Weltreporter Interview
Gedanken und Erinnerungen der letzten Monate meines Europäischen Freiwilligendienstes in Schweden im Weltreporter-Interview zusammengefasst.
Allgemeines:
Programmart (FSJ, EFD, AuPair…): Europäischer Freiwilligendienst EFD
Dauer: 9 Monate (so der Plan, einige Ex-EFD'ler sind heute noch hier)
Land und Ort:
Ich lebe in Broby, in der Region Skåne, etwa 100 Kilometer nordöstlich von Malmö in Südschweden.
Projekt:
Kurze Beschreibung des Projekts (in eigenen Worten):
Ich lebe und arbeite in Prästgården, was so viel wie Pfarrersgarten bedeutet, ein wunderschönes altes Haus, in dem ich mit meinen vier Mitbewohnern aus Deutschland, Schweden und Eritrea zusammenlebe und das zeitgleich auch als eine Art christlicher Jugendtreff läuft. Auch bin ich in der benachbarten Kirchengemeinde der svenska kyrkan für Kinder, Konfis und Jugendliche am Start.
Was sind deine Aufgaben?
Mein Leben und meine Aufgaben als EFD'ler habe ich mal versucht zu strukturieren, damit es verständlicher ist, also da wären:
1/ der Job als Freiwilliger, das ist bei mir Jungschar zweimal die Woche, Konfirmandenunterricht, Konfi-Camps und Jugendkreise zu rocken.
2/ der Prästgården-Part, den hat jeder von uns hier im Haus. Die Jugendlichen - also vor allem Konfis - können kommen und bei uns Zeit verbringen. Wie mein Mitbewohner es im Video unten ausdrückt, sind wir sowas wie der Ast, der der Pflanze Halt gibt, wachsen und sich entfalten muss und soll sie sich selber, aber wir unterstützen oder tragen sie dabei...
3/und last but not least das Haus/die WG. Jeder der hier wohnt hat sich entschieden, nicht einfach in einer Wohnung oder einem Haus zu Wohnen, sondern zusammen zu wohnen, schließlich teilen wir mehr als nur Bad und Küche, wir teilen unsern Glauben und unser Leben untereinander im Haus und mit denen die zu uns kommen!
Was machst du in deiner Freizeit?
Es hat schon Vorteile, WG und sein eigener Jugendtreff in einem zu sein ;) ansonsten bin ich in der schwedischen Natur oder natürlich beim Skypen...
Gibt es Seminare und wie findest du sie?
Das On-Arrival-Training, das ich bis jetzt in Stockholm hatte war einfach unbeschreiblich gut. Zehn Freiwillige aus acht verschiedenen Ländern und mit mehr als dutzend möglichen Sprachen sitzen nachts um eins noch im Keller des Hotels und diskutieren über schwedische Politik. Wir, die wir alle unterschiedliche Geschichten und doch mehr oder weniger die gleichen Träume und Gründe haben, warum wir hier in Schweden sind; und wir, die sich beim Essen immer um den einen runden Tisch quetschen, damit Jeder mit Jedem kommunizieren kann... Sind wir nicht der Inbegriff des europäischen Gedankens? Des multikulturellen Zusammenlebens und des Respekts? Auch wenn es immer noch schulisch flach klingt? Enjoy differences, start tolerance? Sind wir das?..
Organisatorisches:
Wie verlief die Vorbereitung/ brauchst du ein Visum?
Man erwischt sich irgendwann dabei, mal wieder drei Ländergrenzen passiert zu haben, ohne es wirklich zu bemerken. Das ist unser großes Heimatdorf Europa ganz konkret.
Wie viel Geld hast du zur Verfügung und reicht es?
Da ich frei im Haus wohne, bekomme ich 2100 Kronen (ca. 210€) 1000 landen in der WG-Kasse, der Rest ist für mich für die Freizeit und reicht sehr gut.
Hast du eine Ansprechperson bei Problemen?
Wir haben eine Missionsleiterin, die voll für uns zuständig ist, ich kann aber auch meine Mitbewohner oder die Pfarrer fragen, je nachdem, womit ich gerade arbeite.
Land und Leute:
Hast du guten Kontakt zu Einheimischen und hast du Freunde gefunden?
Da ich sowohl sofort in einer WG und der Jugendgruppe der Kirchengemeinde ankam, hatte ich sofort wunderbare Mensch um mich rum, die mich willkommen geheißen und mir alles gezeigt haben.
Was glaubst du ist typisch für das Land und die Leute?
In Schweden gibt es einfach kein 'Sie', weder in der Sprachen, noch im Verhalten. Man redet sich mit Vornamen an, und ist unglaublich offen zueinander - nur zu empfehlen!
Wie ist das Essen?
Da in der WG immer einer von uns für alle, die da sind, kocht: perfekt ;)
Hab ich noch was vergessen? Ach ja Fika. Natürlich! Mir wurde gesagt, dass sei das wichtigste Wort in der schwedischen Sprache, es beschreibt eigentlich nur, dass man sich aktiv was zu essen, insbesondere Kuchen schnappt, sich hinhockt und vor allem miteinander redet. Klingt bekannt, doch das machen wir eigentlich andauernd, da das Miteinander in Schweden unglaublich wichtig ist...
