Blogeintrag Nr.1 05.08 - 21.08
Das Bier schmeckt gar nicht mal so gut; die Party ist zu Ende; Zombie Apokalypse
Nach guten zwei Wochen komme ich nun zum ersten Mal dazu, die Erlebnisse während meines EFD, der insgesamt 10 Monate dauern wird, in Kamnik, Slowenien niederzuschreiben. Am 5. August ging es also nach langem Warten auf die endgültige Bestätigung der Nationalagentur der EU, die die Gelder für den Europäischen Freiwilligendienst bereitstellt, los in Richtung Slowenien. Im Mai hatte ich begonnen, mich für EFD in ganz Europa zu bewerben. Bei der Auswahl stand weniger das Land in dem ich mich schlussendlich aufhalten werde im Vordergrund, als das Projekt und dessen Umfeld. Es sollte etwas im kreativen, kulturellen Bereich sein, wenn möglich in Zusammenarbeit mit Künstlern, Musikern und Jugendlichen. Das DKK (Dom Kulture Kamnik) bietet tatsächlich jeden Freiraum, den man sich wünschen kann, denn die Mitarbeiter hier sind durch und durch verrückt, offen für jede Schnapsidee und zugleich zum Heulen unorganisiert; alles in allem sehr sympathisch.
Nach 11 Stunden Zug- und Busfahrt (planmäßig acht ein halb, aber man kennt ja die europäischen Verkehrsunternehmen) kommen wir schließlich in unserem neuen zu Hause an und uns erwartet gleich internationaler Flair in Form eines Dutzend Freiwilligen aus Spanien, Italien, Frankreich, Deutschland, der Tschechischen Republik und Russland, das an einem Workcamp im Rahmen des www.kamfest.org, dem größten Festival der Region teilnimmt. Wir beziehen unsere eigens für uns eingerichtete Wohnung, die zwar noch spärlich ausgestattet ist, aber dafür, dass sie in einer Woche hergerichtet wurde sehr ansehnlich ist, mit Einzelzimmern, Bad, Waschmaschine und Wohnzimmer plus Küchenzeile. Von der langen Reise erschöpft, begeben wir uns schnellstmöglich in das Land der Träume, um am nächsten Morgen den hier liebevoll als „the day“ angekündigten Tag mit frischer Energie beginnen zu können, denn es sind nur noch zwei Tage bis zum Beginn des Festivals (die Vorbereitungen haben etwa drei Wochen vorher begonnen, um kurz zu den „alternativen Arbeitsmethoden“ des Teams zurückzukehren) und es müssen drei Bühnen aufgebaut, Leitungen verlegt und Getränke an die Bars verteilt werden. Hierbei stellt die Hauptbühne das größte Problem dar: bei der Kapelle Mali Grad, gelegen auf einer Anhöhe im Stadtzentrum soll diese aufgebaut werden, und das erfordert menschliche Muskelkraft, da nur eine schmale Treppe hinaufführt. Zum Glück hilft uns hin und wieder ein kleiner Aufzug die richtig schweren Sachen wie Bass-Boxen oder Teile der Bühne hochzubekommen. Doch die anstrengende Arbeit ist schnell vergessen, wenn man mit den Leuten aus dem etwa 30-köpfigen Freiwilligenteam Späße machen kann, sich über kulturelle Unterschiede unterhält und einfach gemeinsam das beeindruckende Panorama der Berglandschaft genießt. Überhaupt kann man nur von einem lockeren, warmherzigen Arbeitsklima sprechen, denn (fast) alle stehen zu einhundert Prozent hinter dem Projekt, sie opfern ihre Freizeit auf, kriegen keinen Lohn stehen aber jeden Tag ab neun Uhr morgens am Arbeitsplatz um zu helfen.
Neben der Hauptbühne gibt es freilich auch noch weitere Orte, wie die Kinderbühne im Stadtpark, die Theaterbühne in Katzenberg, einer verlassenen Fabrik, und die Nachtbühne auf offener Straße in der Altstadt, die allesamt aufgebaut und dekoriert werden müssen, und so findet sich ein jeder bei seiner Lieblingsbeschäftigung wieder. Abends, nachdem das Band-Equipment wieder heruntergekarrt wurde und man den reichlich angefallenen Müll aufgelesen hat (hier gilt meines Erachtens besonders zu betonen, dass auch die Hauptorganisatoren des Festivals sich nicht davor scheuen, zusammen mit uns Freiwilligen diese Aufgaben zu übernehmen!), finden sich alle gemeinsam im Backstage Bereich wieder, um gemütlich noch ein Bier zu trinken, das, wie ich als passionierter Biertrinker, als Deutscher finde, gar nicht mal so gut schmeckt, doch zumindest geben es die Slowenen zu, dass ihre zwei größten Brauereien, Union und Lasko, die ganz nebenbei zu einem Konzern gehören, nicht gerade die Geschmacksnerven zum Tanzen bringen.
