Heiratswillige Türken und was einem beim Trampen sonst noch so begegnet
Die ersten drei Tage unserer Hitch-Hiking-Tour nach Fethiye in ein paar mehr Wörtern zusammengefasst.
23/11/2011
Endlich in Fethiye. Nach drei Tagen Daumen ausstrecken an unterschiedlichsten Straßenecken sind wir also an der sonnigen Mittelmeerküste angekommen.
Sonntagnachmittag also los von Antep aus. Am „Otogar“ (Busbahnhof) nimmt uns ein junger Typ im aüßerst abgewrackten Auto die nächsten 5 km mit. Also immer noch in Antep. An der Autobahnauffahrt stehen wir bis es fast dunkel wird, der Sonnenuntergang vor den Bergen, die Gaziantep umgeben ist unglaublich, aber langsam werden uns die Arme lahm und wir brauchen möglichst vor Einbruch der Dunkelheit einen „lift“, da uns ansonsten keiner mehr sieht. Ein Reisebus hält schließlich an und nimmt uns mit nach Adana. Hier schauen wir im „Ora Café“ vorbei, Empfehlung eines Freundes aus Antep, und gönnen uns ein kühles Efes. Live-Musik in Cafés ist hier normal, wir lauschen traditionellen türkischen Liedern.
Der Otogar ist angenehm warm und gibt uns Herberge für die Nacht. Am nächsten Morgen geht’s früh los mit dem Bus nach Mersin.
Dort nimmt uns gegen Abend ein freundlicher LKW-Fahrer für die nächsten 30 km mit. Es ist dunkel mittlerweile und wir steigen an einem kleinen „Restaurant“ an der Straße mitten in der Pampa zwischen Mersin und Silifke ab. Das sogenannte Restaurant ist genauer gesagt eine kleine Hütte, in der wir Çay trinken und Çorba (Suppe) essen können. Musa, der Besitzer, mitte 50, spricht fließend deutsch und fragt mich über meinen Türkei-Aufenthalt aus. „Hast du Vater und Mutter in Deutschland?“ – „Natürlich habe ich Vater und Mutter“, antworte ich. „Ich werde deine Mutter heiraten, nach Deutschland ziehen und du wirst Geschäftsführer des Restaurants!“, verkündet er in vollem Ernst. Ich kann ihn damit beschwichtigen, dass ich auf dem Rückweg mit Sicherheit wieder hier vorbeikommen und und es mir bis dahin überlegt haben würde. Der Sonnenuntergang am Meer ist wieder wunderbar allerdings wird es eisig und die Autos immer weniger. Irgendwann lädt dann ein Reisebus auf dem Weg nach Antalya die zwei halb erfrorenen Tramper auf und eine 11-stündige Busfahrt (20 Lira p. P) beginnt. 01:30h sind wir am Otogar von Antalya. Funny fact: am Haupteingang kontrolliert man uns mit Metalldetektoren auf gefährliche Gegenstände, am Ausgang an der Rückseite, den ich zwischendurch benutze um eine Stange Wasser an den Baum zu stellen, kann man unbehelligt ein- und ausgehen. Wäre ich ein PKK-Terrorist, ich glaube, ich würde den Hintereingang benutzen. Soviel zu türkischen Sicherheitsvorkehrungen.
Im Gegensatz zu dem in Adana ist der Otogar in Antalya recht frostig, Schlafen also Fehlanzeige. Ich schlage die Zeit mit türkischen Kurzgeschichten tot, die mir eine Freundin mitgegeben hat. Währenddessen umschleichen uns in regelmäßigen Abständen zwielichtige Gestalten, als wir einmal den Platz wechseln, folgen sie uns, fragen uns nach Geld. „Hey Johnny!“. Als sie merken, dass Bülent Türke ist, verziehen sie sich wieder.
Gegen 7:30h am nächsten Morgen hole ich bei einem Straßenhändler ein paar Simit, Sesamringe, und wir stellen uns an die Straße. Nach einigen Minuten fährt uns ein junger Lehrer zum Strand, die Chance, dass man mitgenommen wird, sollen da besser sein. Als wir Strand, Meer und Berge sehen, können wir nicht widerstehen und laufen mit nackten Füßen durchs kristallklare Wasser. Mittlerweile sind T-Shirt-Temperaturen und nach ein paar entspannten Zigaretten am Strand machen wir uns wieder an die Arbeit.
11:55h – Arme schmerzen, Schlafmangel tut sein übriges. Zwei Stunden am Straßenrand. „Fünf Minuten noch“, sage ich mir. Wenn keiner kommt, werden wir CouchSurfing checken und noch eine Nacht in Antalya bleiben. 11:58h: ein LKW erscheint am Horizont. Er kommt näher und hält. „Bülääääänt!“. Der wacht auf und wir steigen in den 20-Tonner. Der Fahrer kommt aus Hatay (diese antike Stadt wird demnächst einem Stausee geopfert) in der Nähe von Gaziantep, hat Obst geladen, das er nach ganz Europa transportiert und war früher Besitzer eines Hostels. Er fährt uns die kurvigen Küstenstraßen entlang bis nach Demre.
Strahlender Sonnenschein, ein grandiose Aussicht auf die Berge, Orangen- und Granatapfelbäume an denen wir unseren Hunger stillen. Neugierige, lächelnde Menschen. Aber keiner will uns mitnehmen. Ich lege eine paar Schlafminuten auf dem Grünstreifen ein, der die Straße teilt. Nachdem Bülent mich geweckt hat, versuchen wir es weiter.
Kaş, ein kleines Küstenstädtchen, gelegen an einem Berghang. Sehr gemütlich, ein wenig touristisch, aber ohne Hotelburgen. Einziger Hinweis auf internationalen Besuch: vor einem Café weist ein Schild auf „Real Espresso!“ hin (Türken trinken „unreal“ türkischen Kaffee).
Hierher gekommen sind wir mit einem Ehepaar aus Hamburg, das uns in Demre aufgegabelt hat, sie machen gerade in Kaş Urlaub. Die Stiefschwester von Inga aus Hamburg hat einen türkischen Tauchlehrer geheiratet, der hier eine Tauchschule besitzt. Kaş ist berühmt für seine Tauchgründe. Ümit ist auch CouchSurfer, ich habe jetzt seine Nummer und auf dem Rückweg werden wir hier wohl einen Zwischenstopp machen.
Mittlerweile ist die Sonne wieder eindrucksvoll im Meer verschwunden und wir nehmen für zehn Lira (runtergehandelt von 13) einen Bus nach Fethiye.
Schön, die Freiwilligen hier wiederzusehen und mit ihnen einen Willkommens-Rakı zu trinken.
Ein gelungener Anfang unserer Reise. Şerefe!*
*) „Prost!“
Wer die Tour der letzten Tage auf Google Maps nachvollziehen will, http://g.co/maps/v7fbc !
Commentaires