Menschenrechte in der Türkei
Dieses sensible Thema begegnet mir in meiner Arbeit mit den Jugendlichen Im Jugendzentrum immer wieder – daher möchte ich an dieser Stelle einmal einen aktuellen Stand der Menschenrechtssituation in der Türkei darstellen.
Wegen meiner Arbeit bei Amnesty International bin ich wahrscheinlich auch für das Thema sensibilisiert, aber es ist auch einfach zu allgegenwärtig: Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Vor kurzem kam in einer Englisch-Konversationsklasse das Thema auf, welche Dinge es in der Türkei nicht gibt die es im Ausland gibt. Unsere Studenten sprudelten nur so über mit Begriffen wie Demokratie, Pressefreiheit, freie Meinungsäußerung und Gleichberechtigung. Tatsächlich gehören wir aber noch zu den Privilegierten, die diese Verletzungen nicht wirklich betreffen, viel härter trifft es ethische und religiöse Minderheiten, nicht-heterosexuelle Menschen und politisch Aktive.
Nach diesem aufrüttelnden Ereignis habe ich mich noch einmal näher mit der konkreten Menschenrechtslage in der Türkei beschäftigt und bei internationalen Organisationen wie Amnesty International, Freedom House oder Human Rights Watch recherchiert:
Ein besonderer Umstand ist zunächst der immer noch anhaltende Ausnahmezustand des Staats nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2017. Dieser ermöglicht es, viele grundlegende Gesetze einfach auszusetzen zu Gründen der "Staatssicherheit", beispielsweisen mit spontanen Personenkontrollen, die vermutlich nach einem Profil (männlich, ärmlicher aussehend, arabisch/syrisch?) immer häufiger auch auf meinem Arbeitsweg stattfinden.
Die Menschenrechte nach der UN Deklaration sind in der türkischen Verfassung festgehalten, allerdings bewusst sehr offen formuliert. Und das dient Machthabern dazu, sie einfach wegzuargumentieren, im Sinne von "Pressefreiheit ist solange garantiert, solange sie das Land nicht destabilisiert.", was dann als Argument gegen jede politische Kritik dient. Mit dieser Auslegungsfreiheit wird den Menschenrechten ihr Stellenwert als Kontrollinstrument der Zivilgesellschaft genommen.
Meinungsfreiheit
Die Mehrheit der Türk*innen und der Medien betreiben "Self-Censorship", sie zensieren sich also präventiv selber, aus Angst vor Repression. Journalisten und Menschenrechtsaktivisten werden für kritische Publikationen oder investigativen Journalismus festgenommen und verurteilt, selbst internationale Medien fürchten um die Verhaftung ihre Mitarbeiter, wie es beispielsweise den Welt-Journalisten Deniz Yücel getroffen hat. Auch im Internet und in den Sozialen Medien wird zensiert: Bedeutend ist z.B. das völlige Schließen der Online-Encyclopedia Wikipedia.
Versammlungsfreiheit
Immer häufiger werden Versammlungen und Demonstrationen nicht genehmigt, wenn sie der politischen Linie nicht entsprechen. So endete der Christopher Street Day, eine jährliche Parade der LGBTI* Community, in den letzten Jahren in einer gewaltsamen Auflösung. Auch andere Veranstaltungen von nicht-heterosexuellen Menschen, so zum Beispiel ein queeres Filmfestival in Ankara wurde aus unbekannten Gründen nicht genehmigt.
Gebrauch von Folter
Menschenrechtsorganisationen berichten von schweren Menschenrechtsverletzungen in türkischen Gefängnissen, von Folter und erzwungenen (falschen) Geständnissen. Allein die unbefristete Inhaftierung von Verdächtigen ist bereits ein schwerwiegender Verstoß gegen internationales Recht.
Bewaffnete Übergriffe
Das Militär im Südosten der Türkei agiert aggressiv und gewaltsam gegenüber der vorwiegend kurdischen Bevölkerung, was allerdings nicht öffentlich gemacht wird. Daher gibt es darüber keine offiziellen Daten, aber nach Zeugenberichten führt das Militär eindeutig Operationen gegen Kurden und Kurdinnen aus.
https://www.amnesty.org/en/countries/europe-and-central-asia/turkey/report-turkey/