Nichtsdestotrotz gewöhnt man sich langsam an den Arbeitsrhythmus, wenn auch hier und da eine andere Aufgabe wartet, doch im Handumdrehen sind die zehn Tage schon rum und es scheint als wäre der Schlund der Zeit besonders gefräßig gewesen. Jeden Abend hat man sich eine andere mehr oder weniger atemberaubende Band angehört, jeden Mittag verdammte 50-Liter Bierfässer zur Bar hochgeschleppt, jede Nacht säckeweise Müll von den Straßen gesammelt und jetzt soll das alles vorbei sein? Keine Action mehr, die Party ist zu Ende? Ja, tatsächlich mussten wir wohl oder übel letzten Montag alles abbauen und es war, als ob man sein eigenes Kind alleine in den Urlaub schickt, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Zum einen hat man alles für dieses Festival gegeben, Menschen aus der gesamten Region und sogar anderen Ländern haben es möglich gemacht ein wunderbares Fest zu gestalten und es wurde dankend angenommen, Alt und Jung konnten einfach feiern und eine gute Zeit miteinander erleben. Aber es muss auch zu Ende gehen, man soll ja bekanntlich aufhören, wenn es am schönsten ist, oder wenn eben das Budget nicht mehr ausreicht. Dennoch ist Eines gewiss: nächstes Jahr wird es sicherlich eine zwölfte Auflage des „Kamfest“ geben, wenn auch in etwas anderer Form, aber man kann gespannt sein und sicherlich viele bekannte Gesichter wieder sehen.
Eine letzte Abschlussparty für das ganze Organisationsteam musste es aber doch geben: am Dienstag ließen wir es uns bei einer großen Schlemmerei in Form eines Barbecue nochmal gut gehen und jeder konnte sich über die persönlichen Highlights des Festivals austauschen. In meinem Fall die Bands „Kultur Shock“(aus den USA angereist!), „Corkscrew“ (die sich exklusiv für das Festival wieder zusammengefunden haben nach einigen Jahren Pause) und „Dubzilla“ (die neben der eigenen LP auch eigenes Drehpapier und eigenen Schnaps verkaufen, verrückt…). Am Abend sind wir jedoch allesamt bei der Zombie Apokalypse ums Leben gekommen. Naja, wir sind weder gestorben, noch gab es eine richtige Apokalypse, doch bei dem Spiel ging es darum, im gesamten, beinahe komplett abgedunkelten Gebäude zehn Bomben zu finden. Das Problem: Zombies, die einen bei Berührung eines der zwei Extraleben abnehmen, danach wird man selbst zum Untoten Menschenfresser. Am Ende fehlte uns lediglich eine Bombe zum Überleben, aber dennoch war es ein schauriger Spaß und danach wurde ausgelassen gefeiert.
Mittlerweile sind haben fast alle die Heimreise angetreten oder sind bereits wieder dabei ihrem normalen Alltag zu folgen. Alle außer uns. Wir sind hier noch neun lange Monate beschäftigt, jedoch mit weniger intensivem Programm als beim Kamfest. Zunächst mit etwas Freizeit, Sprachkurs, weiteren kleineren Festivals, der Arbeit im Jugendzentrum Kotlovnica und der Aufgabe das alte, verlassene Fabrikgelände wiederzubeleben und somit den Bewohnern der Stadt näherzubringen. Doch nächste Woche geht es erstmal ins Dobrna thermal SPA, zum pflichtmäßigen on arrival training für Freiwillige aus ganz Slowenien; wer weiß, auf was für Gestalten man dort treffen wird. Überhaupt fühlt es sich im Moment noch nach Urlaub an und bis auf das eine oder andere kann ich nicht sagen, dass ich die Heimat vermissen würde; vermutlich noch nicht… Auf jeden Fall werden sich ab September zwei weitere Deutsche zu uns gesellen, um das deutsche Quartett im „Gunpowder City Project“ zu vervollständigen; ich bin gespannt. Abschließend haben uns die letzten EVS-lerinnen aus Bulgarien, die extra für das Festival an ihren alten Arbeitsplatz zurückgekehrt sind, eine wundervolle, ereignisreiche Zukunft vorausgesagt, und die Tatsache, dass sie nochmals freiwillig angereist sind beweist doch, dass dieser Ort hier etwas Besonderes an sich hat. Die kleine Gemeinde Kamnik, 25 Kilometer nördlich der slowenischen Hauptstadt Ljubljana. Deine Wälder, deine Berge, hielte ich für Gottes Werke, wenn nicht bei Licht auch Schatten herrschte.
Ich lasse bald wieder von mir hören,
Lukas