Lotti
Wir sind Seelengeschwister, immer füreinander da, du bist der Kopf und ich das Herz, egal ob weit oder nah. Du kennst mein Lachen auswendig, hast oft meine Träne gewischt, wir haben diese sonderbare Freundschaft aus Freude und Vertrauen gemischt. Ich bin Kaffee und du Milch, du bist Nord, und ich Süd, bin ich verrückte Leidenschaft, bist du mein Vernunft.
Lotti:
Als ich nach Deutschland gezogen bin, hatte ich zwei volle Koffer, eine Gitarre und ein gebrochenes Herz im Gepäck. Der Abschiedsschmerz pulsierte in meiner Seele und durchnässte meinen Geist. Meine Gedanken waren bei meiner Familie und meinen Freunden in Ecuador geblieben. Ich fühlte mich wie ein gefühlloser Zombie, der durch die vom Frühlingsregen gesprenkelten Straßen eines Fremden Landes ging. Die Tage kamen mir dunkler als normal vor, die Nächte waren unerträglich und die Einsamkeit schlug mir immer wieder ins Gesicht.
Warum ich dir das hier erzähle? Auf keinen Fall möchte ich dich mit meiner Erzählung traurig machen, ganz im Gegenteil. Ich wünsche mir nur, dass du dadurch verstehen kannst, was in mir vorging bevor es dich in meinem Leben gab. Menschen können ein ganzes Leben nach jemandem suchen, der einen so liebt wie man ist. Der ihre Wunden sieht und sie mit Freude heilt, jemanden, der einen besser kennt als er sich selbst. Ich bin verdammt froh, dass ich „meinen jemand“ bereits mit 19 getroffen habe.
Man wird in einer Familie geboren, findet einen Partner oder eine Partnerin wenn man reif genug ist; und dann gibt es diese eine ganz besondere Beziehung, die man Freundschaft nennt. In einer Freundschaft wird man neugeboren und entdeckt sich selbst und man findet sie obwohl man gar nicht auf der Suche ist. So fand uns die Freundschaft, und obwohl wir am Anfang abgelenkt waren, schaffte sie es uns zu vereinen. Eine wahre Freundschaft ist ein Geschenk des Schicksals und hat die Fähigkeit einem das Leben zu verändern.
Das alles habe ich erst verstanden nachdem ich dich kennenlernte. Nachdem wir so viel Zeit zusammen verbrachten, dass ich mir einen Tag ohne dich kaum noch vorstellen konnte.
Ich war damals schon so chaotisch wie ein Erdbeben und du warst die Ruhe selbst. Aus einem objektiven Punkt betrachtet nicht unbedingt passend, aber jedes Erdbeben braucht Ruhe und jeder ruhige Ort braucht ab und zu einen Erdstoß.
Ich brachte deine Welt durcheinander mit meiner südländischen Art und ständig gute Laune. Du hingegen zeigtest mir deine einzigartige Loyalität und Ehrlichkeit. Du zeigtest mir, dass unsere Beziehung viel mehr als eine Party-Freundschaft war. Viel mehr als zwei Menschen die sich getroffen hatten, um das Heimweh zu besiegen. Klar lag deine Heimat viel näher als meine, aber du warst auch so jung wie ich damals, naiv und unerfahren. Wir erschufen zusammen eine neue Heimat und du sagtest, es war wie das Nimmerland. Wir, zwei Kinder die nicht mehr Erwachsen werden wollten. Also versuchten wir die Zeit zu stoppen.
Wir gingen zusammen durch unglaublich viele Flohmärkte, ein Hobby von dir, das auch irgendwann zu mein Hobby wurde und deckten zwischen alten Klamotten, Geschirr und Musikplatten eine neue Geschichte auf, die allein uns gehörte. Mit Höhe- und Wendepunkten, mit Freude und Trauer. Ich war für dich da als dein Herz zum ersten Mal gebrochen wurde und du warst tausend Mal da, bei jedem neuen Riss, den mein Herz bekam. Mit Wein und Schokolade, mit deiner schönen und ruhigen Art. Du kennst alle meine Fehler, und doch hast du mich nie beurteilt. Du hörst mir immer zu und liebst mich genauso wie ich bin, manchmal verrückt und manchmal eben verpeilt.
Ich hoffe du verstehst, warum ich dir jetzt schreibe. Ich war vor fünf Jahre gebrochen, und dann kamst du. Wir sind uns so unterschiedlich und doch letztendlich gleich. Wir haben endlich beide begriffen, es gibt kein Nimmerland. Nun sind wir doch irgendwie erwachsen, doch im Herzen werden wir nie alt. Und wenn wieder ein Abenteuer rufen sollte, stehen wir immer bereit, das Erdbeben und die Ruhe, für immer und ewig vereint.
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