Die letzten Tage in Norwegen
Hennchen erzählt von ihren letzten Tagen in Norwegen und der Reise in den Süden. Ein bisschen komisch ist es schon, dass ihr EVS jetzt vorbei ist, aber Norwegen wird sie ja bald wiedersehen!
Letzte Woche
An meinen zwei letzten Wochenenden war ich noch mal auf zwei Bergen wandern. Auf dem Böblaheia und dem Strandheia. Beides Berge, auf die ich schon häufiger geplant hatte zu gehen, aber jedes Mal irgendeine Ausrede gefunden habe, oder irgendwas dazwischen kam.
Es war geniales Wetter, die Sonne schien und es war richtig warm (für nordnorwegische Verhältnisse).
Die Tour war total schön. Teilweise Blumen, rosa, gelb, viel Wollgras, teilweise noch meterhoher Schnee, manchmal ganz karg, plötzlich ganz grün.
Vom Böblaheia hat man eine geniale Aussicht. Man sieht im Osten den Sortlandsund und dahinter die hohen Schneeberge. Im Norden Annöya, die nördlichste Insel der Vesteralen, dahinter das Meer, im Süden die Lofoten und im Westen das offene Meer. Unglaublich, das macht echt was aus, wenn man auf einem Berg steht, der 200 Meter höher ist, als der Sortlander Hausberg.
An dem Abend, nachdem wir uns erst einmal in der Sonne ausgeruht und Waffeln gebacken hatten, die wir mit selbstgemachter Erdbeer- und Moltebeermarmelade aßen, gab ich meiner Freundin wieder eine Cellostunde. Die arme wurde in den letzten Wochen richtig mit Noten zugehäuft.
Dann setzten wir uns ins Auto, um am Steinstrand auf der Hadselinsel die Mitternachtssonne zu sehen. Aber traurigerweise stand die Sonne genau hinter einem Wolkenstreifen.
Danach mussten wir noch eine Stunde auf die verspätete Hurtigrute warten, wir saßen Musik hörend im Auto, und jede Jury die uns gesehen hätte, hätte uns den Oscar für die besten Luftgitarristen verliehen. Es war ein sehr lustiger und gelungener Tag, so dass ich am Sonntag nichts unternahm, sondern fast nur schlief.
In der letzten Arbeitswoche lief nicht mehr viel. Aber ich arbeitete wie wild, die Videoclips von der Videokasette noch auf meinen PC zu bekommen. Dabei gab es einige Schwierigkeiten, weil das Programm sich nicht installieren lassen wollte, der USB-Treiber nicht passte, und der PC keine DVD’s brennt, aber ich bin stolz, alle Clips sind jetzt auf meinem PC. Na ja fast alle, und so kann ich doch noch meinen Film schneiden.
Am Dienstag war ich zum Abschluss noch mal zum Kajakfahren eingeladen. Wir paddelten auf dem Sortlandsund und es gab ne ganze Menge Wellen. Es war total cool, aber hammeranstrengend! Beim Rückweg hatten wir dann keinen Gegenwind mehr, und das war viel schwieriger das Boot zu halten, damit es sich nicht auf den Wellenbergen dreht. Ich bin nicht gekentert, aber muss wohl noch trainieren.
Am Mittwoch war Abschlusskonzert von der Kulturschule. Das Kinderorchester spielte, die Kindertanzgruppe kam verkleidet als Clowns auf die Bühne, und ich bekam ein Vesteralenbuch zum Abschied, mit ganz vielen schönen Bildern und Gedichten.
Am Freitag war das letzte Mal Klubb. Ich muss ganz ehrlich sagen, darüber bin ich froh, ich konnte es kaum fassen. Zum letzten Mal?
Ich hatte auch schon angefangen meine Koffer zu packen, und mein Zimmer aufzuräumen. Ich sollte ja am Samstag ausziehen. Das Zimmer war ganz furchtbar leer ohne meine Bilder und meine Sternenketten... und die Koffer viel zu schnell voll.
