Oktober- November
Hennchen erzählt von ihren Erlebnissen der letzten Wochen. Da wäre ein Orchesterbesuch auf den Lofoten, viel Arbeit, neue Freunde und das norwegische Schulsystem.
So, ich habe versprochen mich hier mal wieder zu melden.
Also, es hat sich doch schon einiges hier verändert. Zum Beispiel verschwindet die Sonne jetzt um 14 Uhr, das heißt, dass es dann anfängt zu dämmern. Um 15.45 Uhr ist es stockdunkel. Schlimm finde ich das aber nicht. In meinem Zimmer ist es ja jetzt echt gemütlich. (Danke für die Lichterkette und den Tischläufer und die anderen guten Dinge!) Nette Musik, Süßes und dann kann’s dunkel draußen sein. Und im Moment liegt ja wieder Schnee, das heißt ich habe die ganze Zeit Weihnachtslieder als Ohrwurm. Ich hab auch ’ne Menge zu arbeiten. Ich kann jetzt auch genug Norwegisch, um endlich mit meinen eigenen Projekten zu beginnen. Ich hoffe nur, dass es Leute gibt, die auch kommen wollen und das interessant finden.
Dann waren in den letzten Wochen viele Lehrer in der Kulturschule krank und so musste ich eine Menge Briefe falten und zur Post bringen. Will jemand mit mir einen Briefeintüttel-Wettkampf machen, dann gewinne ich!
In dem Kinderorchester mache ich jetzt Stimmproben. Und im Klub entwerfe ich ne Infoseite und beginne mein Projekt publik zu machen. Was meine Reise und Besichtigungen hier in Norwegen angeht, so ist das wirklich schwierig. Ich kann nicht einfach für ein Wochenende mal einen anderen Volontär besuchen, weil das einfach viel zu weit weg ist. Das nächste ist Trondheim, und dahin muss ich schon anderthalb Stunden fliegen! Und von der Norweger-Ex-EvSler-Organisation meldet sich auch keiner. Schade! So hab ich einen kleinen Ausflug mit den Hurtigruten gemacht. Eine Station Richtung Süden, also nach Stokmarknes und ich wurde von einem älteren norwegischen Rentner doch gleich als Norwegerin abgestempelt! – Es war total schön, ich wäre am liebsten weiter bis nach Bergen gefahren.
Projektorchester auf den Lofoten
Am letzten Oktoberwochenende war ich auf den Lofoten. Dort war das Lofoten-Vesteralen-Projektorchester. Wir haben in kleinen Holzhütten geschlafen. Und weil Ramberg, das ist der Ort, am offenen Meer liegt, war in der Nacht so starker Wind, dass du gedacht hast, dass im nächsten Augenblick die Hütte abhebt, und vielleicht wie beim Zauberer von Oz in einem warmen Land wieder landet. (Erika und ich hätten ja Italien ganz schön gefunden!) Das ganze Wochenende war total schön, der Ort ( Sandstrand!), Musikmachen, nette Leute, gutes Essen,… In der Nacht zum ersten Dezember treffen wir uns wieder, aber in Svolvaer, das ist der größte Ort auf den Lofoten, da freu ich mich schon drauf! Dort habe ich auch ein norwegisches Mädchen kennen gelernt, das ich das letzte Wochenende in Melbu besucht habe. Um dahin zu kommen, muss man mit dem Bus eine Stunde Richtung Süden fahren. Das Wetter war der Hammer! Sonne und Schnee! Nachdem wir dann zum „middag“(also 15 Uhr) die samstägliche „rinsengrinsgröt“ (Milchreis) mit Zimt, Zucker und Butter gegessen hatten, haben wir beide uns auf die Räder geschwungen und eine kleine Tour in der kleinen Stadt (oder Dorf) gemacht. Die Tour war aber nicht so lang, weil es ja dunkel wurde und auch sehr kalt. Leider wurde das Konzert, auf das wir am Abend gehen wollten, gecancelt. So haben wir ein Quizspiel gespielt. Und ich muss hier sagen, ich war doch wirklich überrascht, dass es nicht am mangelnden Wortschatz, sondern meinem zu kleinen Allgemeinwissen lag, dass ich verloren habe. Am Sonntag war das schöne Wetter dann leider vermutlich nach Oslo weiter gereist! ( Bei jedem Wetterbericht, den ich sehe, regnet oder schneit es hier immer und in Oslo scheint die Sonne!) So machten wir die Tour um die kleine Insel mit dem Auto und stiegen nur kurz aus, um den Strand anzusehen oder Fotos zu machen.
