflocken-Bananen-Müsli mit ordentlich Milch hinuntergespült und schon auf dem Weg durch das Treppenhaus hin zur Haustür. Eine lecke Gasleitung da, ein Sack voller Eier vom Wochenmarkt dort, jemand kocht schon am Morgen mit ordentlich Knoblauch und aus einem anderen Schlüsselloch könnte man beinahe den weißen Zigarettendunst herausziehen sehen. Nur wenige Meter und mein kompletter Geruchsinn ist vollends verwirrt – Ein sehr effizienter Weg um wach zu werden. Denn der vorherige Tag war anstrengend – gerne hätte man noch wenigstens ein wenig länger geschlafen. Beinahe hypnotisierend dröhnt immer noch eine Stimme in meinem Kopf: G-G-Gustarrrrrrrrr…
Nur zu genüge hatte ich diesen Ausruf oder besser Namen tags zuvor gehört. Das alljährige, traditionelle Ethno-Pop-Festival (ich habe eigentlich keine Ahnung was Ethno-Pop charakterisiert – die Bezeichnung hört sich aber gut an) in der zauberhaften Umgebung des Orheiul Vechi wird mir aber nicht nur wegen des übermotivierten Moderators mit dem endlos gerollten R in Erinnerung bleiben.
Zwar wirbt beinahe jedes Festival mit den Begriffen interkulturell, generationsübergreifend und inspirierend, wer aber die Atmosphäre dort eingeatmet hat, weiß, was diese abstrakten Begriffe bedeuten. Innerhalb eines Tages konnte man Menschen, Musik und Mittagessen aus vielen verschieden Ländern kennenlernen…wäre ich doch nur schon am Samstag dorthin gekommen.
Noch in diesen Erinnerungen schwelgend laufe ich den Weg zu Planeta Caritatii, meinem Projekt. Der spätsommerlich kühle Wind zieht an meinen Beinen vorbei und misstrauisch begutachte ich den mir folgenden Straßenhund, dessen Interesse ich aber schnell an eine Mülltonne verliere.
Nach knapp 20 Minuten Fußweg öffne ich die Türe zu dem Haus meiner Organisation. Sogleich werde ich mit einem freundlichen „Dobre Utra“ empfangen und an der Hand gepackt: Ruslan will mir zeigen, dass Vitalij beim Friseur war. Ohne viele Worte zu verlieren (leider) streiche ich ihm über den Kopf und versuche durch ein Lächeln die fehlenden Worte zu überspielen – was auch meist gelingt.
Die Gruppe geistig behinderter Erwachsener wird im Herbst ein Theaterstück aufführen: „Bremenski Muzikanti“ (neben den zahlreichen deutschen Artikeln in der Süßwarenabteilung im Supermarkt ein weiteres kleines Stück Deutschland mitten in Moldawien). Zunächst wird die Geschichte aus einem Janosch-Buch vorgelesen. Stotternd versuche ich den einen oder anderen Satz zu lesen, was allerdings nur zur Belustigung der Zuhörer beiträgt. Da erstelle ich doch lieber gleich darauf eine Collage und spiele eine Runde Fußball. Im direkten Austausch werden mir dann die russischen Zahlwörter gelehrt und ich kann die englischen aufzählen. Nach dem Mittagessen, das mir einen Einblick in die moldawische Küche liefert (meistens Fleisch mit – außer Gries – und Hirse auch bei uns sehr beliebten Beilagen), wird gespült und ausgeruht. Doch Ruhe kehrt nur kurz ein: Ein ehrenamtlicher Schreiner kommt und baut mit uns zusammen ein Regal. Die „Lobsick“ (Stichsäge) wird aus dem Schrank geholt und ich darf meine stark limitierten Fähigkeiten mit dem Medium Holz beweisen – naja…charaschow. Um 15.30 Uhr ist dann aber Schluss, denn die Russischstunde wartet auf mich. Nach 90 min. höchster geistiger Anstrengung schlendere ich noch ein bisschen mit anderen Freiwilligen durch den Park und wir unterhalten uns bei einer leckeren Placinta über die unsere alltäglichen Probleme des Lebens in Moldawien mit dem Schluss: welche Probleme?!
Zurück in meiner Wohnung beschließe ich den Tag mit einem Gespräch in der Küche über Merkel, München und Wurst im Allgemeinen. Bratwurst habe ich hier trotz großer Auswahl noch gar nicht gegessen…ich habe ja aber auch noch ein bisschen Zeit.