Neue Wohnung, Wochenende und freiwillige Kartographie
Die ersten richtigen Arbeitstage sind rum und das Wochenende habe ich mit Stadt-Erkundung und einem Festival verbracht.
Es ist wieder etwas Zeit vergangen und es ist auch wieder einiges passiert...
Seit letztem Mittwoch hat meine Arbeit im Kindergarten offiziell begonnen und Tag für Tag werde ich neue, geheime Funktionsprinzipien des Mysteriums Kindergarten a.k.a. wann die Kinder ihre Hände waschen sollen, wie man mit welchem Kind am besten umgeht und wie man am nach Atis' (Maestra) Meinung am Besten Hafer-Brei / Schleim / Suppe macht, eingeweiht.
Die Suppe:
Die Abneigung des Großteils der Kinder gegen dieses zweifelhafte Machwerk kann ich voll und ganz nachvollziehen. Nach erfolgter Anweisung von Seiten Atis' mischte und rührte ich in gewohnter Manier drauflos, mit der Absicht, den Kindern einen Porridge-ähnlichen Haferbrei servieren zu können. Zwar musste ich statt Wasser "Hafer-Trunk" nehmen (es gibt hier alle möglichen Trünke: Hafer-Trunk, Reis-Trunk und einen Haufen seltsamer milchähnlicher Produkte - Vollmilch wie in D. ist im Supermarkt wirklich schwer zu finden), doch dachte ich mir nichts Böses dabei. Bis Atis mich dann darauf aufmerksam machte, dass das Ganze viel zu fest sei - sie kippte noch 3 Liter Hafer-Trunk dazu. Als Würzung lediglich eine Prise Zimt - kein Wunder, dass das nicht schmeckt.
Das abschließende Spülen wurde mir dadurch auch nicht gerade erleichtert, da nun 80% der Schälchen mit 80% ihres ursprünglichen Inhalts zurückkamen...Mir fallen noch ein Haufen weiterer Nachteile des Hafer-Gebräus ein, wie z.B. das man ihn wie Suppe essen muss, weil er so flüssig ist.
Naja...das werde ich wohl mal nachhaken.
Die Kinder:
Von unterschiedlichem Temperament: da ist beispielsweise Gara, ein kleines, fast immer rosa angezogenes, 5-jähriges Mädchen, deren Hauptbeschäftigung es ist, den Betreuern Honig ums Maul zu schmieren, andere anzuweisen und zu beweisen, wie gut sie schon alles alleine kann.
Oder Anél aus dem Iran, der neu ist und meistens müde, missmutig und misstrauisch das ihm anscheinend noch etwas fremde Geschehen in einem Waldorf-Kindergarten beäugt.
Dann ist da noch Allaya, die geistig behindert ist und einiges an Tricks draufhat, um genau das Gegenteil dessen zu tun, wozu man sie gerade bewegen will. Haferbrei-Verköstigung ist da nicht ohne Schwierigkeiten zu bewältigen. Auf Toilette gehen kann sie aber schon prima alleine.
Auch ein ADHS-Kind namens Daniel haben wir hier, das öfter mal grundlos anfängt zu plerren oder zu bocken...
Dass ich bisher noch nicht so gut Spanisch spreche, macht es mir natürlich nicht unbedingt leichter, Respekt und Aufmerksamkeit von den Kindern zu bekommen und ihnen Anweisungen zu erteilen...me faltan las palabras.
An den Schlafrhythmus gewöhne ich mich hier langsam und auch daran, dass man in meiner Wohnung alle lauteren Geräusche der umliegenden Bewohner hört. Schon ein paar Mal öffnete ich die Wohnungstür, um irritiert festzustellen, dass in der Nachbarwohnung geklingelt wurde...
Die Arbeitszeit von 7 Std. (8:00 bis 15:00) geht erstaunlich schnell rum, sehr anstrengend ist es auch nicht - allenfalls das lange Stehen beim Abwasch nach dem Mittagessen.