Die letzte Nacht in meinem Bett, die letzte Nacht in meinem Zimmer... sehr komisches Gefühl. Getröstet war ich dadurch, dass ich ja nicht am nächsten Tag abreisen würde. Nein, erst am Donnerstag.
Am Samstag um 13 Uhr stand dann meine Tutorin vor der Tür und half mir, mein Gepäck ins Auto zu laden. Meine letzten Tage durfte ich in der Einzimmerwohnung in der Garage meiner Tutorin wohnen. Das ist total schnuckelig und alles da, Internet ( das Kabel hab ich natürlich erst am Abreisetag entdeckt, Küche, Bad, nur keine Badewanne, in die werd ich noch an dem Abend einsteigen, an dem ich wieder in Deutschland bin.
Am Dienstag war ich mit den zwei italienischen Mädels auf Radtour, wir radelten zu einem kleinen See. Es war fantastisch. Ganz viel Wollgras. Das ist Gras, dass an der Spitze so Wollknäuel hängen hat, so als wäre eine Schafherde vorbeigelaufen und wäre überall hängen geblieben.
Jetzt sitze ich im Zug. Wir sind jetzt in Hönefoss. Fahren seit 2 Stunden.
Habe letzte Nacht in Oslo bei einer Freundin geschlafen, mich mit der Freiwilligen von Nesodden getroffen, etwas Fußball auf der Großleinwand am Hafen geschaut, bis es mir zu kalt wurde, war etwas im NRK-Konzert und war nachher noch in einer Kneipe. Es war ein sehr schöner Abend. Das allertollste aber war, in Oslo ist es warm! Es regnete zwar, was für eine Luftfeuchtigkeit, aber soooo warm!
Und es wurde dunkel, nicht schwarz, aber doch eindeutig so dunkel, das die Straßenlaternen angingen, krass, mir kamen die Tränen.
Mensch, was ist das hier für ein Chaos! Da trägt grad irgendjemand mein Cello rum. Hallo, das ist meins! Und dauernd werde ich von meinem Platz aufgescheucht, äh, aber das ist nicht ihr Platz, klar, aber auf meinem Platz sitzt auch jemand anders.
Gestern im Flugzeug saß neben mir auch ein ganz komischer Kauz! Ein älterer Mann, mit schwarzen Fingernägeln, in einem Finger hing sogar ein Faden. Er hatte einen Regenschirm mit gebogenem Griff als Gehstock und hörte die ganze Zeit mit einem Ohr Musik von einem Diskman. Er hatte so Gummiabdichtungsringe als Armband und las Zeitung.
Irgendwann bemerkte er, dass ich ja ein Cello neben mir hatte, und dann hat er mich gefragt, was ich mache und so. Er hat dann angefangen zu erzählen, warum er nach Oslo fliegt.
Es gibt in Nordnorwegen nämlich 5 Kommunen, die vor vielen Jahren in die falschen Aktien investiert haben. Und jetzt voll im Minus stehen. Und dass 2002 derjenige einen Brief an so und so geschickt hat, und dass aber in Paragraph das und das steht... er hat nicht mehr aufgehört zu erzählen, und ich wollte ja nicht unhöflich sein, auf irgendeine Weise tat mir der Mann ja leid, er schien mir sehr einsam.
Na ja, ich hab's geschafft ihn zum Schweigen zu bekommen, und zwar so, dass er nicht gekränkt war. Als wir gelandet waren überreichte er mir ein Gedicht, dass er selbst gedichtet hatte, ausgedruckt, mit einem kitschigen Bildhintergrund. Auf der Rückseite hatte er geschrieben: Hallo, vielen lieben Dank für dieses nette Gespräch, viel Glück, gezeichnet Herr Plapla, mit Adresse, Telefonnummer... - auf jeden Fall ein besonderer Flug.
Es wird immer grüner draußen, mehr und mehr Kiefern und hohe Birken, das gibt’s tatsächlich auch in Norwegen! Neben mir eine Norwegerin, vor mir Amerikaner, hinter mir Deutsche, ich bin wieder umgezogen, in Wagen 446, Platz 56. Vorher war ich in Wagen 444, und 445, ich hoffe ich muss nicht noch mal umziehen.
