Willkommen und Abschied – in mehrfacher und unterschiedlicher Ausfertigung
Das hier lässt sich eigentlich als Fortsetzung meines letzten Blogs auffassen…es wäre sonst einfach zu lang geworden, daher bekommt ihr es in zwei Häppchen serviert ;)
Die Woche nach der Summer Fair war geprägt von dem Abschied von unserer Activity Coordinatorin Sue…sie hatte sich auf eine neue Stelle beworben und wir mussten sie daher schweren Herzens gehen lassen – allerdings nicht ohne sie vorher gebührend zu feiern! Zunächst hatte Sue Soraya und mich noch relativ spontan für Dienstagabend in ein indisches Restaurant in Southshields (im Norden Richtung Newcastle), in welches sie schon als Kind mit ihrem Vater zu gehen pflegte, eingeladen. Auch ihre Tochter Becky war mit von der Partie und so fraßen wir uns gemeinsam durch ein geniales Menü durch, bis wir alle so satt waren, dass wir sogar den Nachtisch ausfallen lassen mussten - wer mich kennt weiß, dass das einiges heißt :D Ich glaube mein Highlight an diesem Abend waren die gefüllten Naanbrote (Chaat heißen die, wenn ich mich richtig erinnere)…sooo lecker :) Danach fuhren wir in der Abenddämmerung die Küste Sunderlands hinunter, welche laut Sue „die schönsten Strände Englands besitzt“ und sie erzählte uns Geschichten aus ihrer Jugend. Einen Zwischenstopp legten wir noch bei Marsden Grotto ein, einem wunderschönen Strand mit vom Meerwasser unterhöhlten Felsen, auf denen tausende von Seevögeln nisten. Da sich dort felsige Steilküste befindet, gelangt man nur durch einen Lift oder eine steile Treppe hinunter zu diesem Ort, der eine ganz einzigartige Atmosphäre besitzt. Soraya und ich haben uns schon fest vorgenommen noch einmal bei Tageslicht hinzugehen, umso mehr, da der Pub, wegen dem sich dort überhaupt erst ein Lift befindet, schon geschlossen hatte.
Am nachfolgenden Tag fand dann hier in Marske Hall die offizielle Abschiedsfeier statt, welche als Pub-Evening für Service User, deren Familien, und für alle Mitarbeiter gestaltet wurde: typisch britisch mit Bier, Peanuts und Pickled Eggs (das sind in Essig eingelegte gekochte Eier…widerlich!!) Pool table, Karaoke und Disko. Alle hatten einen Riesenspaß und ich genoss den Abend in vollen Zügen: mit Ruths Jungs draußen in der Abendsonne kicken, mit Soraya zusammen eine recht schräge, aber durchaus ausdrucksstarke Version von Bohemian Rhapsody hinzulegen und natürlich immer wieder das Tanzen mit unseren Bewohnern: nicht macht sie glücklicher als ein bisschen gute Musik und nichts macht mich glücklicher, als sie so zu sehen und diese Freude gemeinsam zu teilen…einer dieser Momente, in denen man sich wünscht das Jahr hier würde nicht vorbei gehen!
Ja und an demselben Abend, allerdings spät nachts kam dann der nächste Besuch aus der Heimat, meine Tante Barbara, an. Sie würde für eine Woche bleiben und ich hatte mir vorgenommen ihr so viel wie möglich von meinem Leben hier zu zeigen. Und so ging es am nächsten Tag nach einem kurzen Spaziergang durch das Dorf und zum Strand direkt los zu meiner English Class: wir waren gerade dabei uns auf die in der darauffolgenden Woche stattfindenden Präsentationsprüfung vorzubereiten, daher konnte ich schlecht fehlen. Nachdem Barbara so gleich eine Kostprobe vom hiesigen Dialekt in stärkster Form erfahren durfte (unsere Englischlehrerin ;)) ging es erst einmal zu Tesco um eine Runde gesundes Essen (Salat, Gemüse und Obst), an dem es uns hier ja manchmal etwas mangelt, sowie Quark für einen deutschen Käsekuchen zu besorgen. Ich war ja schon ziemlich entsetzt, als ich erfahren durfte, dass es hier keinen Quark gibt und der britische Käsekuchen aus einer Mascarpone-Frischkäse Mischung hergestellt und noch nicht einmal gebacken wird. Umso mehr freute es mich zu erfahren, dass Tesco doch welchen verkauft (Import aus Germany natürlich). Den Freitagvormittag verbrachten wir dann fleißig mit Kuchen backen…als Überraschung und Abschiedsgeschenk für Sue, die ihren letzten Tag hatte. Alle waren tatsächlich sehr begeistert von unserem „german cheese cake“, welcher beim anschließenden Barbeque verzehrt wurde, und wollten das Rezept wissen.