Umzug und Wochenende
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Seit letztem Donnerstag genieße ich ein mir neues Gefühl von Freiheit und Selbständigkeit - ich bin umgezogen in die Freiwilligen WG in La Laguna, einem 200K-Einwohner-Studentenstadt. Juan hat mich in einem spontanen Anfall von Tatendrang "rausgeschmissen", als er erfahren hat, dass die Wohnung fertig ist. Meine Zimmer-Kumpels: Me, Myself and I. I pennt im Moment noch auf dem Sofa, weil es nur drei Zimmer gibt. Nun gut, zurück zu den nackten Fakten:
Wohnung: drei Zimmer, davon zwei groß, eins klein mit jewils einem Schrank, einem Bett und einem Schreibtisch. Eine Küche mit Mikrowelle, Gas-Herd und Ofen, Kühl- und Gefrierschrank und einer Tür raus in den Lichthof, wo die Waschmaschine steht. Ein großes Wohnzimmer mit Sofa, Tisch und Fernseher. Zwei Bäder, davon eins mit Dusche.
Hohe Decken, Wände in pastelligem Rot gestrichen, alles ganz nett also. Es mieft hier alles ein bisschen alt und vergammelt, aber man ge-wohnt sich dran.
Antonia (Co-Freiwillige) zieht erst im Laufe der nächsten Woche ein - kein Problem, alleine wohnen ist auch nett, ich hab ja meine Musik, Rechner, Bücher und v.a. eine schöne Altstadt, die es zu erkunden gilt.
Um gleichzeitig meinen Drang nach technisch angehauchter, möglichst linuxoider Aktivität, der Mitarbeit an einem OpenSource-Projekte und frischlufthaltiger Freizeit-Gestaltung miteinander verbinden zu können, schmiedete ich einen schier genialen Plan:
Zuerst zweigte ich ein wenig Bandbreite von einem meiner freundlichen unbekannten Nachbarn, dessen WLAN sich im begrünten Innenhof meines Wohnblocks wunderbar empfangen lässt.
Versorgte mich mit den notwendigen Informationen, packte meinen Neo Freerunner (Linux-Smartphone und "Taschen-Computer" mit u.a. GPS) am Kragen und los ging sie: die Mitarbeit an der freien Weltkarte OpenStreetMap, die - ähnlich wie Wikipedia - mit Hilfe der Mitarbeit von Tausenden Freiwilligen wächst und gedeit. Mein funktionsmäßig eher kränkelndes Linux-Smartphone findet nun endlich eine anständige Verwendung, v.a. sein GPS. Um den ersten Arbeitsschritt, das Aufzeichnen von Routen, mal zu testen latschte ich also mit ausgestreckten Freerunner durch die Altstadt La Lagunas und trug fleißig POIs (Points Of Interest), wie Museen, Kirchen, Apotheken und Supermärkte ein.
Die weiteren Arbeitsschritte Bearbeiten und Hochladen stehen noch vor mir, aber ich habe ja noch viel Zeit...
Am Abend holte mich dann Juan am Busbahnhof ab und wir fuhren zusammen zum "RollerCoaster"-Festival in Santa Cruz. Festival klingt hier nach mehr, als es in Wirklichkeit war: ein Konzert mit sechs Bands und zwei DJs. Nach gemeinsamem Vorglühen mit Juans Kumpels und Kumpelinen auf dem Parkplatz gings dann auf Gelände zur ersten Band "Line", die elektronisch angehauchten Rock/Punk spielte, so würd ich das nennen. In der Manier ging's dann weiter in Richtung Ska, bis auf eine Ausnahme die Hiphop-Gruppe "La Excepción" aus Madrid.
Zwar nicht alles so ganz meine Musik-Richtung, aber zum Rumspringen und abgehn ganz gut...
Zu schlechter Letzt kam dann noch die eine Hälfte von "The Crystal Method", einem einheimischen Elektronik-Duo. Auch wenn es der einzig "vollelektronische" Act auf dem Festival war, hat er mir doch am wenigsten gefallen. Statt live zu spielen legte der Typ Chart-Elektro auf... Anlass für mich, mich von Juan und seiner Freundin mit nach La Laguna nehmen und in La Laguna abladen zu lassen. Bleibt zu hoffen, dass Teneriffa auch noch andere elektronische Musik zu bieten hat.
Anbei seht ihr noch ein paar Fotos von der unmittelbaren Umgebung meiner Wohnung.
Nun denn, auf dass eure dürstenden Seelen sich mögen laben an der Köstlichkeit des irdischen Daseins!
(Oh Mann...was für ein Schwachsinn -> geschrieben in Ermangelung eines anständigen Schlusssatzes. Hiermit begründe ich eine Tradition: jeden meiner Beiträge beende ich mit einem pathetisch-verschrobenen Schlusssatz.)