Arbeit im Kindergarten
Wer mich nächstes Jahr besuchen kommt, der könnte mit mir vielleicht ne Radtour um die Insel machen. Ich glaube ohne Regen ist das echt schön. Nach dem Wochenende war ich dann total fertig, denn Besuch zu sein und immer Norwegisch zu reden, das ist echt anstrengend. Seit letzter Woche bin ich dienstags von neun bis um elf in einem Kindergarten. Das erste mal war es schwer, weil ich nicht wusste, wie ich den Kindern mein Cello präsentieren sollen. Aber diese Woche war es dann total nett. Die Kinder sind ja auch so lieb. „Soll ich dir ein Witz erzählen?“, “Kannst du mir ein Legoauto bauen?“... Und ich darf für den Weg zum Kindergarten das Kommunenauto fahren. Das erste mal war ich aber doch etwas unsicher: neues Auto, Ausland, Schnee,… Ich hab’s aber geschafft, obwohl es irgendwie etwas dunkel war. Und dabei hatte ich doch das Licht an, das muss man hier nämlich den ganzen Tag anschalten ( ist auch ganz sinnvoll, mit dem vielen Regen und den Tagen, bei denen es schon um 14 Uhr dämmert. Als ich beim Kindergarten ankam wusste ich dann auch das Problem. (Das saß nämlich vor und nicht in der Maschine – wie der Papa immer sagt.) Man muss auch die Lichter vom Schnee befreien!
Der Sprachkurs und das norwegische Schulsystem
Im Norwegischkurs sind wir inzwischen in Lektion acht angekommen. Aber es gibt keine Möglichkeit, in einen fortgeschrittenen Kurs zu wechseln, aber ich habe mich heute mit der Lehrerin unterhalten, dass wir vielleicht anstatt jeder für sich Comics zu lesen, „Kann man das im Herti kaufen“ spielen. Sie war vollkommen begeistert und wollte gleich noch mehr Spiele. Ich hab ihr dann erklärt, wie ich finde, dass ein guter Unterricht aussehen muss. Als ich dann nach Hause gelaufen bin, hab ich wieder gedacht: Der Traum von meiner eigenen privaten Schule ist auf keinen Fall verblasst. Ich will das immer noch. Ich weiß nur nicht, wie ich dahin komme. Ob ich erst eine kaufmännische Ausbildung mache oder doch Schulmusik studieren muss. Das Problem dabei ist, dass ich mich nicht zum Klavier und Celloüben aufraffen kann. Die Schule hier in Norwegen ist übrigens nicht so doll, wie immer alle denken. Ich kann das auch nicht so ganz verstehen, warum die in Pisa so gut abgeschnitten haben! Man duzt die Lehrer, (wie auch den Chef), man kann die Schuhe innen ausziehen, (und wenn man zu Gast ist, ist es sogar unhöflich, wenn man das nicht macht!), und nach der ungdomsskole (Grundschule) bekommt man von der Schule einen Laptop und kann entscheiden, ob man weiterhin in die Schule gehen will, welche Fächer man haben will und in welche Zweig (Musik, Kunst, Sport, Naturwissenschaften) man einsteigen will. Es gibt keine Caféteria, weil man ja erst um 15 Uhr warm Mittag isst. Die Klassenzimmer haben alle Vorhänge. (Warum? - Hier scheint doch sowieso nie die Sonne!) Und überall sitzen Schüler auf dem Boden, an Tischen in den Fluren, in der Bibliothek und tippen irgendwas in ihren Laptop. Das ist das Leben in Norwegen!
Ich finde die Norweger orientieren sich sehr an der amerikanischen Lebensweise! Der Krankenwagen hat eine Sirene, wie ich sie aus Florida kenne, das geheime Nationalgericht: Pizza Grandiosa, Brot, Fleisch. Keine Früchte oder Gemüse, dafür morgens aber so Tran, der aus irgendwelchen Fischen gewonnen wird. Und die Musik! Die hören hier zum größten Teil Hip Hop oder harten Rock, wie zum Beispiel Ramstein. Ich glaube mit diesen Sachen kann ich mich einfach nicht anfreunden!