Am Samstag stand dann Wandern auf dem Programm: Neus traf früh zu uns und zu viert machten wir uns auf zur Robin Hood´s Bay um dort einen Teil des Cleveland Way´s zu laufen. Leider stellte sich das als ziemlich feuchte Angelegenheit heraus und so waren wir schlussendlich heilfroh uns nach der Tour in einem Kaffee in Whitby am offenen Kaminfeuer wieder aufwärmen (und trocknen) zu können. Von umso schönerer Seite zeigte sich das Wetter dann am Sonntag: Soraya hatte beschlossen nach der Regentour lieber zuhause zu bleiben und so brachen wir allein auf ins North Yorkshire Moor mit dem Ziel, den markanten (wenn auch für unsere Verhältnisse nicht sehr hohen) Berg Roseberry Topping zu erklimmen. Bei Sonnenschein ging es durch ursprüngliche Eichenwäldern mit knorrigen alten Bäumen und über saftig grüne Wiesen gesäumt von Steinmäuerchen nach oben. Auf dem Gipfel bot sich uns ein fantastischer Ausblick über diese idyllische Landschaft, die mich stark an das Auenland im „Herr der Ringe“ erinnert…nur die Hobbits fehlen, aber es ist ja allgemein bekannt, dass diese Meister im Nicht-gesehen-werden sind ;) Weiter ging es dann über eine Hochebene voller Heidekraut und Heidelbeersträuchern – ich muss spätestens zur Blütezeit der Heide noch einmal zurück kehren, das sieht sicher genial aus! Nach Kaffee und Kuchen im beschaulichen Örtchen Great Ayton fuhren wir dann mit dem Kopf voller schöner Eindrücke heim, wo uns Soraya, Tee, Quirkle und ein großes Puzzle erwarteten :) Den Montag verbrachten wir bei Dauerregen entspannt mit einem Spaziergang nach Saltburn, bevor es an Barbaras letztem Tag noch einmal ins Moor gehen sollte (die Wettervorhersage sah etwas besser für diesen Tag aus).
Aber wie ich nach 9 Monaten England eigentlich zur Genüge wissen sollte, missachtet das britische Wetter fröhlich jegliche Regeln und Vorraussagen und sorgt so immer wieder für Überraschungen und besten Smalltalk-Gesprächsstoff :p Als wir am nächsten Morgen mit Blick auf die schwarzen Regenwolken über dem Moor den Zug bestiegen, trafen wir in letzter Sekunde die wohl einzig richtige Entscheidung und änderten unser Ziel in meine englische Lieblingsstadt Durham. Dort verbrachten wir einen weiteren gemütlichen Tag mit durch die Altstadt und am Fluss entlang Schlendern, einer obligatorischen Besichtigung der Kathedrale, in der zufällig gerade eine Abschlussfeier der Uni stattfand. In England ist das anscheinend ein Riesending: Musik, feierlicher Auszug aus der Kirche und überall Studenten in merkwürdigen schwarz-weißen Capes, welche sie über eleganten Abendkleidern trugen. Nach einem Durchgang durch das orientalische Museum (eher enttäuschend) und Scones und Kaffee ging es dann schließlich zurück nach Middlesbrough, wo ich Chorprobe hatte und Barbara gleich ganz selbstverständlich aufgenommen wurde :) Ja und dann hieß es nach dieser schönen, total entspannten und dennoch aktiven Woche, leider wieder einmal Abschied nehmen…wenn auch nicht für sehr lange ;)
Am Freitag hatte ich dann schon wieder Probe, da wir am Samstag bereits unser Konzert haben sollten und das Programm unter dem Namen „America“ (ausschließlich amerikanische Komponisten, u.a. einige Spirituals und Folksongs) diesmal so umfangreich war, dass die Probenzeit hinten und vorne nicht reichte – ich sang an diesem Abend doch tatsächlich eines der Stücke zum ersten Mal und vielen erging es nicht anders! Entsprechend besorgt war ich, wie wohl das Konzert am nächsten Tag laufen sollte. Nach der Probe traf ich mich noch mit Ben, einem der wenigen jungen Mitglieder des Chores, der mir sein süßes Dörfchen im Moor mit fantastischer Kulisse von Roseberry Topping im Abendrot zeigte :) Bei der Aufführung am nächsten Abend waren einige Teile, besonders bei Lauridsens „Lux Aeterna“, dann tatsächlich recht wackelig, was mich persönlich ein bisschen enttäuschte, da die Musik wunderschön ist und eine ganz eigene Art von Ruhe besitzt, die ich jedoch aufgrund von Angespanntheit nicht so ganz genießen konnte. Einmal mehr sehnte ich mich nach meinem LJC und freute mich auf die nächste Herbstphase. Aber wir steigerten uns definitiv zum Ende hin, sodass es dem Publikum (Soraya und einer Freundin von ihr eingeschlossen) doch sehr gut zu gefallen schien. In der Pause bekam ich dann noch einmal britische Herzenswärme vom feinsten zu spüren: Meine Mitsängerinnen aus dem Sopran überreichten mir einen großen Blumenstrauß, Pralinen, eine Tasse sowie eine süße Karte, auf der alle ein paar persönliche Worte geschrieben hatten. Da der Chor nach diesem Konzert Sommerpause bis September haben würde, stellte dies bereits meinen Abschied dar. Von allen Seiten bekam ich zu hören, dass sie mich sehr vermissen werden, dass ich sie jung halten würde und alles Gute für meine Zukunft und mein Studium.
Nach diesen emotionalen Momenten ging es gleich spannend für mich weiter: Glen, der in Marske Hall für sein Businessstudium ein Praktikum macht, hatte mich für diesen Abend zu seinem 21. Geburtstag eingeladen. Die Tatsachen, dass ich außer ihm niemanden kennen würde, bestimmt die einzige nicht-aus Middlesbrough-stammende Person sein würde und auf Facebook 200 Leute zugesagt hatten, konnten mich nicht abschrecken, die Gelegenheit einer guten Party und ein paar neuen einheimischen jugendlichen Kontakten wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen ;) Und das war auch eine gute Entscheidung: aufgrund meiner ausländischen Herkunft war ich dort sogar so etwas wie eine Berühmtheit, ich verstand mich auf Anhieb super mit Glens Kumpels, lernte einige neue Clubs in Middlesbrough kennen und kam endlich mal wieder tanzmäßig auf meine Kosten.
Weitere Berichte folgen bald, mal sehen ob ich es schaffe in den nächsten Tagen mal wieder auf Jetztzeitstand aufzuholen :P