Mir geht’s grad nicht gut, auch wenn ich eigentlich auf dem Weg nach Bergen bin. Da wollte ich doch immer hin, mit dem Zug. Aber ich hab grad einen Tritt bekommen.
Ergebnis vom Eksamen:
Mündlich: 3, das ist ne 4 im deutschen Notensystem
Schriftlich: 1, das ist ne 6, scheiße, scheiße, scheiße.....aber ich hätte es wissen müssen!
Jetzt muss ich den Bergenstest schaffen, und schaffe ich den? Ich muss mich in Deutschland sofort um ein Zimmer kümmern und dann lernen, lernen, lernen und ganz viel norwegisch schreiben.
Auf der linken Seite grad mal wieder ein See, rechts Bäume, Bäume, Bäume, und Berge.
Ich will Schokolade!
Ich wurde von meiner Tutorin, der Klubbleiterin und dem Musikschuldirektor am Bus verabschiedet. Die Klubbleiterin hatte noch ein eingerahmtes Bild mit allen Clubarbeitern für mich, juhu, noch mehr Gepäck!
Die zwei italienischen Mädels waren auch da und winkten mir nach... aber zum ersten mal musste ich nicht weinen, aber lachen konnte ich auch nicht, nee, es war ganz komisch!
23.Juni
Wenn ich aus dem Fenster schaue, dann sieht es nicht so aus, als wäre es Juni. Es regnet wie aus Kübeln. Ich sitze bei einer Freundin auf dem Sofa in Haugesund in Westnorwegen.
Die Vegetation ist hier ganz anders. Es gibt fast alle Pflanzen, die es auch in Norddeutschland gibt. Von der Apfelrose, über den Flieder bis zur Brombeere. Und dass es so viel regnet, und dabei so warm ist, das habe ich fast vergessen.
Wird wohl schwer, sich wieder in Deutschland einzugewöhnen. Ich hab’s lieber kalt und unregnerisch.
Die Busfahrt nach Haugesund war total schön. Die Berge hier sind ganz rund und gehen ineinander über. Überall hohe Bäume, und meistens sind es Kiefern. Teilweise sieht es hier wie im Thüringer Wald aus. Auch die Küste ist ganz anders. Die Stein-Berge verschwinden im Wasser und es gibt keine Sandstrände.
Ich finde es unglaublich, dass ich hier immer noch in Norwegen bin. Es ist so ganz anders als Nordnorwegen. Die Häuser und das Klima ähneln hier der deutschen Nordseeküste, aber mein Norwegen, dass ich jetzt 9 Monate erlebt habe, das ist einfach ganz anders und ich vermisse es schon etwas.
Morgen ist mein EVS dann vorbei. So schnell. Ich werde morgen den Flybuss nehmen und dann von Haugesund nach Kobenhagen und von dort nach Stuttgart fliegen.
Nur noch 30 Stunden!
Am Abend waren wir dann bei der St.Hans-Feier. Als wir mit den vollen Kaffeekannen kamen, goss es wie aus Kübeln, aber um 18 Uhr hörte es plötzlich auf, und es kamen sehr viele Familien mit ihren Kindern. Es gab viele Angebote, wie z.B. ein Kotzkasten, das war eine Holzkiste, in die sich ein Kind setzte und der an einem Seil hing. Und dann wurde der Kasten gedreht...
Es gab auch so eine Art Karusell, aber bestehend aus einem Holzbalken, der an einem Pfahl befestigt war. Man konnte Kanus ausleihen, zwei Kinder kenterten auch, es gab Kuchen und man konnte seine Würstchen auf den Grill legen. Und gegen acht Uhr wurde auch das Feuer angezündet. So konnte ich mich wieder auftauen, und den letzen Abend in meinem EVS-Jahr in Norwegen genießen.
Die Sonne war sogar so freundlich und zeigte sich noch mal.
Es war ein sehr schöner, letzter Abend in Norwegen.
Und ich muss ja nicht traurig sein, in nur 6 Wochen bin ich schon wieder da...