Hast du die Landessprache gelernt?
Vielleicht hatte ich es am Anfang sogar zu leicht mit meiner deutschen Mitbewohnerin und damit, dass in Schweden so gut wie jeder Englisch spricht, sodass es recht normal war sich hier im Haus nahtlos auf drei verschiedenen Sprachen zu unterhalten. Da Schwedisch und Deutsch sich sehr ähnlich sind, konnte ich schnell fast alles verstehen, auch wenn das Sprechen natürlich weitaus schwerer ist. Doch ich bekomme zweimal die Woche privat Schwedisch-Unterricht mit anschließendem Fika :) Auch wenn es manchmal hart ist, bin ich froh, dass meine Freunde vor Kurzem beschlossen haben, nur noch schwedisch mit mir zu sprechen...
Was war das Schönste, was du bisher erlebt hast?
Zwei wilde Elche und zwei deutsche Freundinnen, die mich in Schweden besucht haben - quasi das Best Of zweier Welten!
Hast du auch schlechte Erfahrungen gemacht?
Am Anfang stand oft das Gefühl, wegen der Sprache in der Arbeit mit den Kindern, nicht so viel geben zu können, wie ich gewohnt war oder von mir erwartete. Doch das ist ein Problem, dass sich mit der Zeit selbst löst, auch gerade weil dich Kinder durch ihre Art ermutigen, die wenigen Sätze, die man bereits auf Schwedisch kann, auch wirklich zu nutzen.
Was hast du Neues gesehen oder gelernt?
Um mal die Bibel zu zitieren, "wollte man das alles eins nach dem anderen aufschreiben - mir scheint, es wäre wohl auf der ganzen Welt nicht genügend Platz für die vielen Bücher, die dann noch geschrieben werden müssten."
Persönliches:
Haben sich deine Erwartungen erfüllt?
Ich lasse große Veränderungen gern einfach auf mich zukommen, doch egal welche Erwartungen ich hatte, sie wurden übertroffen.
Hat dich dein Auslandsaufenthalt verändert?
Auf jeden Fall, wir verändern uns alle ständig, doch dieses eine Jahr prägt und stärkt mich sehr in meiner Persönlichkeit, meiner Sicht auf die Welt und auf Andere und erinnert mich daran, wie wichtig Freundschaften sind.
Was hast du dir für den Rest deines Aufenthaltes noch vorgenommen?
Den Rest der Zeit zu rocken, den Kindern und Jugendlichen, mit denen ich arbeite noch Wertvolles mitzugeben, das Land zu entdecken und mehr zu reisen, als ich es bis jetzt getan habe. Aber vor allem jeden Tag als Geschenk und nicht als gegebenes Recht zu sehen.
Was bringt dir deine Zeit im Ausland für die Zukunft?
Erinnerungen, die ich nie wieder vergessen werde, Erfahrungen, wie es ist, selbständig im Ausland zu Leben und Freunde auf Neues. Ich freu mich darauf, noch viel mehr von unserem Planeten kennenzulernen.
Insider Tipps:
Welche Insider Tipps kannst du Jugendlichen geben, die das Land bereisen möchten?
Versuchs mit dem SAS-Jugentarif, plane gut, was du machen möchtest und rechne damit, dass das Leben sie umwirft...
Bist du zufrieden mit deinem Projekt/ deiner Organisation und würdest sie weiterempfehlen?
schlicht und einfach: JA!
Welche Tipps kannst du Jugendlichen geben, die auch ein (Aupair/ EFD/FSJ i.A. usw.) machen möchten?
Mach deine eigenen Fehler, sei offen für dich und hab Vertrauen in dich! Vergiss nicht für wen und warum du machst, was du tust. Do you see your true colors shining through?
Drei Dinge, die du unbedingt mitnehmen würdest?
1: Kamera - Auch wenn es heißt, fotographiere mit dem Herzen, nicht mit der Kamera, freu ich mich darauf, mit 80 zu lächeln, wenn ich Bilder und glückliche Erinnerungen von Freunden und mir in Schweden sehe!
2: Führerschein - Auch wenn das öffentliche Verkehrsnetz hammer ist, Schweden ist echt riesig! Es muss kein eigenes Auto sein, das des Mentors oder ein Mitbewohner mit Auto tut es genauso...
3: Brot - Auch wenn es komisch klingt und natürlich gibt es in Schweden auch Brot, doch erst seit dem ich nicht mehr in Deutschland bin, fällt mir auf, dass es diese deutsche Brotkultur, die für mich so selbstverständlich war, in den meisten anderen Ländern gar nicht gibt. Die Schweden kaufen ihr Brot im Supermarkt, Bäckereien sucht man hier vergeblich und auch für Brötchen, gibt es einfach kein Wort in der schwedischen Sprache - was soll's, dann backen wir eben selbst.
Mehr Infos:
Schreibst du einen Blog und möchtest die Adresse an interessierte Jugendliche weitergeben?
- Prästgården im Video: "Huddle i Broby" auf YouTube -
-Prästgården auf Facebook-
> Weitere Bilder meines EFDs sind hier.
Wünsch dir von Herzen alles Gute, take care and be blessed
Kram Lenny