Ende Januar
Hennchen traut sich zuviel zu und verläuft sich in norwegischen Wäldern. Was nun? Da kommt unerwartete Hilfe daher. Glück gehabt!
Die Zeit rennt und rennt.
Gestern kam ich vom Mid-Term-Meeting in Oslo zurück. Und heute sitze ich wieder in meinem schönen Zimmer. Vor mir steht noch eine leere Weinflasche. Spätburgunder aus Baden. Ja, Ihr lest richtig. Deutscher Wein! Und der kam mit meinem ersten Besuch Ende Januar. Mit ihm auch noch viele andere gute Dinge, wie Doppelkekse, Käse, Nutella, vegetarischer Brotaufstrich und die Sonne. Am 22.1 spürte ich endlich wieder schwache Sonnenstrahlen in meinem Gesicht. Weil Sortland ja hinter Bergen versteckt liegt, hatten wir wohl schon zwei Wochen vorher am Freitag das erste Mal beim Wetterbericht Sortland, Sonne: 10.45-10.51 stand nichts davon mitbekommen.
Wir sangen im Kindergarten Sonnenlieder und im Norwegischkurs bekamen wir Solboller. Das sind Hefebrötchen, die in der Mitte mit gelbem Pudding gefüllt sind und am Rand mit Kokosstreuseln verziert werden. Am Wochenende wurden wir von meiner Freundin und deren Familie zum sildmölje eingeladen. Das war was ganz großes, weil das das erste Mal in diesem Jahr war. Mölje ist verschiedenes vom Fisch (fragt mich nicht, welcher Fisch) wie die Leber und die Eier. Dazu isst man noch Kartoffeln. Es war superlecker. Die Leber war aber auch etwas ganz besonderes. So weich und zart, ähnlich von der Konsistenz wie Schokolade, aber eben Fisch.
Es war ein wunderschöner Abend, der mit Nordlichtern beim Nachhauseweg zum perfekten Abend wurde. Ich habe in der Woche auch einen Norwegischtest gemacht, als Probe. Hätte bestanden, aber jetzt habe ich erfahren, dass ich um hier zu studieren einen anderen Test machen muss, und dazu auch noch einen in Englisch.
Ich werde es also wenigstens probieren. Weil wenn ich in youtub auf Videos mit deutschen Serien stoße oder jemanden tief schwäbisch sprechen höre, habe ich überhaupt keine Lust zurück zu kommen. Auch wenn es hier eigentlich immer regnet. Wir hatten vorletzte Woche so viel Schnee, es war fast ein Meter hoch. Mein Kumpel und ich gingen auf den Steiroheia. Das war echt mühsam mit dem vielen Schnee. Wir versanken ab und zu bis den Knien. Aber wir haben es geschafft. Und die Aussicht ist einfach jedes Mal den Aufstieg wert! Wir wollten auch noch auf den Strandheia. Der liegt auf der anderen Seite vom Sund. Man muss also über die Brücke und die Straße entlang, bis zum Parkplatz, auf dem jeder normale Mensch, der eben ein Auto besitzt hinfährt und sein Auto dort abstellt.
Tja, ich hab keins. Und so sind wir 1 1/2 Stunden auf der Straße zu diesem blöden Parkplatz gelaufen, um endlich auf den Berg zu kommen. Nachdem wir dann aber etwas hochgestiegen waren, war uns so kalt und es fing schon wieder an zu dämmern, dass wir uns wieder auf den Heimweg machten und ich, weil ich die Nase so voll hatte, meinen Daumen rausstreckte. Und es hielt doch tatsächlich gleich jemand an. Das war vielleicht deprimierend, die ganze lange ätzende Strecke fährt man mit dem Auto in fünf Minuten!
In der letzten Januarwoche hatten wir dazu auch noch einen anderen Besuch aus Deutschland. Ein Professor aus Karlsruhe war da und übte mit uns im Streichorchester. Wir hatten am Samstag und am Sonntag in Melbu auch Konzert. Es war sehr schön, endlich mal wieder richtig Musik machen zu können und mir viel wieder etwas auf, die gute deutsche Qualität! (Wir sind besser ausgebildet, finde ich) Es war wunderschön Besuch zu haben. Von der Arbeit nach Hause zu kommen, einen Schneeball ans Fenster zu schmeißen, weil man zum allerersten Mal keinen Schlüssel dabei hat und dann Heim zu kommen und es ist jemand zu Hause, der sich auch freut und der dann sogar für einen klasse Fisch kocht! Vielen, vielen Dank dafür!
Die Zeit ging aber leider sehr schnell vorbei. Am Donnerstagabend lud ich meine drei Freundinnen ein und wir aßen gemeinsam Kaiserschmarrn und spielten Kluedo. Am Freitag hatten wir dann ein großes Projekt im Klub. Es gab einen Kochkurs, bei dem wir Burger und Fisch, Kaiserschmarrn und Schokoladenpudding selbst machten. Es war ein großer Erfolg und ich war wieder überrascht, dass die Jungs noch nie in ihrem Leben selbst gepressten Orangensaft getrunken hatten oder nicht wussten, wie man ein Ei trennt. Samstagfrüh, nach einer kurzen Nacht, stiegen wir in den Bus, um zum Flughafen zu fahren.
Wir blieben drei Tage in Hönefoss, dort, wo ich auch Weihnachten gefeiert hatte. Am Montag fuhren wir für vier Stunden nach Olso rein. Und nach dem letzten Abend, wo wir uns die Feuerzangebowle auf Deutsch anschauten, stieg mein deutscher Besuch in den Bus zum Flughafen. Ich besuchte an dem Tag einen Workshop und war dieses Mal vormittags in der Bäckerei. Weil die 20 Minuten mit dem Auto entfernt liegt und ich schon lange nicht mehr durch norwegischen hohen Wald gelaufen bin, hatte ich eine geniale Idee. Ich wollte zurück laufen, wusste aber den Weg nicht. Ich lief also an der Straße entlang. Richtung Hönefoss und Oslo stand auf dem Schild. Ja, das war bestimmt richtig. Ich lief lange. Bestimmt 1 1/2 Stunden.
Es begann immer mehr zu schneien. Irgendwann kam ich an einer Tankstelle an und fragte dort einen alten Mann. Der war total nett und erklärte mir aber, dass es bis zu dem Dorf, wo ich hin wollte, zu Fuß auf jeden Fall vier Stunden wären. Da bekam ich einen Schrecken. Mir war ja schon kalt. Typisch Heni! Das kann nur mir passieren! Von wegen, ich weiß den Weg! Ich weiß nicht alles!
Aber ein Glück gibt es ja auch in Südnorwegen alte Opas, die einen nach Hause fahren, wenn man ihnen erzählt, dass man aus Deutschland kommt und sich fürchterlich verlaufen hat und auch kein Handy dabei hat! Am Nachmittag brachte mich deswegen niemand mehr raus und ich verkroch mich mit dem letzten Band Harry Potter im Bett (bin jetzt immerhin schon auf Seite 110)!